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Ganz einfach: ohne Gott (Tages­zei­tung junge Welt, 09.10.2012)

09. Oktober 2012

Punk, Feminismus und Kuba: Heute beginnt in Frankfurt/Main die GegenBuchMasse

Abseits des kommerziellen Eventimus der Frankfurter Buchmesse, die am Mittwoch beginnt, findet in derselben Stadt auch dieses Jahr wieder die GegenBuchMasse statt, die schon heute startet. Traditionell stellt dort eine Reihe kleiner, unabhängiger und quer zum Mainstream befindlicher Verlage mit ihrem motzigen Programm ambitionierter Aufklärung vor. Vom Linksintellektuellen über den Punk bis zum Salonrevoluzzer oder dem neugierigen Buchmessenbesucher, der über den eigenen Tellerrand hinausschauen will: Wer immer von den gesitteten Pfaden der Buchmesse abweichen und sich ins Milieu der Skeptiker, Aufklärer und Kapitalismuskritiker begeben will, ist an den linksalternativen Orten der GegenBuchMasse willkommen. Beispielsweise im Club Voltaire, wo die Revolte 1967/68 ihre Demos vorbereitete, im »Faites votre jeu!«, einem von jungen Antifas besetzter Exknast, mitten in der Stadt, oder im Bockenheimer Selbstverwaltungszentrum Café ExZess.

Im letzteren kann man heute etwas über den »organisierten Antifeminismus im deutschsprachigen Raum« zu erfahren. Der Soziologe Andreas Kemper stellt den im Unrast-Verlag erschienenen Sammelband »Die Maskulisten« vor. Und am Donnerstag präsentiert die Edition AV im Café des Vereins allerziehender Mütter und Väter ein Buch über die sozialistische Frühfeministin Flora Tristan (1803–1844) von Sulmaith Sparre, das den Titel »Hier bin ich die Wegweiserin« trägt. Am selben Abend liest im Club Voltaire der Atheist Peter Henkel aus seinem Buch »Irrtum unser. Oder wie Glaube verstockt macht«. Dabei sei eigentlich »die Sache ganz einfach: So etwas wie Gott existiert nicht«.

Auffällig ist, daß der Widerstand gegen die Finanzindustrie kein Thema ist, obgleich Blockupy die Mainmetropole vom 19. bis 21. Oktober wieder mit entsprechenden Debatten und Aktionen beleben möchte. Warum bloß? »Wir lassen uns nicht von Bewegungen direkt inspirieren«, sagt Peter Menne, aktiv in der Programmgruppe des Club Voltaire und in der Humanistischen Union, »natürlich geben wir ihnen gern einen Input, aber es muß dann auch ein wirklich bemerkenswertes Buch zum Thema sein«. Tatssächlich ist das Publikum der GegenBuchMasse sehr heterogen. In den Club Voltaire kommt laut Menne das typisch linke Klientel, »weil es dort immer Spannendes zu hören gibt«, aber auch ganz normale Buchmessenbesucher, die genug haben von den Diskussionenn über das neueste Werk von Joanne K. Rowling. Tja, irgendwie kann man über die Besucher der GegenBuchMasse sagen, daß ihnen Sozialismus, Kommunismus oder Anarchismus wichtiger sind. Daß kann man vermutlich auch von den Lesern dieser Zeitung annehmen. Ihre Ansprüche an die kubanische Revolution können sie am Freitag im Club Voltaire diskutieren, wenn Heinz Langer sein Buch »Mit Bedacht, aber ohne Pause«, erschienen im Verlag Wiljo Heinen, vorstellt. Langer war früher Botschafter der DDR in Kuba.

Am Samstag wird wie jedes Jahr im Café Exzess die lange Lesenacht stiegen. Ein leckeres Buffet zum Selbstkostenpreis steht bereit. Essen und zuhören. Die Edition AV wird »Guttentag« vorstellen, Stefan Gurtner und Sabine Jorkowski werden aus der Biographie des jüdischen Verlegers Werner Guttentag lesen, der 1939 vor den Nazis nach Bolivien flüchtete und dort später den NS-Verbrecher Klaus Barbie traf und hineingezogen wird in die Kämpfe des Che Guevara. Der Avant Verlag präsentiert unter dem Titel »B. Traven« Wolf-Dietrich Schramms Porträt des berühmten anarchistischen Abenteuerschriftstellers, hinter dem sich ein weiteres Pseudonym verbarg: Ret Marut, hinter dem manche wiederum Otto Feige vermuten. Um »Befreiung und soziale Emanzipation« geht es auch ganz grundsätzlich in Roman Danyluks, ebenfalls bei der Edition AV erschienener Analyse der »antiautoritären prolatirischen Geschichte«. Während die Autorin Ute Wiener ihre Lebenserinnerungen unter dem Motto »Zum Glück gab es Punk« vorstellt. Der Verlag heißt übrigens Region und Geschichte. Und bei der Bei der Lesung von Dominique Manottis Politthriller »Die ehrenwerte Gesellschaft« (Verlag Assoziation A) geht es um das Machtgeflecht von Politik, Geheimdiensten und die französische Atomindustrie.

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