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„Wir kotzen gleich!“ - Feine Sahne Verfas­sungs­schutz

Grundrechte-Report 2014, Seite 67

Zugegeben, man hätte es auch etwas feinsinniger ausdrücken können: „Stolz auf Deutschland? Stolz auf eine Nation? Stolz auf irgendein beschissenes Konstrukt? Wir kotzen gleich! Aussagen, die sich positiv auf eine Nation beziehen, sind immer negativ! Dieses allzu beliebte „Wir-Gefühl“ benötigt zugleich auch immer ein Feindbild. Nationalismus und Rassismus gehören zusammen (…) Deutschland? Nie wieder!“ Starke Worte, mit denen Sänger Monchi der Punkband Feine Sahne Fischfilet aus Vorpommern den politischen Standpunkt der Band erklärt. Aber vordergründige Stilfragen waren es wohl nicht, welche der Band einen Eintrag im Verfassungsschutzbericht 2012 von Mecklenburg-Vorpommern unter der Rubrik „Linksextremismus“ einbrachten.

Punkrocker lösen staatliche Strukturen auf

Hätten Sie erkannt, dass sich an dem Zitat beweisen lassen könnte, dass die Bandmitglieder den Staat auflösen wollen? Vielleicht überzeugt Sie ja die weitere Beweisführung der Schlapphüte aus Schwerin. Der Verfassungsschutz zitiert ein Bandmitglied mit dem Bekenntnis „Antifaschismus ist für uns keine hohle Phrase…“ und findet Veranstaltungen der Band, die sich in einen antifaschistischem Aktionstag mit Vorträgen zum Thema Rechtsextremismus einbetten. Das sollte zusammengenommen wohl ausreichen, um einen extremistischen Umsturzplan zu belegen. Dass es dabei nicht ohne Gewalt abgehen soll, soll das Posting einer (unbrauchbaren) Bastelanleitung für einen Molotov-Cocktail auf der Website der Band belegen. Es sei im Jahr 2011 auch schon Geld für „Antifas, die Stress mit den Bullen haben und deswegen Moneten rüber wachsen lassen müssen“ – im Jargon des Verfassungsschutzberichts: „Linksextremisten“ – gesammelt worden. Aus einem antinationalen Standpunkt von Monchi und seinen Bandkollegen wurde für den Verfassungsschutz ein Angriff auf den Rechtsstaat per se, aus den für die Punkszene typischen Verbalradikalismen der Aufruf zu Gewalttaten und aus plakativ zur Schau getragener Abneigung gegen Nazis und Polizei wurde „Linksextremismus“.

Feine Sahne Fischfilet waren ein gefundenes Fressen für den Verfassungsschutz geworden. Das muss nicht wundern: Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, den der Verfassungsschutz betreiben soll, versteht sich vor allem anderen als Staatsschutz und „Extremismusbekämpfung“. Im Dienste dieser Sache lasen die wachsamen amtlichen Leserinnen und Leser aus der Ablehnung der Nation und jedes Nationalismus den Angriff auf den Staat heraus. Auf mehr als einer Seite beklagt so der Verfassungsschutzbericht 2012 für Mecklenburg-Vorpommern „linksextremistische“ Umtriebe im Kunstschaffen der Punkrocker. Zum Vergleich: die rechtsextremistische Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund, über deren Mordanschlag in Mecklenburg-Vorpommern es auch zu berichten galt, nimmt im Verfassungsschutzbericht 2012 weniger Raum ein.

Kritik an der Polizei – Kritik an der Verfassung?

