Bericht von der Mitgliederversammlung 2018
Datum: | Sonntag, 10. Juni 2018 |
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Mitteilungen Nr. 237 (3/2018), S. 2/3
Das Modell des Parlamentsgeländes bot einen guten Überblick über die politische Mitte Berlins.
Leider nur 35 Mitglieder fanden sich zum diesjährigen Mitgliedertreffen der Humanistischen Union (HU) vom 8. bis 10. Juni in Berlin ein. Für die früh Angereisten gab es am Freitagabend ein Hintergrundgespräch sowie eine Führung im Deutschen Bundestag, bei der auch der überkonfessionelle Andachtsraum des Parlaments besichtigt wurde. Anschließend gab es beim gemeinsamen Abendessen die Gelegenheit zu einem ersten Austausch.
Die Mitgliederversammlung begann am Samstagmorgen traditionell mit den Berichten des Vorstands, der Geschäftsführung und der Regionalgruppen. Diskussionen gab es vor allem über die Online-Ausgabe der vorgänge (Wie ließe sie sich besser gestalten? Wer nutzt sie?) und die Arbeit der HU im Forum Menschenrechte (Wie lassen sich Verbündete finden?). Unter den Aktivitäten der HU-Regionalgruppen fanden sich auch zwei Klageverfahren: gegen die Beschlagnahmung umfangreicher Datenbestände der Studierendenschaft im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen linksunten.indymedia (in Freiburg) sowie gegen die Bremer Senatsverwaltung für Soziales wegen der schleppenden Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes.
Im Anschluss gab Thomas von Zabern einen kurzen Überblick über den Aufbau und die Arbeitsweise der Aufsichtsgremien für die öffentlich-rechtlichen Medien, über seine Arbeit im Rundfunkrat von Radio Bremen (s. Mitteilungen Nr. 235, S. 3ff.) sowie die medienpolitischen Debatten in der bundesrepublikanischen Geschichte. Es folgte eine Diskussion darüber, wie die HU ihre medienpolitischen Aktivitäten verstärken könnte und auf welche Fragen sie sich dabei konzentrieren sollte.
Am Nachmittag gaben Clemens Arzt und Kirsten Wiese einen Werkstattbericht über aktuelle Gesetzgebungsverfahren im Polizeirecht. Sie gingen auf die verschiedenen Stufen der Ausweitung des polizeilichen Gefahrenbegriffs sowie die umfangreichen Gefährder-Maßnahmen ein, die sich in den neueren Gesetzen finden. Clemens Arzt wies darauf hin, dass die Ausweitung polizeilicher Befugnisse auch aus praktischer Sicht problematisch sei, weil ihre Anwendung aufgrund z.T. unscharfer Bestimmungen mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden ist. Im Zweifelsfall könne es passieren, dass Polizist*innen die Befugnisse nicht anwenden, weil ihnen die rechtlichen Risiken zu groß sind. Arzt zeigte auch, wie bei einzelnen Vorschriften die (sinnvolle) Trennung zwischen polizeilicher Gefahrenverhütung, der Straftatenvorsorge und dem allgemeinen Strafrecht verschwimmen.
Der Versammlung lagen insgesamt sechs Anträge vor. Den Anfang machte ein Antrag auf Satzungsänderung, den der Bundesvorstand eingebracht hatte und mit dem die Möglichkeit von Honorarzahlungen im Zusammenhang mit Musterklagen des Vereins abgesichert werden sollte. Zu diesem Antrag gab es eine lebhafte Diskussion darüber, warum solche Klagen nicht (wie bisher) ehrenamtlich geführt werden können; wer als Prozessvertreter*in für die HU auftreten könne; ob die bisherige Satzung solche Zahlungen nicht bereits zulasse. Angesichts der Unsicherheiten über die letzte Frage zog der Vorstand seinen Antrag schließlich zurück.
Danach stellte die Geschäftsführung eine neue Wahlordnung vor, die nach der 2015 erfolgten Abschaffung der Delegiertenwahlen notwendig wurde. Der Entwurf wurde mit geringfügigen Änderungen von den Anwesenden angenommen. Ein weiterer organisatorischer Antrag bezog sich auf die Neufassung der Datenschutzordnung, mit der die Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung in der HU umgesetzt werden sollen. Die Grundregeln des vereinsinternen Datenschutzes bleiben dabei gleich, jedoch enthält die neue Ordnung weitaus detailliertere Angaben zu den betroffenen Personenkreisen, den erfassten Datenarten und ihre Verwendungskontexten sowie zu den Betroffenenrechten gegenüber der HU.
Der Landesverband Berlin/Brandenburg hatte einen Antrag zur Unterstützung seiner Position in Sachen Videoüberwachung eingebracht. Er engagiert sich gegen ein Volksbegehren für mehr Videoüberwachung in der Stadt, mit dem die Anzahl der Videokameras deutlich erhöht, die Speicherfristen verlängert und die Live-Beobachtungs- bzw. Auswertungsmöglichkeiten ausgebaut werden sollen. In der Diskussion wies Udo Kauß (Freiburg) darauf hin, dass es auf kommunalpolitischer Ebene viele Möglichkeiten zur Verhinderung exzessiver Videoüberwachung gebe – konkrete Informationen dazu verschickt er gern auf Anfrage. Die weiteren Anträge konnten aus Zeitgründen nicht behandelt werden.
Den Abschluss des Mitgliedertreffens bildete eine Diskussion über den Antisemitismusvorwurf und die Grenzen der Meinungsfreiheit. Dazu stellte Wolfgang Stöger die Abläufe rund um die Verleihung des „Aufrechten Ganges“ an das Ehepaar Bernstein im Januar diesen Jahres vor. Johannes Feest warnte davor, die Meinungsfreiheit von politischer Opportunität abhängig zu machen. Er stimmte Volker Beck darin zu, dass sich hinter mancher Kritik an der israelischen Politik auch Antisemitismus verberge – das sei für die Frage der Meinungsfreiheit jedoch nicht ausschlaggebend. Volker Beck hingegen warnte, dass die politische und gesellschaftliche Verantwortung nicht erst da einsetze, wo es um strafrechtlich relevante Äußerungen gehe. Staat und Zivilgesellschaft müssten auch im Raum der Meinungsfreiheit gestaltend eingreifen können.
Roland Otte (links) moderierte die Diskussion mit Volker Beck (Mitte) und Johannes Feest.