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Das BKA - von der zentralen Sammel­stelle zur Bundes­ge­heim­po­lizei

10. September 2008

Eine kurze Chronik des Bundeskriminalamtgesetzes

Die Bekämpfung des gemeinen Verbrechers, soweit er sich über das Gebiet eines Landes hinaus betätigt oder voraussichtlich betätigen wird“, so definierte einst § 1 des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes vom 8. März 1951 den Aufgabenbereich des BKA. Dieser Aufgabenbereich wurde über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder erweitert. Zugleich erhielt das BKA immer mehr Kompetenzen, die förderale Polizeistruktur Deutschlands wurde zunehmends ausgehöhlt. Den vorläufigen Höhepunkt findet diese Entwicklung in der 2008 vorgelegten Reform des BKA-Gesetzes, mit der die Behörde zu einer Bundesgeheimpolizei ausgebaut wird. Die einzelnen Stationen dieser Entwicklung werden hier kurz dargestellt:

Die Gründung des BKA als zentrale Sammel- und Auswer­tungs­stelle

Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes vom 8. März 1951 (BGBl. I 1951, S. 165)

Nach § 2 des BKAG i.d.F.v. 8. März 1951 wurde das BKA als Sammel- und Auswertungsstelle für „Nachrichten und Unterlagen für die kriminalpolizeiliche Verbrechensbekämpfung und die Verfolgung strafbarer Handlungen“ begründet. Seine Arbeit war auf die Auswertung jener Straftaten beschränkt, die „nicht lediglich auf den Bereich eines Landes begrenzte Bedeutung haben“. Das BKA durfte nur tätig werden, wenn die Landesbehörden darum ersuchte oder der Bundesinnenminister dies aus besonders schwerwiegenden Gründen anordnete. Außerdem war nach § 7 BKAG die internationale Verbrechensbekämpfung dem BKA vorbehalten. Zu diesem Zweck unterhielt es nachrichten- und erkennungsdienstliche sowie kriminaltechnische Einrichtungen.

Das BKA als Ermitt­lungs­be­hörde

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes vom 19. September 1969 (BGBl. I 1969, S. 1717)

Mit der ersten Gesetzesänderung wurde die Zuständigkeitsbereich des BKA erweitert: Die vorbeugende Verbrechensbekämpfung blieb zwar Ländersache, doch durfte das BKA nun auch tätig werden, wenn „der Generalbundesanwalt oder der Untersuchungsrichter in Verfahren, in denen der Generalbundesanwalt die Ermittlungen führt, darum ersucht oder einen Auftrag erteilt“ ( § 4 Abs. 2c BKAG). Auch wurde dem BKA mit dem neuen § 4a die Möglichkeit eröffnet, seine Beamten zu den Polizeibehörden zu entsenden, um diese zu unterstützen, „wenn die zuständige Landesbehörde darum ersucht oder wenn dies den Ermittlungen dienlich sein kann“.

Das BKA als Schutz­gruppe, Bund-­Län­der-­Ko­or­di­na­ti­ons­zen­trale, Forschungs­stelle; erste präventive Polizei­be­fug­nisse und inter­na­ti­o­nale Straf­ver­fol­gung

Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes vom 29. Juni 1973 (BGBl. I 1973, S. 701)

Ein Jahr nach der Mai-Offensive der RAF und der anschließenden Verhaftungswelle wird eine Neufassung des BKAG verabschiedet, mit der die Aufgaben und Zuständigkeiten des BKA erweitert werden. Demnach wird das BKA zur

  • Zentralstelle für den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern (§2 BKAG)
  • Koordinationsstelle für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern
  • Zentralstelle für kriminalpolizeiliche Analysen und Statistiken
  • Forschungseinrichtung zur Entwicklung polizeilicher Methoden und Arbeitsweisen der Verbrechensbekämpfung.

§ 2 Absatz 1 Nummer 7 legt fest, dass das BKA „die Polizei der Länder in der Vorbeugungsarbeit zur Verbrechensbekämpfung zu unterstützen“ hat und setzt damit den Grundstein für den Zugang des BKA in die präventive Polizeiarbeit.

