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Skandalöser Fluggast-­Da­ten­transfer an US-Si­cher­heits­be­hörden bedeutet offenen Rechtsbruch und Missachtung des Europä­i­schen Parlaments

15. Juni 2004

Humanistische Union und Int. Liga für Menschenrechte kritisieren Umgang von EU-Kommission und Rat mit sensiblen Daten von EU-Bürgern und fordern umgehende Einstellung des rechtswidrigen Datentransfers

Gemeinsame Presseerklärung von Humanistischer Union (HU) und Internationaler Liga für Menschenrechte

Im Vorfeld der Sitzung des Rechtsausschusses des europäischen Parlamentes am 16. Juni 2004 zur Frage der Weitergabe von Fluggastdaten an die USA fordern BürgerrechtlerInnen die EU-Parlamentarier auf, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um sich ihrer eigenen Entmachtung ent-gegenzustellen. Rat und Kommission hatten in einer Entscheidung vom 17. Mai die pauschale Weitergabe von Fluggastdaten der EU-Bürger an US-Sicherheitsbehörden beschlossen. Sie setz-ten sich damit über das negative Votum und den massiven Protest des EU-Parlamentes hinweg. Die systematische Weitergabe von teilweise hochsensiblen Daten – wie Reiseverlauf, Hotelbu-chungen, Kreditkarten, Telefonnummern oder Essgewohnheiten – verstößt aus Sicht der Bürger-rechtsorganisationen Humanistische Union und Internationale Liga für Menschenrechte eindeutig gegen europäische und nationale Datenschutz-Bestimmungen.

Sie fordern deshalb das Europäische Parlament auf, schon um seiner eigenen Glaubwürdigkeit willen gegen das in jeder Hinsicht rechtswidrige Abkommen Einspruch zu erheben und in jedem Falle auch vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Da dieses Abkommen bereits in Kraft gesetzt wurde und der Datentransfer längst stattfindet, ist höchste Eile geboten. Der Pressesprecher der Humanistischen Union, Nils Leopold, betont die Bindung europäischer Institutionen an europäische Menschenrechtsstandards: „Der pauschale Zugriff von US-Behörden auf die Datenbänke europäischer Fluggesellschaften ist ein handfester Skandal. Weder die Mitgliedstaaten noch die EU selbst sind offenbar bereit, ihrer Schutzpflicht gegenüber den Menschenrechten ihrer eigenen Bürger nachzukommen. Die Bürger haben Anspruch auf angemessenen Schutz ihrer Daten. Das Abkommen unterläuft jedoch in mehreren Punkten zentrale europäische Rechtsprinzipien. Das ist der exemplarische Ausverkauf des europäischen Rechtsstaates und offener Rechtsbruch.“ Die bislang in Datenschutzfragen vergleichsweise engagierte EU verdiene das in sie gesetzte Vertrauen nicht, wenn es ihr nicht einmal gelingt, europäische Schutz- und Menschenrechtsstandards gegenüber Drittstaaten, hier den USA, zu bewahren.

Der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Dr. Rolf Gössner, weist auf die besonderen Risiken hin, die mit diesem skandalösen Datentransfer verbunden sind: „Fluggäste aus EU-Staaten in die USA werden damit praktisch zu gläsernen Passagieren. Sie müssen damit rechnen, dass sie zu Opfern rigider Anti-Terror-Maßnahmen werden und sich wie Verbrecher behandeln lassen müssen.“ Die Übermittlung sensibler Daten an US-Sicherheitsorgane könne letztlich zu peinlichen Verhören und erkennungsdienstlicher Behandlung, zu willkürlichen Fest-nahmen und Inhaftierungen und schließlich zu Ausweisungen auch vollkommen unschuldiger Personen führen – ohne Begründung und ohne die Möglichkeit, einen Anwalt oder die deutsche Botschaft einzuschalten. Beispiele hierfür gebe es leider schon genug.

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