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Betrifft: Kirchen­steuer

Mitteilungen22107/2013Seite 11-12

Mitteilungen Nr. 221 (2/2013), S. 11-12

Bei dem Rechtsstreit um den Kirchenaustritt des Kirchenrechtlers Professor Hartmut Zapp („Steuerpflicht für Kirchenmitglieder“, F.A.Z. vom 27. September) ging es nur vordergründig um die innerkirchlichen Folgen eines nach staatlichem Recht erklärten Kirchenaustritts. Das eigentliche Problem wurde dabei ausgeklammert – die Modalitäten der Kirchensteuererhebung. Diese Modalitäten sind im Artikel 137 Absatz 6 der Weimarer Reichsverfassung, der Bestandteil des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist, festgelegt. Danach sind Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus „berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Es sind also die Kirchen – nicht der Staat – die zur Erhebung einer Kirchensteuer berechtigt sind. Mit keinem Wort ist in der Verfassung davon die Rede, dass die Kirchensteuer von staatlichen Finanzbehörden unter Mithilfe der Arbeitgeber einzuziehen ist.

Die beiden christlichen Kirchen, die sonst sehr auf ihr Selbstbestimmungsrecht pochen, verzichten auf ihr Recht, die Kirchensteuer selbst zu erheben. Statt dessen haben sie dieses Recht an den Staat delegiert, was sicher bequem und kostengünstig ist, aber nicht mit der Verfassung im Einklang steht.

Die von kirchennahen Staatskirchenrechtlern betriebene und vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Umdeutung des kirchlichen Rechts zur Steuererhebung zu einer staatlichen Verpflichtung zum Kirchensteuereinzug führte zu weiteren grotesken gesetzlichen Regelungen. So muss der die Steuerpflicht beendende Kirchenaustritt – je nach Bundesland – vor dem Standesamt oder dem Amtsgericht erklärt werden. Neben Zeitaufwand und Fahrkosten für das Aufsuchen von Standesamt oder Amtsgericht entstehen dem Austrittswilligen für die Amtshandlung des Kirchenaustritts in der Regel weitere Kosten. Vereinzelt betragen die Austrittsgebühren bis zu 60 Euro.

Religionsfreiheit in der unerwünschten Form von Freiheit von Religion hat eben seinen Preis und wird erschwert. Man stelle sich einmal vor, der Austritt aus einer Gewerkschaft, dem ADAC oder einem sonstigen Verein müsste vom Standesamt oder Amtsgericht beurkundet werden und würde eine Gebührenpflicht auslösen. …

Gerhard Saborowski, Hannover

Der Leserbrief vom 4.10.2012 wurde von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nicht veröffentlicht.

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