Nach Nichtzulassung droht Assange erneut die Auslieferung
HU Bremen empört über die Entscheidung des britischen Obersten Gerichtshofs im Fall Assange
Am Montag hat der britische Supreme Court entschieden im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange keine Berufung zuzulassen. Das Gerichtsverfahren um die Auslieferung an die USA hatte Assange in erster Instanz verloren. Jetzt geht der Fall zurück an die Innenministerin Priti Patel, die den Auslieferungsbescheid ratifizieren muß. Danach kann Assange versuchen, den Entscheid durch eine gerichtliche Überprüfung anzufechten. Dabei prüft ein Gericht die Legitimität der Entscheidung einer öffentlichen Stelle.
Der investigative Journalist Julian Assange initiierte als Sprecher von WikiLeaks im März 2010 die Veröffentlichung umfangreicher geheimer Dokumente. Sie waren WikiLeaks von der Whistleblowerin Chelsea Manning zugänglich gemacht worden. Dazu gehörte auch z.B. das Video einer später als „Kollateralschaden“ bagatellisierten Tötung von zehn Zivilisten (unter ihnen 2 Reuter Journalisten) im Irak durch die Besatzung eines US-Kampfhubschraubers am 12.07.2007.
Nach der darauffolgenden Medienberichterstattung beschlossen die Justizbehörden der USA auf Antrag des Verteidigungsministeriums, Assange strafrechtlich zu verfolgen. Es dauerte jedoch bis 2019 bis die US-Justiz Assange wegen Beihilfe und Anstiftung zur Spionage durch Chelsea Manning. Zugleich wurde 2010 in Schweden gegen Assange wegen sexueller Nötigung ermittelt. Das Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt, weil es offensichtlich haltlos war.
Trotzdem war Julian Assange gezwungen, wegen der drohenden Auslieferung an die USA nach London zu flüchten. Am 19.06.2012 bot ihm die ecuadorianische Botschaft Asyl, was nach dem Regierungswechsel in Ecuador aufgehoben wurde. Seit 2019 befindet sich Assange in Haft. Sein Gesundheitszustand ist lebensbedrohlich. Zwischenzeitlich erlitt er offenbar angesichts der langen Dauer enormer Stressbelastung einen Schlaganfall. Ein UN-Sonderberichterstatter, der Schweizer Nils Melzer, stellte fest, dass der langjährige Aufenthalt im britischen Gefängnis zeitweise den Charakter von „weißer Folter“ gehabt habe.
Wie auch immer Handlungsweisen und Persönlichkeit von Assange strafrechtlich und moralisch zu bewerten sind: Chelsea Manning als „Whistleblower“ und Assange als Journalist haben der Weltgemeinschaft und der Wahrung der Menschenrechte durch die Veröffentlichung geheim gehaltener, als Staatsterrorismus einzuordnender Menschenrechtsverletzungen, einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Es geht um die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit, Handlungsfreiheit, Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit sowie um Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Insbesondere die Pressefreiheit wurde seitens der US-Justiz durch die Definition als Spionage elementar und exemplarisch beschädigt. Die mit dem Regierungswechsel in den USA verbundenen Hoffnungen für die Pressefreiheit wurden enttäuscht. Auch die Biden-Administration vollzog keine Rückbesinnung auf den demokratischen Wert der Pressefreiheit. Die besondere Form des staatlichen Angriffs auf die Person Assange und seine individuelle Freiheit und Unversehrtheit ist in ihrer Unmenschlichkeit scharf zu verurteilen. Brandgefährlich für den Bestand der Pressefreiheit als zentrales Moment demokratisch verfasster Gesellschaften ist zudem die Tatsache, einen Journalisten für die Information der Öffentlichkeit zu kriminalisieren.
Wir fordern die neue Bundesregierung erneut dringlich auf, sich gegen die Auslieferung und für die unverzügliche Freilassung von Julian Assange einzusetzen!