Das reinste Zahlenfeuerwerk: Violettbuch Kirchenfinanzen
Datum: | Donnerstag, 25. November 2010 |
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„Religion gilt dem gemeinen Manne als wahr, dem Weisen als falsch und dem Herrschenden als nützlich.“ Dieses Seneca-Zitat stellt Dr. Carsten Frerk seinem jüngst er-schienenen „Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert“ voran. Am 25. November 2010 trug Frerk aus seinem neuen Buch im vollbesetzten Frankfurter Club Voltaire vor.
Peter Menne freute sich, Carsten Frerk zum dritten Mal in Frankfurt als Referenten begrüßen zu können: Im April 2003 hatte Frerk über Kirchenfinanzen 200 Jahre nach dem Reichsdeputationshauptschluss berichtet. Im Juni 2006 referierte er in der Reihe „Leitkultur Menschenrechte“ über „Wa(h)re Nächstenliebe. Arbeiten bei Caritas und Diakonie“. Außerdem war Frerk anlässlich der „Buskampagne“ („Es gibt – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – keinen Gott“) im Juni 2009 in Frankfurt zu Gast.
Auch diesmal sollte es keine Veranstaltung für Buchhalter werden – weshalb Carsten Frerk den informationsgesättigten Vortrag auflockerte. Zu diversen staatlichen Zahlungen an die Kirchen veranstaltete er ein munteres Ratespiel. Zum Beispiel „Kirchenbaulasten“: Was glauben Sie, wie viel der Staat für Bau, Renovation und Erhalt von Kirchengebäuden (inkl. Pfarrhäusern, ohne denkmalpflegerische Zuschüsse) zahlt? Aus dem Publikum wurden zuvor verteilte Tafeln mit Beträgen von wenigen Millionen bis zu vielen Milliarden hochgehalten. Immer wieder rief Frerk: „Zu wenig! Wer bietet mehr?“, bis jemand die Tafel mit 100 Mio. Euro hoch hält; das zahlen Bundesländer und Kommunen jährlich.
Ein Klacks gegen die 3 Mrd. (3.000 Mio.) Euro, die dem Fiskus jährlich entgehen, weil die 9 Mrd. Kirchensteuer als Sonderausgabe von der Einkommensteuer abgesetzt werden. Die Kirchensteuer ist ein deutsches Unikum, das erst seit 1919 existiert: Die Weimarer Verfassung schaffte die vorherige Staatskirche ab – und gewährte den Kirchen (nachträglichen) Einblick in die Steuerlisten, auf dass sie sich selbst finanzieren könnten. Erst die Nazis führten 1934 den Kirchensteuerabzug durch die Arbeitgeber ein – nach Abschluss des Reichskonkordats mit dem Vatikan.
Verhältnismäßig gering sind die 9 Mrd. Euro Kirchensteuereinnahmen gegenüber den 19,3 Mrd. Euro an staatlichen Zuwendungen an die Kirchen und ihre Einrichtungen (ohne Caritas und Diakonie – die weitere große Summen kassieren). Weil kaum jemand sich die Fülle der Zahlen merken konnte, verteilte Carsten Frerk ein Übersichtsblatt mit den wichtigsten Summen, mit denen der – vermeintlich säkulare – Staat diese Religionsgesellschaften finanziert. Für alle, die das im Detail nachlesen wollten, gab es einen gut sortierten Büchertisch.
Ob der Fülle des Materials geriet der Vortrag überlang – doch aufmerksam folgten die rund 50 bis 60 Zuhörer dem durchgehend spannenden Vortrag, an den sich eine kurze Diskussion anschloss. Leider musste der Referent bald aufbrechen …