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Mehr Sicherheit = weniger Freiheit

19. September 2002
Datum: Freitag, 13. September 2002

Mitteilungen Nr. 179, S.64-65

Diese (Un-) Gleichung steht als Titel über einer anspruchsvollen
Veranstaltungsreihe des HU-OV Frankfurt/Main. Wir zitieren hier aus dem Einladungstext zu den ersten beiden Veranstaltungen, die kurz vor bzw. nach dem Redaktionsschluss der Mitteilungen stattfanden:
Mit der Furcht vor terroristischen Anschlägen rühren Sicherheitspolitiker die Werbetrommel für mehr Überwachung: im
Abhören von Telefonen ist Deutschland seit langem Meister, jetzt kommt der IMSI-Catcher zum Überwachen (und Stören!) des Mobilfunks hinzu.

Stimmen alleine genügen nicht – im Videozeitalter wünschen
Sicherheitsorgane auch Bilder: Videoüberwachung öffentlicher Räume. Daten werden gerastert, die Gesetze dazu notfalls  nachträglich „angepasst“: das Verhältnis des Staates zu den Bürgern verschiebt sich. Was bleibt von unserer Freiheit? Was sind die seit der Aufklärung mühsam erkämpften Bürgerrechte heute wert? Und für wen? Verschiedene Aspekte des Spannungsfelds zwischen dem Sicherheitsbedürfnis des Staates und dem der Bürger (vor dem Staat!), den bürgerlichen Freiheiten beleuchtet eine
Veranstaltungsreihe, die wir gemeinsam mit der „Denkbar“ gestalten.

Die „Denkbar“ ist ein philosophischer Gesprächszirkel, zentral in der Schillerstr. 26 in Frankfurts Fußgängerzone (nahe der Börse) gelegen. Der Gesprächskreis behandelt eine breite Themenvielfalt aus Philosophie, Kunst und Literatur. Eine Schnittmenge zu den Themen der HU ergibt sich über die Aufklärung, aus deren Gedankengut sich die Idee der unveräußerlichen Menschen- und Bürgerrechte ebenso entwickelte wie die staatstheoretischen Grundlagen unseres Parlamentarismus.

Wir möchten hier das Problembewusstsein für die Grundlagen
freiheitlicher Gesellschaft schärfen. Der Bogen reicht dabei von Vorträgen über aktuelle rechtliche Änderungen über Diskurse mit kompetenten Wissenschaftlern bis zu Diskussionen mit Volksvertretern. Manche Veranstaltungen stehen fest, ansonsten ist die Reihe je nach Resonanz offen für weitere Vorschläge zum Themenkomplex.

Wir eröffneten die Reihe am 21. August mit einem Vortrag des Marburger Rechtsanwalts Dr. Peter Hauck-Scholz:

„AusgeRASTERt? Data Morgana auf der Suche nach zukünftigen (!) Tätern“ lautet sein Thema zu Rasterfahndung und Datenschutz: welche – zu ganz anderen Zwecken angelegte – Dateien nutzt die Polizei? Wo treffen meine Daten mich wieder? Worin unterscheidet sich Rasterfahndung von Orwells „Big Brother“?

Kurz vor der Bundestagswahl wollten wir von den Parteien hören, welche sicherheitspolitischen Konzepte sie vertreten, um die Positionen direkt vergleichbar zu machen, auf der Podiumsdiskussion „Schläfer wecken? Was sichern Rasterfahndung und verdeckte Ermittler?“ am Freitag, den 13. September 2002 um 20.00 Uhr.     Aus historischer Erfahrung wurden die Aufgaben von Polizei und Geheimdienst strikt getrennt – wie sinnvoll ist es, sie jetzt wieder zusammenwachsen zu lassen? Das Bundesverfassungsgericht entschied 1983, jeder Bürger müsse wissen, wer wann welche
seiner Daten wozu benutzt. Heißt das in Verbindung mit der neuen Rasterfahndung: Jeder Bürger muss wissen, dass eine Kopie seiner persönlichen Daten direkt bei der Polizei landet? Zu diesen und weiteren Fragen diskutierten:

  • Gernot Grumbach, Vorsitzender des SPD-Bezirks Hessen-Süd,
  • Udo Corts, Frankfurter Kreisvorsitzender der CDU und
    Staatssekretär im hessischen Innenministerium,
  • Manuela Rottmann, BT-Direktkandidatin der Grünen und
    Mitglied des Frankfurter Kreisvorstandes,
  • Hans-Joachim Otto, BT-Abgeordneter der FDP und
    Bezirksvorsitzender Rhein-Main,
  • Wolf Gensert, BT-Direktkandidat und Landesvorsitzender der PDS.

Andere Themen herrschen in den Medien vor, doch erachten wir das Spannungsfeld zwischen Innerer Sicherheit und Bürgerrechten als so zentral, daß wir kurz vor der Wahl die unterschiedlichen Konzepte fokussiert einander gegenüberstellen möchten – und damit hoffentlich dazu motivieren, auch diesen Themenkreis in die Wahlentscheidung einfließen zu lassen.

Auch mit Blick auf das Wachstum anderer politischer Bewegungen
wie z.B. Attac (Globalisierung nicht nur der Warenströme, sondern auch sozialer, demokratischer, kultureller Standards) scheint uns das Interesse an bürgerrechtlichen Themen wieder reger zu werden. Weitere Veranstaltungsideen sind vorhanden bzw. werden konkreter, und je nach Publikumsresonanz werden sie bald umgesetzt.

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