Berlin: Freiheit, Sicherheit, Bürgerrechte Wahlprüfsteine und Podiumsdiskussion zur Wahl
Datum: | Sonntag, 18. September 2016 |
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in: HU-Mitteilungen Nr. 230 (3/2016), S. 10/11
Seit fünf Jahren regiert in Berlin eine Große Koalition aus SPD und CDU, die – wenn man den Umfragen glauben darf – bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September abgewählt wird. Wahrscheinlich ist dann eine Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei, wobei derzeit niemand weiß, wer die stärkste Fraktion sein und den Regierenden Bürgermeister stellen wird. Die AfD wird nach den Umfragen auch in das Landesparlament einziehen. Die Piratenpartei, die beim letzten Mal einen überraschenden Erfolg feierte, bewegt sich in den Umfragen im nicht messbaren Bereich.
Als der HU-Landesverband Berlin-Brandenburg vor einigen Monaten mit den Planungen für ihr diesjähriges Engagement in den Abgeordnetenhauswahlen begann, war dieses Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken nicht absehbar. Es bestand allerdings die Hoffnung, dass nach der Wahl unsere bürgerrechtliche Forderungen auf einen fruchtbareren Boden fallen und die oft erschreckend ambitionslose Politik der Großen Koalition einer bürgerrechtlich gestaltenden Politik weicht.
In langen Sitzungen wurde von den aktiven Mitgliedern ein Katalog von fast dreißig Fragen erstellt. Zu jeder Frage wurde auch eine durch Diskussionen gefestigte Position des Landesverbandes formuliert. Thematisch steht bei den Wahlprüfsteinen die Innen- und Justizpolitik im Mittelpunkt. Es wurden Fragen zum Strafvollzug, zur Polizei (unter anderem zur Polizeibeauftragten, Racial Profiling, Predictive Policing und Videoüberwachung), zum Verfassungsschutz, zum Demonstrationsrecht, zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG), zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), zum bürgerschaftlichem Engagement, zur Demokratischen Teilhabe und zur Integration gestellt.
Dieser Fragenkatalog wurde den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, – also der SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Linkspartei und Piratenpartei -, und der FDP und AfD, die nach den Umfragen beide eine reelle Chance auf einen Einzug in das Abgeordnetenhaus haben, zugeschickt. Bis auf die AfD, die sich gänzlich in Schweigen hüllte, haben alle Parteien ausführlich auf unsere Fragen geantwortet. Diese Antworten sind online vollständig auf der HU-Landeshomepage einsehbar.
Außerdem wurde eine über 40seitige Broschüre erstellt. In ihr sind die Antworten der Parteien zusammengefasst sowie die Positionen der HU zu den von ihr gestellten Fragen.
Die Wahlprüfsteine waren die Grundlage für die Podiumsdiskussion des Landesverbandes am Mittwoch, den 20. Juli, im Haus der Demokratie und Menschenrechte, zu der alle angefragten Parteien Vertreter schickten. Trotz des Beginns der Sommerferien und eines nach mehreren kalten Tagen, heißen Sommertages war der Saal gut gefüllt.
Auf dem Podium saßen Frank Zimmermann (SPD, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses [MdA], Sprecher für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Mitglied in der G 10-Kommission), Stephan Lenz (CDU, MdA, Sprecher für Verfassungsschutz in der CDU-Fraktion), Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen, MdA, Sprecherin für Integration, Migration und Flüchtlinge, Koordinatorin des Arbeitskreises III Inneres, Recht, Daten- und Verbraucherschutz), Niklas Schrader (Die Linke, Referent der Fraktion für Innen- und Rechtspolitik, Verfassungsschutz und Datenschutz), Fabio Reinhardt (Piratenpartei, MdA, Sprecher für Migration, Integration und Flüchtlingspolitik) und Florian Swyter (FDP, Spitzenkandidat der FDP im Bezirk Pankow).
Diese innenpolitischen Experten der Parteien haben eine gute bis sehr gute Chance, dem nächsten Abgeordnetenhaus anzugehören. Entsprechend fundiert waren ihre Antworten.
Während der gut dreistündigen Diskussion waren sich die Politiker bei ihren Bekundungen zur Direkten Demokratie erfreulich einig. Auch die von der HU seit Jahrzehnten geforderte unabhängige Polizeibeauftragte könnte in der nächsten Legislaturperiode Wirklichkeit werden. Nur die CDU sieht keine Notwendigkeit für diese Beauftragte.
Erheblich kontroverser wurde es bei der Frage der von der HU geforderten Auflösung des Verfassungsschutzes, des Umgangs mit V-Leuten und extremistischen Bestrebungen.
Kurz vor unserer Podiumsdiskussion wurde bekannt, dass die Polizei in dem teilbesetztem Haus in der Rigaer Straße 94 einen Trupp Bauarbeiter bei ihrer Arbeit schützte, obwohl es keinen Räumungstitel und damit auch keine rechtliche Grundlage für die Arbeiten gab. Diese Räumung bildete den Auftakt einer sich bis dahin gegenseitig hochschaukelnden Gewaltspirale. In der Diskussion ging es daher um die Frage, wer dafür verantwortlich sei und ob es einen Konsens der demokratischen Parteien gegen Linksextremismus geben solle.
Nach der Podiumsdiskussion und den Antworten der Parteien für die Wahlprüfsteine kann gesagt werden, dass bürgerrechtliche Position bei den Parteien eine erfreulich große Akzeptanz haben. In der nächsten Legislaturperiode könnten sogar einige alte HU-Forderungen endlich umgesetzt werden.
Axel Bußmer
Die HU-Wahlprüfsteine und die Antworten der Parteien: http://berlin.humanistische-union.de/