Beitragsbild Unsere Wahlprüfsteine Quelle: Wikimedia Commons / Alexander Hauk / www.alexander-hauk.de
Pressemeldungen / Armut

Unsere Wahlprüf­steine

16. Januar 2025

Die Humanistische Union (HU) hat zur Bundestagswahl 2025 Wahlprüfsteine verschickt. Wahlprüfsteine sind Fragen von Vereinen und Verbänden an die für die Wahl kandidierenden Parteien, um mit den Antworten den Wählerinnen und Wählern einen Überblick über bestimmte für den Verein relevante Positionen der Parteien zu geben.

Wir haben dazu eine Reihe von Fragen gestellt, die im Sinne der HU eine große Vielzahl an Politikfeldern und bürgerrechtlichen Fragen darstellt. Daran haben zahlreiche Bundesvorstands- und Vereinsmitglieder mitgewirkt. Wir haben unsere Wahlprüfsteine an folgende Parteien geschickt: CDU, CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP, BSW, AfD, Volt, die Piratenpartei, die PARTEI, SSW und Freie Wähler.

Wie Netzpolitik.org berichtete, haben sich CDU, CSU, SPD, Grüne, Linke und FDP vorab bereits auf 30 Organisationen und Verbände geeinigt, deren Wahlprüfsteine sie beantworten werden. Alle anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen erhalten keine Antworten. Auch die Humanistische Union hat entsprechende Absagen für ihre Wahlprüfsteine erhalten.

Es ist verständlich, dass diese Parteien in Anbetracht der baldigen Bundestagswahl am 23. Februar 2025, des Zeitmangels und der Fülle an Wahlprüfsteinen nicht alle Anfragen beantworten können. Dennoch halten wir die vorab vorgenommene Filterung aus mehreren Gründen für problematisch.

Erstens erfreuen sich Wahlprüfsteine einer großen Beliebtheit, um die Wahlentscheidung zu erleichtern. Im Wahlkampf sind sie ein inzwischen anerkanntes und verbreitetes Instrument, um eine inhaltliche Auseinandersetzung von Parteien mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu ermöglichen. Nun dermaßen restriktiv vorzugehen, verringert die Möglichkeit der Zivilgesellschaft, Rechenschaft von den Parteien zu erhalten. Organisationen wie der HU wird damit klargemacht, dass man sich mit ihnen nicht auseinandersetzen will. Unsere Stimmen am Wahltag nehmen sie aber gerne entgegen!

Zweitens ist es Klüngelei, wenn sich die genannten Parteien vorab auf bestimmte Nichtregierungsorganisationen einigen. Damit bestimmen sie korporatistisch, welche NGOs im Wahlkampf als politisch relevant wahrgenommen werden. Diese Parteien verschließen sich schon vorab der Option, relevante politische Fragen anderer Organisationen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich können Parteien Bitten um Beantwortung von Wahlprüfsteinen ignorieren oder verweigern. Dass aber vorab schon gefiltert wurde – zu einem Zeitpunkt also, bei dem man noch gar nicht absehen konnte, welche Organisationen welche Wahlprüfsteine von welcher Relevanz für welche Partei stellen würden, hat einen negativen und sehr elitären Beigeschmack.

Drittens kann man, wie es Netzpolitik.org getan hat, die Auswahl der Vereine und Verbände kritisieren. Die Auswahl der 30 Vereine und Verbände solle die gesamte Breite des gesellschaftlichen Spektrums repräsentieren, erhielt die HU von einer Partei als Antwort. Jedoch finden sich in der von Netzpolitik.org veröffentlichten Liste der zugelassenen Organisationen überdurchschnittlich viele Wirtschafts- und Berufsverbände. Bürger- und grundrechtliche Vereine sind, bis auf wenige Ausnahmen, nicht zu finden. Zudem fehlen in der Liste Organisationen, die sich dezidiert mit Digitalpolitik (und digitalen Bürgerrechten) befassen. Solche Fragen hat die HU übrigens in den Wahlprüfsteinen. Die erhoffte abzudeckende Breite an Politikfeldern in den zugelassenen Wahlprüfsteinen dürfte so jedenfalls nicht erreicht werden. Gerade die HU hat aber mit ihren Wahlprüfsteinen versucht, eine solche Breite zu ermöglichen.

