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„Geheim­dienste vor Gericht“

16. Januar 2017
Datum: Sonntag, 22. Oktober 2017

Abschluss der Kampagne ausgeschnüffelt mit Kongress und Tribunal. In: HU-Mitteilungen Nr. 231 (1/2017), S. 5/6

Szenenbild der Aufführung „Geheimdienste vor Gericht“  (Foto: Henning Schacht ) 

Sind Geheimdienste legitime Institutionen oder blinde Flecken in einer Demokratie? Lässt sich das illegale, massenhafte Absaugen von Metadaten durch den BND mit einem neuen BND-Gesetz einfach legalisieren? Wer kann den „Verfassungsschutz“ kontrollieren? Nach drei Jahren der intensiven Beschäftigung mit den deutschen Geheimdiensten im Rahmen der Kampagne ausgeschnüffelt wagten wir uns zum Abschluss an die großen rechtspolitischen und gesellschaftlichen Fragen. Mit dem Forum „Geheimdienste und Demokratie“ an der Berliner Humboldt-Universität und dem dokumentarischen Theaterstück „Geheimdienste vor Gericht – eine Volksbeschwerde“ am Maxim Gorki Theater Berlin haben wir am 22. Oktober den Schlusspunkt unserer Kampagne gesetzt. Beide Veranstaltungen boten spannende gesellschaftliche Diskussionen in einer Zeit, die von der Angst vor dem Terrorismus geprägt ist.
Beim Forum konnten wir unter anderen Kurt Graulich (ehem. Richter am Bundesverwaltungsgericht und Sachverständiger in der NSA-Affäre), Martina Renner (MdB die Linke und Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss) und Winfried Ridder (ehem. Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz) begrüßen. Der Tag bot insgesamt 17 Veranstaltungen zu den Themensträngen „Verfassungsschutz und Einsatz von V-Leuten“, „Kommunikationsüberwachung durch den BND“ und „Geheimdienstkontrolle“. Daran nahmen rund 150 BesucherInnen teil. Die Angebote reichten von Podiumsdiskussionen über Vorträge und Diskussion bis hin zu Lesung und Cryptoparty. Drei Ausstellungen, zu denen auch Führungen anboten wurden, ein Marktplatz mit Infotischen beteiligter Organisationen und eine kurze Kabaretteinlage rundeten den Kongress ab. Ein besonderer Dank gilt allen Ehrenamtlichen der Humanistischen Union. Nur dank ihrer Unterstützung konnte diese Veranstaltung ein Erfolg werden.
Am Abend gab es dann eine Aufführung vor ausverkauften Rängen im benachbarten Maxim Gorki Theater. Rund 300 Zuschauer/innen in Saal und Foyer verfolgten dort eine fiktive Gerichtsverhandlung, die realistischer kaum sein konnte. Verhandelt wurde die Klage von Constanze Kurz (Sprecherin des Chaos Computer Clubs), die sich gegen die BND-Auslandsüberwachung zur Wehr setzt. Jenseits der fiktiven Ausgangslage (die Klägerin hatte von einem Whistleblower im Dienst erfahren, dass ihre Kommunikation in Bad Aibling erfasst wurde) beruhten alle weitere Details des Stückes auf Fakten, bei den DarstellerInnen handelte es sich um ExpertInnen des Alltags. Dargestellt wurden Auszüge einer Gerichtsverhandlung, in der die drei RichterInnen (Manfred Krause, Dieter Deiseroth und Rosemarie Will) zunächst die Versuche des Regierungsvertreters (Rüdiger Söhnen) abwehren mussten, die Klage für unzulässig zu erklären oder zumindest unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu verhandeln. Im Mittelpunkt der Aufführung stand das Rechtsgespräch, mit dem das Gericht die tatsächlichen Abläufe in Bad Aibling rekonstruierte und die rechtliche Zulässigkeit des Vorgehens prüfte. Dafür wurden drei Sachverständige befragt: ein Datenschützer (Roland Schäfer), der die Ergebnisse der Vor-Ort-Prüfungen der Bundesdatenschutzbeauftragten zusammenfasste; ein technischer Sachverständiger des Provider-Verbandes Bitkom (Klaus Landefeld), der die Grundlagen der Erfassung und Filterung von Kommunikationsdaten erläuterte; und schließlich Hans-Christian Ströbele als dienstältestes Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, das den BND kontrollieren soll.

Inhaltlich basierte das Stück auf drei Gutachten: der Untersuchung des Sachverständigen Graulich sowie den Berichten des Parlamentarischen Kontrollgremiums und der Bundesdatenschutzbeauftragten. Ferner flossen in den Text Argumente ein, die VertreterInnen der Bundesregierung und des BND im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags zum besten gegeben hatten. Erarbeitet wurde das Stück von der HU zusammen mit Amnesty International, dem Chaos Computer Club (CCC), zwei Dramaturginnen und unter Mithilfe zahlreicher ExpertInnen erarbeitet. Das Stück bot einen detaillierten Einblick in die Arbeitsweise des BND und die Probleme seiner Kontrolleure. Der Streit um die Befugnisse des Geheimdienstes war auf der Bühne zum Greifen nah. Und so kommentierte David Gutensohn vom „Freitag“ die Aufführung: „Während der Gesetzgeber die Massenüberwachung legalisiert und Deutschland über Fernsehurteile debattiert, spielt sich in Berlin ein Prozess ab, den es dringend braucht.“

Astrid Goltz / Sven Lüders

Von den meisten Vorträgen und Podien des Kongresses gibt es Audio- oder Videomitschnitte. Sie können im Internet nachgeschaut bzw. -gehört werden unter www.geheimdienste-vor-gericht.de/programm. Dort gibt es auch den Mitschnitt sowie das Programmheft des Theaterstücks.

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