Tacheles (Freiburg): "Brauchen wir den Verfassungsschutz?“
Datum: | Mittwoch, 12. Juni 2013 |
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Uhrzeit: | 20:00:00 Uhr |
Mittwoch, 12.06.2013, 20.00 Uhr s.t.
Universität Freiburg, Platz der Universität 3 – Kollegiengebäude III, Raum 3044
Wir diskutieren mit:
- Beate Bube, Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz
Baden-Württemberg (pro) - Dr. Till Müller-Heidelberg, Rechtsanwalt, Humanistische Union
(contra) - Moderation: Dr. Christian Rath, rechtspolitischer Korrespondent (Badische Zeitung, taz u.a.)
Was seit November 2011 über den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und die von ihm begangenen Morde bekannt geworden ist, brachte das Vertrauen von Politik und öffentlicher Meinung in die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden ins Wanken – zumindest für einen
kurzen Augenblick. So unfassbar waren die Pannen und Fehler, die Ignoranz und ideologischen Scheuklappen von Polizei, „Verfassungsschutz” und anderer Geheimdienste , dass die Chance
für einen kompletten Neuanfang realistisch schien. Selbst in Zeitungen, die revolutionärer Neigungen unverdächtig sind (FAZ, SZ, Die Zeit, Berliner Zeitung) erschienen Beiträge, die das Ende der Verfassungsschutzbehörden verkündeten oder jedenfalls für erwägenswert hielten.
Diese allgemeine Umbruchsstimmung hielt nur kurze Zeit an. Während sich der vom Bundestag eingesetzte Untersuchungsausschusses noch um die Aufklärung und Analyse der Versäumnisse bemühte (sein Abschlussbericht wird im kommenden Monat erwartet), begann
die Politik bereits mit dem von ihr verkündeten „Neustart“. Er beschränkt sich beim überwiegenden Teil der politischen Parteien mit dem Gesetz zum stärkeren Informationsaustausch zwischen den „Diensten“ und dem neu geschaffenen Kooperationszentrum auf einen bloßen Pannendienst. Daneben stehen Forderungen nach mehr Geld für den Sicherheitsbereich, Veränderungen in der Organisationsstruktur der
Sicherheitsdienste, nach einer Zentralisierung der Verfassungsschutzbehörden, nach neuen Registern und vermehrtem Personalaustausch in der Diskussion mit der Beigabe, eine intensivere parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste in Aussicht zu stellen. Die Forderung nach einer Abschaffung des Verfassungsschutzes ist weitgehend von der politischen Bühne verschwunden.
Sämtliche Reformvorschläge werden nicht dem Problem gerecht, das geheim arbeitende Behörden für ein demokratisches und rechtsstaatliches Gemeinwesen aufwerfen; ja sie verstärken wie im Falle weiterer Zentralisierung noch deren fatale Wirkungsweise. Der
Rückblick in die bundesdeutsche Geschichte der Geheimdienste zeigt im Gegenteil, dass eine Bedingung ihrer Fortexistenz im permanenten gesellschaftlichen Vergessen der vielen Skandale und Anmaßungen besteht.
Deshalb fordert die HUMANISTISCHE UNION zusammen mit anderen Bürgerrechtsgruppen in einem im Juni 2013 erscheinenden Memorandum die Abschaffung des geheimdienstlich administrativen Verfassungsschutzes, weil dieser nicht nur überflüssig, sondern für unser Gemeinwesen geradezu schädlich ist.
Es diskutieren:
Beate Bube, ausgebildete Bankkauffrau und Juristin, 1996–1999 Verwaltungsrichterin, wechselte 2008 aus der Justizverwaltung als erste Frau in das Amt einer Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg.
Till Müller-Heidelberg, Dr. jur., Rechtsanwalt in Bingen a.R., Beiratsmitglied und langjähriger Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, Mitautor des Memorandums zur Abschaffung
des Verfassungsschutzes (2013).
Christian Rath, Dr. jur., rechtspolitischer Journalist, Badische Zeitung, taz u.a.
Die Reihe Tacheles ist eine gemeinsame Veranstaltung von Humanistischer Union Baden-Württemberg und dem Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Freiburg.