Ein neuer § 5 Abs. 2 weist dem BKA erweiterte Aufgaben der Strafverfolgung zu (auf Kosten der Kompetenzen der Länderpolizeibehörden): Die Behörde soll nun in Fällen des „international organisierten ungesetzlichen Handels mit Waffen, Munition, Sprengstoffen oder Betäubungsmitteln und der international organisierten Herstellung und Verbreitung von Falschgeld, die eine Sachaufklärung im Ausland erfordern, sowie damit im Zusammenhang begangener Straftaten“, und „in Fällen von Straftaten, die sich gegen das Leben oder die Freiheit des Bundespräsidenten, von Mitgliedern der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesverfassungsgerichts oder der Gäste der Verfassungsorgane des Bundes aus anderen Staaten oder der Leiter und Mitglieder der bei der BRD beglaubigten diplomatischen Vertretungen richten“ die Ermittlungen übernehmen. Die zuständigen Polizeibehörden müssen über Ermittlungen des BKA in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht mehr unterrichtet werden.

Darüber hinaus obliegt dem BKA nach § 9 der unmittelbare Personenschutz „der Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes sowie in besonderen Fällen der Gäste dieser Verfassungsorgane aus anderen Staaten“ und „der innere Schutz der Dienst- und Wohnsitze sowie der jeweiligen Aufenthaltsräume des Bundespräsidenten, der Mitglieder des Bundesregierung und in besonderen Fällen ihrer Gäste aus anderen Staaten“. Für diese Aufgabe erhält das BKA Befugnisse des Bundesgrenzschutzes.

Die große Reform: Das BKA als zentrale Daten­dreh­scheibe, erste repressive Befugnisse, „kleiner Lausch­an­griff“ und andere technische Mittel

Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten vom 7. Juni 1997 (BGBl. I 1997, S. 1650)

Die im Jahre 1997 verabschiedete Reform des BKA-Gesetzes war ein großer Schritt in Richtung einer Bundespolizei. Die Behörde erhält zahlreiche neue Aufgaben:

