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Terror­be­kämp­fung durch Überwa­chungs­staat?

22. Oktober 2001

Erklärung des HU-Bundesvorsitzenden Dr. Till Müller-Heidelberg

Die terroristischen Anschläge am 11. September auf das World Trade Center und das Pentagon sind weitgehend als Anschlag auf die Freie Welt verstanden worden. Natürlich muß der Terrorismus bekämpft werden – kann dies aber durch Abschaffung der Freiheitlichkeit, die doch gerade verteidigt werden muß, geschehen? Ist nicht der Ausbau der Bürger- und Menschenrechte der beste Angriff gegen den Terrorismus, weil er diesem die Grundlagen entzieht?

Die Flugzeuge in den USA konnten gekapert werden, weil es Terroristen gelang, mit Teppichmessern als Waffen an Bord zu kommen. Wie Monitor am 18. Oktober zeigte, gelang es Reportern noch fünf Wochen nach dem Terroranschlag völlig problemlos, mit diesen Angriffswaffen in ihrem Handgepäck die Sicherheitsschleusen an den deutschen Großflughäfen Köln, Düsseldorf, Berlin und Frankfurt zu passieren und das Flugzeug zu besteigen! Straftäter halten sich bekanntlich nicht an Gesetze. Man bekämpft sie nicht mit neuen Gesetzen, sondern mit konkreten Maßnahmen, also Fluggastkontrollen.

Statt dessen wird eine Rasterfahndung durchgeführt – doch nach welchem Raster? Die Terroristen waren Araber, Moslems, Studenten und lebten gesetzestreu und unauffällig. Dies sind die Rastermerkmale. Das entscheidende Kriterium ist das gesetzestreue und unauffällige Leben. Dürfen wir dies als Raster hinnehmen? Betrifft uns dieses Raster nicht alle? Und die RAF-Terroristen waren bekanntlich Deutsche und Christen. Folglich sind auch die Rastermerkmale Araber und Moslem untauglich und unzulässig, es sei denn, wir wollten alle Ausländer (und warum nicht Deutsche) unter Generalverdacht stellen.

Der Fingerabdruck auf dem Personalausweis und Paß wird gefordert. Dies soll der Identitätsfeststellung dienen. Die Terroristen haben ihre Identität nicht verschleiert und außerdem hatten sie keine deutschen Personalausweise und Pässe. Wenn diese „Konsequenz“ also vom Bundesinnenminister gefordert wird, dann für ganz andere Zwecke: Es soll endlich ein Bundeszentralregister mit der Erfassung der Fingerabdrücke aller Deutschen erstellt werden, um so ein Personalkennzeichen zu gewinnen – welches vom Verfassungsgericht aus Gründen des freiheitlichen Rechtsstaats bereits für verfassungswidrig erklärt worden ist.

Polizei und die Geheimdienste Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst sollen zusammenarbeiten. Nur: Sie alle hatten keinerlei Erkenntnisse über die bevorstehenden Terroranschläge, was soll also ihre Zusammenarbeit nützen? (Auch der amerikanische Geheimdienst CIA wußte übrigens nichts.) Wir haben aus gutem Grund das Verfassungsgebot der Trennung von Polizei und Geheimdiensten; wohin die Aufhebung dieses Trennungsgebotes führt, haben die GESTAPO und die STASI gezeigt! Zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger hat dies jedenfalls nicht geführt.

Und schließlich soll auch die Kronzeugenregelung wieder eingeführt werden. Was heißt dies tatsächlich? Der Rechtsstaat soll mit dem Verbrecher paktieren, mit ihm einen Deal abschließen. Um nichts anderes geht es. Können wir das wirklich wollen? Die früher bestehende Kronzeugenregelung hat keine einzige Straftat verhindert, aber zu zahlreichen Strafverfahren wegen Falschaussagen der Kronzeugen (die dadurch ihren Kopf aus der Schlinge ziehen wollten) geführt.

So kann man das ganze gegenwärtig diskutierte Sicherheitspaket durchgehen: Für die Beseitigung der Wurzeln des Terrorismus oder für die Verhinderung von terroristischen Straftaten sind die Vorschläge alle ungeeignet. Für diese Sicherheitspolitiker gilt wie schon so oft: „Wir tun so, als ob wir etwas täten“. Wir brauchen keine neuen Gesetze, sondern konkrete Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen. Und wenn wir unsere freiheitliche Gesellschafts- und Rechtsordnung nicht aufgeben wollen, dann müssen wir damit leben, daß es absolute Sicherheit nicht gibt. Schon die Sicherheitsgesetze der letzten 15 Jahre haben nicht mehr Sicherheit gebracht. Statt Freiheit und Rechtsstaat abzubauen, müssen wir sie verteidigen. Wir sind nicht alle potentielle Straftäter.

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