„Ein wichtiger Beitrag der Humanistischen Union zur Juristenausbildung“
Datum: | Samstag, 09. Oktober 2010 |
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Verleihung des Fritz-Bauer-Preises 2010 an Helmut Kramer. Mitteilungen Nr. 210 (3/2010), S. 3
Wie funktioniert eine Justiz, deren Aufgabe darin besteht, Unrecht als Recht erscheinen zu lassen? Welcher Tatwerkzeuge bedient sie sich, und wie lassen sich ihre Taten rückblickend aufschlüsseln? Diese Fragen stehen im Zentrum des rechtshistorischen Engagement Helmut Kramers, der am 9. Oktober 2010 mit dem Fritz-Bauer-Preis der HU ausgezeichnet wurde. In seinem Festvortrag mit dem Titel „Verständigungsschwierigkeiten zwischen Juristen und Historikern“ stellte Kramer zahlreiche misslungenen, aber auch einige erfolgreichen Beispiele rechtshistorischer Kooperationen vor.
Die Preisverleihung fand auf Wunsch des Preisträgers an einem denkwürdigem Ort statt: Im sog. EL-DE-Haus, dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, war bis 1945 die Kölner Gestapo-Zentrale untergebracht. In dem Haus erinnern heute Ausstellungen an einzelne Insassen und deren Schicksale und informieren zugleich über Strukturen und Funktionsweisen des NS-Systems. Das Haus repräsentiert damit jene Form der historischen Aufarbeitung, für die sich Helmut Kramer stark macht: nicht auf herausgehobene Verbrechen in den Konzentrationslagern beschränkt; neben dem Gedenken an die Opfer nicht die Täter aus dem Blick verlierend; besondere Aufmerksamkeit für strukturelle Bedingungen in Justiz und Verwaltung, unter denen das Unrecht erst möglich wurde.
Für seine Laudatio hatte der Preisträger zwei Bedingungen gestellt: Sie solle von einem Vertreter der nachfolgenden Generation gehalten werden, und möglichst wenig Lobhudeleien über ihn selbst enthalten. Beide Wünsche konnte Michael Plöse souverän erfüllen. Die Würdigung des Preisträgers verpackte er in eine Darstellung dessen, was angehende JuristInnen von einem wie Helmut Kramer für ihre eigene Ausbildung lernen können, worin seine Vorbildfunktion bestehe. Dazu arbeitete er in seiner Laudatio vier Charakteristika des Schaffens Helmut Kramers heraus, mit denen jener in besonderer Weise zu einer Humanisierung des Rechts beigetragen habe:
- der Anspruch nach einer Gleichheit vor dem Gesetz, insbes. in der Rechtsanwendung;
- das Recht als Maß (und nicht nur Mittel) der Macht – der Richter als Schutzpatron der Schwachen;
- das Prinzip Verantwortung in Versöhnung – seine Bemühungen um Gedenkstätten, die das alltägliche und systematische Unrecht als auch die Täter nicht ausblenden;
- die Kontextualisierung historischer Entscheidungen und ihre konsequente Rückkopplung an den Maßstab der eigenen Handlungs(un)fähigkeit („Wie hätte ich an dieser Stelle gehandelt?“).
In diesen Merkmalen zeige sich das Bewusstsein Helmut Kramers für die Grenzen und Missbrauchspotentiale des Rechts, die ihn auszeichnen. Doch derlei Attribute allein genügen nicht, wenn man wie Helmut Kramer den Anspruch hat, nicht nur Recht zu sprechen, sondern auch rechtspolitischen Einfluss zu nehmen. Durch seine Frau Barbara habe er sich nicht nur die Vorteile der Arbeit in und mit Verbänden (u.a. ÖTV, NRV, Forum Justizgeschichte), sondern auch den kampagnenhaften Aufbau seines Engagements erschlossen, so Michael Plöse. Wie groß der Wirkungskreis Helmut Kramers über die Jahre geworden ist, erfuhr die HU nach der Einladung zur Preisverleihung: die Geschäftsstelle erreichten zahllose Glückwunschschreiben aus der ganzen Republik, die dem Preisträger beim Festakt überreicht wurden.