Wir halten einen solchen Vorab-Filter somit für diskurseinschränkend sowie elitär und meinen, dass die als relevant definierten Politikfelder so durch die Parteien und nicht die Organisationen und Verbände festgelegt werden. Letzteres ist eine Verkehrung des Zwecks von Wahlprüfsteinen. Um den Lesenden doch eine Beantwortung einiger Wahlprüfsteinfragen zu ermöglichen, behält die Humanistische Union es sich vor, einige Fragen anhand der Wahlprogramme zu beantworten – zumindest dort, wo die Programme eine Antwort ermöglichen.

Hier nun unsere Wahlprüfsteine, angeordnet nach Politikfeldern:

Bildungspolitik

  • Ein erheblicher Teil der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention obliegt durch die Inklusion im Bereich der Schulen den Ländern. Zur gleichberechtigten Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen am Schulleben bedarf es umfangreicher personeller und sachlicher Ausstattungen, um die Unterbringung von Schüler*innen mit Behinderungen in den Schulen zu realisieren. Existieren von Ihrer Seite Planungen zur Realisierung dieses Unterstützungsbedarfs?
  • Welche Maßnahmen sind von Ihrer Seite geplant, um die Kommunen und Bundesländer als Schulträger seitens des Bundes zu entlasten?

Bioethik

  • Welche Maßnahmen planen Sie zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs?
  • Wie stehen Sie zu der Frage nach einem regulären Zugang zu einem Tötungsmedikament beim assistierten Suizid?

Demokratisierung

  • Wie stehen Sie zu Bürgerräten und Volksentscheiden auf Bundesebene? Was spricht aus Ihrer Sicht für und gegen Volksentscheide und Bürgerräte, um ein höheres Maß an politischer Mitbestimmung zu ermöglichen? Was halten Sie in diesem Rahmen von einer Befassungspflicht des Bundestags mit den Ergebnissen von Bürgerräten?
  • Wie stehen Sie zu einer Beschränkung von Amtszeiten für Bundestagsabgeordnete, Bundesminister*innen und Bundeskanzler*in?
  • Wie wollen Sie die parlamentarische Arbeit des Bundestags und seiner Abgeordneten transparenter gestalten?
  • Wie stehen Sie zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Säule der Demokratie mit Hörfunk, Fernsehen und Online-Angeboten?

Digitalisierung

  • Sollte es weiterhin (kurzfristig/langfristig) Möglichkeiten geben, öffentliche Dienstleistungen ohne digitale Hilfsmittel zu nutzen? Welche (gesetzgeberischen) Maßnahmen halten Sie dazu für zweckmäßig?
  • Befürworten Sie den Ausbau von Technologien der Künstlichen Intelligenz (für öffentliche Dienstleistungen/für die innere Sicherheit/für das Militär)? Welche Initiativen planen Sie dafür?
  • Wie stehen Sie zur Ausweitung der Nutzung von KI bei der Auswertung personenbezogener Daten zur polizeilichen Gefahrenabwehr?
  • Befürworten Sie einen weiteren Ausbau der Überwachung des öffentlichen Raums/des Internet? Welche Initiativen planen Sie dafür?
  • Befürworten Sie eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten/Inhaltsdaten in der Telekommunikation?

Frieden

  • Befürworten Sie es, Schritte zur Beendigung der Aussetzung der Wehrpflicht vorzunehmen? Wenn ja, welche Schritte in diese Richtung würden Sie planen?
  • Befürworten Sie eine weitere Steigerung der Rüstungsausgaben? Wieviel Prozent des BIP streben Sie an?
  • Befürworten Sie Waffenlieferungen in Kriegsgebiete? In welchen Fällen wäre das aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
  • Befürworten Sie eine stärkere militärische Rolle Deutschlands in Europa/in der Welt? Wie sollte eine solche Rolle ausgestaltet sein?