  • Das BKA erhält umfassende Befugnisse zur Datenerhebung und zum Datenaustausch mit anderen Behörden. Im Zentrum steht dabei der Aufbau polizeilicher Informationssysteme, „insbesondere zentrale erkennungsdienstliche Einrichtungen und Sammlungen sowie zentrale Einrichtungen für die Fahndung nach Personen und Sachen“ ( § 2 Abs. 3 und 4 BKAG). In diesen Dateien dürfen Beschuldigte, (potentielle) Zeugen oder „sonstige Personen“ (bei denen „bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ sie könnten Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen) gespeichert werden. Das BKA darf dafür von den Polizeibehörden des Bundes und der Länder, sowie beliebigen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen im In- und Ausland, die mit der Verhütung oder Verfolgung von Straftaten befasst sind, Daten erheben. Die Speicherung ist möglich zur Fahndung und polizeilichen Beobachtung, zum Nachweis von mit Haftbefehl gesuchten oder rechtskräftig verurteilten Personen sowie bei „Vermissten, unbekannten hilflosen Personen und Toten“. Das BKA darf all diese Dateien an Polizeibehörden des Bundes und der Länder sowie an sonstige öffentliche und nichtöffentliche Stellen übermitteln. Für den Zugriff der beteiligten Behörden wird ein automatisiertes Abrufverfahren ermöglicht, bei dem u.U. auch die Daten nicht betroffener Personen übermittelt werden dürfen, wenn die Trennung der Daten „nicht oder nur mit unvertretbaren Aufwand möglich ist“. Die datenschutzrechtliche Verantwortung für die gespeicherten Informationen tragen die Behörden, welche die Daten eingespeist haben.
  • Landeskriminalämter und Polizeibehörden des Bundes werden verpflichtet, dem BKA „die zur Erfüllung seiner Aufgaben als Zentralstelle erforderlichen Informationen“ zu übermitteln. Durch die Vorschriften zum Abgleich der beim BKA gespeicherten Daten mit externen Dateien anderer Behörden ( § 28 BKAG) soll das BKA als Koordinierungsstelle für Rasterfahndungen der Länder unterstützend wirken.
  • Das BKA wird für die Strafverfolgung „in den Fällen international organisierter Straftaten nach § 129a StGB“ (Bildung, Unterstützung und Werbung für terroristische Vereinigungen) sowie von Straftaten nach § § 105, 106 StGB (Nötigung von Verfassungsorganen, des Bundespräsidenten und Mitgliedern von Verfassungsorganen) zuständig.
  • Das BKA erhält erweitere Befugnisse für die internationale Strafverfolgung, etwa zum systematischen Datenaustausch mit ausländischen, zwischen- und überstaatlichen Sicherheitsbehörden (u.a. NATO) sowie die Ausschreibung zur internationalen Fahndung. Darüber hinaus wird das BKA für die Verfolgung von Straftaten im Ausland zuständig, soweit „ein Gerichtsstand noch nicht feststeht“.
  • Für den Einsatz von BKA-Beamten werden „technische Mittel zur Eigensicherung“ legalisiert („kleiner Lauschangriff“). Die Beamten dürfen nun „das innerhalb und außerhalb einer Wohnung nicht-öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln“ abhören, aufzeichnen und Lichtbilder herstellen, „soweit dies zur Abwehr von Gefahren für deren Leib, Leben oder Freiheit unerlässlich ist“.
  • Für den (Personen-)Schutz der Mitglieder von Verfassungsorganen werden dem BKA weitreichende Befugnisse zugestanden: Es darf Personenkontrollen und Durchsuchungen durchführen, Ortsverweisungen aussprechen, Sachen sicherstellen, Wohnungen ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen und Personen in Gewahrsam nehmen. Darüber hinaus werden dem BKA auch verdeckte Befugnisse („besondere Mittel der Datenerhebung“ – § 23 BKAG) zugestanden: „die planmäßig angelegte Beobachtung einer Person“, der „Einsatz technischer Mittel außerhalb der Wohnung“ (Bild- und Tonaufnahmen) und der Einsatz von V-Männern. Diese Mittel dürfen nicht nur gegen Verdächtige, sondern auch deren Kontaktpersonen eingesetzt werden.
  • Das BKA wird für Zeugenschutz-Programme zuständig ( § 6 BKAG).
Vorver­la­ge­run­gen: Ermitt­lungen zur Verdachts­ge­win­nung und Ausweitung des „kleinen Lausch­an­griffs“

Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom  9. Januar 2002 (BGBl. I 2002, S. 361)

Dieses als II. Sicherheitspaket bekannt gewordene Gesetz wurde in Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 verabschiedet. Es erweitert die Aufgaben und Befugnisse des BKA an drei Stellen:

  • Die originäre Ermittlungszuständigkeit des BKA wird auf die Verfolgung von Straftaten gemäß § 303b StGB (Computersabotage) ausgedehnt, wenn dabei „die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder sicherheitsempfindliche Stellen von lebenswichtigen Einrichtungen, bei deren Ausfall oder Zerstörung eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit oder das Leben von Menschen zu befürchten ist oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind“ betroffen sind.
  • Das BKA wird zu Ermittlungen für die Verdachtsgewinnung ermächtigt: Zur Verhütung künftiger Straftaten darf das BKA „Daten zur Ergänzung vorhandener Sachverhalte oder sonst zu Zwecken der Auswertung mittels Auskünften oder Abfragen bei öffentlichen oder nicht-öffentlichen Stellen (zu) erheben“ ( § 7 Abs. 2 BKAG).  Derartige Ermittlungen können sich potentiell gegen jede und jeden richten, sofern sie/er das Kriterium des „Verdachtes auf einen Verdacht“ erfüllt. Die Ermittlungen werden nicht mehr durch einen konkreten Verdacht auslöst, dieser steht am (vorläufigen) Ende der Ermittlungen.
  • Die Ausweitung des so genannten „kleinen Lauschangriffs“: Technische Mittel zur Eigensicherung dürfen neben BKA-Bediensteten (verdeckten Ermittlern) jetzt auch für alle „vom Bundeskriminalamt beauftragten Personen“ eingesetzt werden. Das heimliche Abhören, Filmen und Fotografieren wird dadurch auch für so genannte V-Leute und Informanten, aber auch für Einsatzkräfte der Länderpolizeien, ausländischer Sicherheitsbehörden, der Nachrichtendienste oder anderer öffentlicher Stellen gestattet, sofern sie um Auftrag des BKA tätig sind. (Der zulässige Personenkreis wird weder gesetzlich noch durch Verwaltungsvorschriften bestimmt oder begrenzt.)
An der Nahtstelle zwischen Polizei und Geheim­dienst: Die Einrichtung der zentralen Antiter­ror-­Datei beim BKA

Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Bundesnachrichtendienst und der Länder“ vom 22.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 3409, Art. 4)

Mit diesem Gesetz wird die Errichtung einer gemeinsamen Antiterror-Datei beim BKA beschlossen, auf die sämtliche mit terroristischen Straftaten befasste Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder zugreifen dürfen: Neben dem BKA zählen dazu die Geheimdienste, das Zollkriminalamt, die Bundespolizeidirektion und die Landeskriminalämter; weiteren Behörden (etwa den Staatsschutzabteilungen der Länderpolizeien) kann ebenfalls Zugriff gewährt werden. In der Antiterror-Datei werden mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer terroristischer Vereinigungen, mutmaßliche Befürworter „rechtswidriger Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange“ sowie mutmaßliche Kontaktpersonen zu den anderen Personenkreisen gespeichert.

Daneben erlaubt das Gesetz zeitlich befristete „gemeinsame Projektdateien“ beim BKA, in die alle beteiligten Behörden beliebige personenbezogene Daten Verdächtiger einspeisen können. Die Antiterror-Datei und die gemeinsamen Projektdateien gewähren Polizeibehörden und Geheimdiensten u.U. Zugriffe auf Informationen, die sie ihm Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben nicht erheben dürften; die Grenzen zwischen polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit wird einmal mehr verwischt.

Die Vollendung der geheimen Bundes­po­li­zei: Vom Lausch­an­griff über heimliche Online-­Durch­su­chungen bis zur Identi­täts­fest­stel­lung

Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 17.6.2008 (BT-Drs. 16/9588)

Am 16. April 2008 haben sich Justizministerin Zypries und Innenminister Schäuble über den Entwurf des Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt geeinigt. Mit dem Gesetz soll das BKA die Aufgabe erhalten, konkrete Gefahren des internationalen Terrorismus abzuwehren bzw. solche Straftaten bereits im Vorfeld zu verhüten. Dem BKA wird dazu in den vorgeschlagenen § § 20b-t BKA-Gesetzentwurf das gesamte Arsenal offener und heimlicher Ermittlungsmethoden eingeräumt, beginnend mit der Erhebung personenbezogener Daten – auch von Unbeteiligten – und  der Befragung sowie Identitätsfeststellung von Personen, über längerfristige Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen bis zum Einsatz verdeckter Ermittler und von V-Männern. „Zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist“ dürfen all diese Maßnahmen auch „in oder aus“ der Wohnung durchgeführt werden. Darüber hinaus soll das BKA nun auch selbst Rasterfahndungen durchführen, heimlich Computer durchsuchen, Telefonüberwachungen schalten sowie Verkehrs- und Nutzungsdaten der Verdächtigen auswerten dürfen.

Für die Gefahrenabwehr werden dem BKA eine Reihe repressiver Befugnisse zugestanden, wie der Platzverweis, die Ingewahrsamnahme, die Durchsuchung von Personen und Sachen, das Sicherstellen von Sachen, das Betreten und Durchsuchen von Wohnungen und Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen. Eine Vielzahl der Maßnahmen, die der Entwurf zum neuen BKAG enthält, sollen auch zulässig sein, wenn „andere Personen unvermeidbar betroffen“ werden. Die Eingriffsschwelle wurde in einigen Fällen so tief gesetzt, dass schon Vorbereitungshandlungen zur Einleitung entsprechender Ermittlungen des BKA führen können.

Zusammenstellung: Ellahe Amir-Haéri

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