Bald 12.000 Kameras im Berliner Nahverkehr (Korrektur!)
Senat kündigt erschreckenden Ausbau der Videoüberwachung bei der BVG an. Welchen Nutzen dies bringt, ist ihm egal
Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union ist schockiert über die jetzt bekannt gewordene Antwort des Berliner Senates auf eine zweite Kleine Anfrage zur Videoüberwachung im Öffentlichen Personennahverkehr (Drs. 16/13853). Die dort genannten Zahlen sind erschreckend und übertreffen die schlimmsten Befürchtungen der HU: Schon jetzt beobachtet die BVG durch 6404 Kameraaugen täglich rund um die Uhr die Fahrgäste. Wer, wann, wo, mit wem, wohin gefahren ist, ist bereits jetzt nachvollziehbar. Doch der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die die Anfrage beantwortet hat, ist dies noch nicht genug. Sie will die flächendeckende Videoüberwachung. Bis 2013 sollen in jeder U-Bahn, in jedem Bus, in jeder Tram und auf allen U-Bahnstationen mehrere Videokameras alles aufzeichnen.
Rechnet man die von der Senatsverwaltung angegebene Zahl der Kameras hoch, bedeutet dies: über 12.000 Kameras dokumentieren bald den Tagesablauf der Berliner Bürgerinnen und Bürger. Ob diese Totalüberwachung der BVG-Fahrgäste der Kriminalitätsbekämpfung nützt, ist der Senatsverwaltung dabei offenbar egal. Der Senat hält eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zur Wirkung von Videoüberwachung nicht für erforderlich. Auf die kritische Nachfrage, warum die BVG 2006 eine wissenschaftliche Untersuchung der Videoüberwachung abgebrochen hat, entzieht sich die Senatsverwaltung der Verantwortung. Dabei ist die BVG eine Anstalt öffentlichen Rechts und zu 100% im Eigentum des Landes. Die Humanistische Union hatte erwirkt, dass zumindest der Zwischenbericht der damaligen Evaluation offen gelegt wurde. Ergebnis: Keine Reduzierung der Kriminalität feststellbar.
Die HU fordert den Senat und die BVG auf, sich endlich wirklich um die Sicherheit der Fahrgäste zu kümmern. Eine Totalüberwachung befriedigt höchstens orwellsche Phantasien.
Korrektur:
In einer ersten Pressemitteilung hatten wir versehentlich von 15.000 Kameras gesprochen, die im Berliner Nahverkehr zu erwarten seien. Dies sollte keine Übertreibung sein, sondern war schlicht ein Rechenfehler unsererseits, den wir zu entschuldigen bitten. Um diese Interpolation nachvollziehbar zu gestalten, führen wir unsere Berechnungsgrundlagen näher aus. An der grundsätzlichen Kritik der flächendeckenden Videoüberwachung halten wir jedoch fest – auch 12.000 Videokameras sind nach unserer Auffassung zu viel. Wir bitten Sie um Berücksichtigung der korrigierten Angaben. (Sven Lüders)
Wie kommen wir auf die Zahl von 12.000 Kameras im ÖPNV Berlins?
In der Antwort der Senatsverwaltung auf die Kleine Anfrage des Abg. Lux (Drs. 16/13854) sind die bisherigen Kamerazahlen auf den Bahnhöfen und den verschiedenen Fahrzeugtypen der BVG angegeben (alle Angaben aus der genannten Drucksache):
Standorte / Fahrzeug | Anzahl | Gesamtzahl | davon Standorte/ | Grad der Kamera-Ausstattung |
U-Bahnhöfe | 935 |
|
| 100 % |
U-Bahnwagen | 808 | 1268 | 396 | 31 % |
Busse | 3761 | 1298 | 889 | 68 % |
Trams | 900 | 540 | 150 | 28 % |
(alle Angaben aus Drucksache 16/13854, S. 1)
In seiner Antwort auf die 5. Frage der selben Anfrage bestätigt der Berliner Senat das Ziel einer Vollausstattung aller Fahrzeuge der Berliner BVG mit Videokameras. Dort heißt es: „Deshalb befürwortet der Senat die Ausstattung aller Fahrzeuge der BVG mit Videoaufzeichnungsanlagen.“ (a.a.O., S. 2)
Ausgehend von dieser Absichtserklärung haben wir berechnet, wie viele Kameras bei einer „Vollausstattung“ aller Fahrzeuge mit Kameras und bei gleicher Kameradichte (Kameras pro Fahrzeug) wie bisher zu erwarten sind:
Standorte / Fahrzeug | bisherige Anzahl | Berechnung | erwartete Anzahl |
U-Bahnhöfe | 935 | 935 / 1,00 | 935 |
U-Bahnwagen | 808 | 808 / 0,31 | 2.606 |
Busse | 3.761 | 3.761 / 0,68 | 5.530 |
Trams | 900 | 900 / 0,28 | 3.214 |
Das ergibt eine Gesamtsumme von 12.285 Kameras.
Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:
- Anja Heinrich, Landesgeschäftsführerin Berlin-Brandenburg: Tel. 030 / 204 25 04
- Sven Lüders, Bundesgeschäftsführer der Humanistischen Union: Tel. 0152 / 0183 1627
Kleine Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux: „Videoüberwachung (II): Kameras statt Personal im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)“ Drs. 16/13854, abrufbar unter www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/ka16-13854.pdf
Weitere Informationen zum Thema finden sie auf unserer Internetseite hier.