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Eiferertum statt Quali­täts­jour­na­lismus

Mitteilungen Nr. 221 (2/2013), S. 12

In Heft 22/2013 berichtete das Magazin Focus über angeblich ungeklärte pro-pädophile Positionen bei der Humanistischen Union: „Freigeister mit wenig Gespür. Die ultraliberale Humanistische Union hat früher Sex mit Kindern verharmlost …“ Darin wurde die gerichtlich untersagte Beschuldigung durch den früheren Regensburger Bischof Müller wiederholt, zudem Angriffe gegen das HU-Beiratsmitglied Rüdiger Lautmann. Vorab zugesandte Stellungnahmen und Informationen der HU zum Thema wurden dagegen nicht berücksichtigt. Der Vorstand reagierte mit folgendem Leserbrief, der nicht abgedruckt wurde.

Ein Clinch unter Wissenschaftlern sowie die Wiederholung einer ehrenrührigen, gerichtlich zu unterlassenden Falschaussage reichen dem Focus zur Stimmungsmache gegen die Humanistische Union. Eine Aufklärung darüber, worin die Irrtümer und Fehler sexualliberaler Vorstreiter bestehen könnten, vermag derartiger „Qualitätsjournalismus“ nicht zu bieten. Stattdessen vergleicht der Beitrag gewissermaßen Äpfel mit Birnen, und wendet dabei auch noch zweierlei Maß an.

Auf der einen Seite konstatiert er, die Kirche habe ihre Missbrauchsgeschichte so umfassend wie keine andere Institution aufgearbeitet. Leider vergessen die Autoren zu erwähnen, dass genau dieses Vorhaben – mit der das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen beauftragt war – gescheitert ist. Es scheiterte, weil die Katholische Kirche sich weigerte, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Dagegen bescheinigt der Focus der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, sie gehe „ihre Geschichte bislang zaghaft an“. Bei dieser „Geschichte“ handelt es sich jedoch nicht um Missbrauchsfälle an Kindern, sondern um politische Stellungnahmen. Die Autoren verschweigen zudem, dass sämtliche – aus heutiger Sicht – kritischen Stellungnahmen zum Thema von der HU im Jahr 2010 veröffentlicht wurden, sie sind auf der Webseite des Vereins abrufbar. Die HU hat damit die Voraussetzungen für eine transparente, öffentliche Debatte und Kritik ihrer früheren Positionen geschaffen.

Auch jenseits dessen ist der Focus-Beitrag für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema absolut ungeeignet. In hypertrophierter Empörung werfen die Autoren propädophile Standpunkte und die Einforderung rechtsstaatlich/bürgerrechtlicher Standards im Umgang mit Pädophilen in einen Topf. Von ersteren (etwa der zitierten Stellungnahme zur Verurteilung eines Päderasten von 1983) hat sich die Humanistische Union klar distanziert. Letzteres könnte sie nur aufgeben, wenn sie ihren Anspruch einer Bürgerrechtsorganisation aufgibt. Bürgerrechte sind zuallererst Minderheitenrechte; sie kommen jenen zugute, die am Rande unserer Gesellschaft stehen, und deren Handeln oft moralisch anstößig ist. Mit ihnen will und muss eine Bürgerrechtsorganisation reden. Die politische Herausforderung besteht für Bürgerrechtler darin, auch auf die Rechte der Täter zu pochen, ohne sich mit ihnen zu verbrüdern oder ihre Taten kleinzureden.

Werner Koep-Kerstin, Bundesvorsitzender

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