Inklusion

  • Welche politischen Maßnahmen planen Sie zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben?
  • Welche konkreten Schritte planen Sie, um dem erkannten Phänomen der zunehmenden Einsamkeit in der Gesellschaft zu begegnen? Wo sehen Sie Chancen, die aktive Teilhabe und das gesellschaftliche und demokratische Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, digital und analog, zu unterstützen?

Klima

  • Welches sind Ihre wichtigsten Maßnahmen zur Begrenzung der Klimaerwärmung?
  • Wie priorisieren Sie Ausgaben für den Klimaschutz gegenüber konkurrierenden Ausgaben, z.B. zur Wirtschaftsförderung oder für die Rüstung?
  • Bis wann soll durch Ihre Politik Klimaneutralität für die einzelnen Handlungsfelder erreicht sein? Wie wollen Sie dies bewerkstelligen?

Kriminalpolitik

  • Wie stehen Sie zur konsequenten Fortsetzung der von der letzten Regierung begonnenen Entkriminalisierung im Drogenbereich?
  • Wie stehen Sie zur Forderung nach der überfälligen Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe?
  • Wie stehen Sie zur konsequenten Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs durch Abschaffung des § 218 StGB?

Polizei- und Versammlungsrecht

  • Wie stehen Sie zum biometrischen Abgleich von Bildaufnahmen von Menschen mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet (Sicherheitspaket § 10b BKAG-GE)?
  • Wie stehen Sie zur automatisierten Datenauswertung (Data Mining) durch die Polizei?
  • Wie stehen Sie zur Zurückweisung von Geflüchteten an den deutschen Grenzen?
  • Wie stehen Sie zur Verwendung sensibler Daten (besondere Kategorien personenbezogener Daten) durch die Polizei im Polizei- und Versammlungsrecht?
  • Wie stehen Sie zu Beschränkungen der Versammlungsfreiheit im Kontext von Protesten gegen die israelische Politik?

Seniorenpolitik

  • Unterstützen Sie/ Ihre Partei die aktuellen Bestrebungen, Artikel 3 GG um den Bereich „Lebensalter“ zu erweitern?
  • Welche bundespolitischen Initiativen sehen Sie für eine Optimierung der Altenhilfe (§ 71 SGB XII) durch die Ausführungsgesetze der Länder (Altenhilfe-Strukturgesetze)?
  • Welche Maßnahmen streben Sie an, um eine weitestgehende Barrierefreiheit für Menschen zu sichern, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind (z.B. Verkehrsmittel, Einkaufen, Besuch von Arztpraxen) und wie könnte alternsgerechtes Wohnen unterstützt werden?

Staat und Kirche

  • Wird Ihre Partei sich für die Beseitigung des kirchlichen Sonderarbeitsrechts einsetzen, soweit es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diskriminiert, z. B. wegen ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer sexuellen Orientierung?
  • Wird Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass den Gewerkschaften gegenüber kirchlichen Arbeitgebern das Recht, Tarifverträge abzuschließen, garantiert wird?
  • Wird Ihre Partei sich für das Streikrecht gegenüber kirchlichen Arbeitgebern einsetzen?
  • Wird Ihre Partei sich für einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen einsetzen?
  • Wird Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass endlich der Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen verwirklicht wird?

Verfassungsschutz

  • Welche Bedeutung und welche Zukunft sehen Sie für den Verfassungsschutz in der heutigen Form als Institution?
  • Wie stehen Sie zur konsequenten Trennung der Befugnisse zwischen Polizei und Verfassungsschutz / Geheimdiensten?
  • Welche Konsequenzen dürfen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes haben? Welche Position vertreten Sie zu Berufsverboten aus politischen Gründen?

Philip Dingeldey

nach oben