Kleine Ursache, große Wirkung: Die Band verlor etliche Auftrittsmöglichkeiten und sah sich in der Öffentlichkeit zu Unrecht durch den Verfassungsschutz stigmatisiert. Sie lies das nicht auf sich sitzen und verklagte die Landesregierung. Zunächst, wie es schien, mit Erfolg: Der Verfassungsschutz nahm einstweilen die Passage über Feine Sahne Fischfilet im Verfassungsschutzbericht aus dem Netz. Doch die Stimme der Vernunft wart nicht lange gehört: Das Verwaltungsgericht in Schwerin meinte, dass die Nachteile der Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht schon kein einstweiliges Einschreiten der Justiz rechtfertigen könnten, und ließ die Band ohne Rechtsschutz im publizistischen sauren Regen stehen. Der Verfassungsschutz reagierte und stellte die fragliche Textpassage wieder ins Netz. Gegen die Beschwerde, welche die Band an das Oberverwaltungsgericht Greifswald richtete, verteidigte sich der Verfassungsschutz durch Einschaltung einer Großkanzlei, deren US-amerikanisches Mutterhaus auch schon Scientology vertreten hat. Mit Erfolg, denn das Oberverwaltungsgericht Greifswald wies die Beschwerde ab und schlug sich auf die Seite der Verfassungsschutzbehörde. Es erkannte ebenfalls ein ambivalentes Verhältnis der Band zur Anwendung von Gewalt, weil ein Bandmitglied Naziaufmärsche lieber direkt blockieren wollte, als irgendwo einen wirkungslosen Lampionumzug gegen Rechts zu veranstalten. Auch wer, wie Feine Sahne Fischfilet, Polizeieinsätze zum Schutz von Naziversammlungen nicht als Erfüllung einer verfassungsmäßigen polizeilichen Verpflichtung, sondern als staatliche Unterstützung von Rechtsextremen ansehe, überschreite die von der Verfassung gedeckte Kritik an der Verfassung als solcher. Wenn „linksextreme“ Demonstranten als Opfer von Polizeigewalt dargestellt würden, läge darin eine einseitige Parteinahme und solle die Gewaltanwendung des Staates nach Meinung der Band die Anwendung von Gegengewalt rechtfertigen.

Harte Lektionen

Die Lektionen, die das Oberverwaltungsgericht damit erteilt, sind so staatstragend wie hart für die Meinungsfreiheit: Wer sich nicht ausdrücklich von Gewalt distanziert und die Anwendung staatlicher Gewalt kritisiert, steht einem Gewalttäter gleich. Und wer sich gegen Nation und Nationalismus wendet, bekämpft aktiv den Rechtsstaat. So wird aus einer Handvoll Songtexten und provokativen Sprüchen ein frontaler Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung, derer sich die wehrhafte Demokratie nur noch mittels des Verfassungsschutzes erwehren kann. Dabei gibt es in den Texten der Band kaum ein über die Gegnerschaft zu Nazis hinausreichendes politisches Programm. Mehr Erfahrung und Augenmaß bei der Interpretation der Punk-Lyrik legte – wer hätte es erwartet? – die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften an den Tag. Nicht, dass aus grundrechtlicher Sicht eine Befassung der Prüfstelle mit kritischer Lyrik unbedingt zu wünschen wäre, aber sie fand statt. Der wohl gewünschte Erfolg einer Zensur der Band durch die Prüfstelle blieb aus: In einer Gesamtschau fanden die Prüfer zwar für Jugendliche unangemessen erscheinende Textpassagen, klischeehafte und szenetypische Ausdrucksweisen, nicht jedoch ein insgesamt jugendgefährdendes inhaltliches Programm. Davon hätte der Verfassungsschutz lernen können, denn immerhin ist von Verfassungs wegen eine Meinungsäußerung in ihrem Gesamtkontext zu untersuchen und zu verstehen, wenn der Staat schon meint, sich damit befassen zu dürfen. Dabei hätten auch die öffentlichen Bekundungen von Bandmitgliedern, dass es ihnen vor allem um den engagierten Kampf gegen Rechts gehe und sie außerdem ihre schlechten Erfahrungen mit Polizei und Staatsgewalt verarbeiten, behilflich sein können. Aber das wäre wohl zu subtil gewesen.

So ist der Verfassungsschutzbericht 2012 für Mecklenburg-Vorpommern vor allem ein Lehrstück dafür, wie man Machtmissbrauch mit Worten betreiben kann. Die Sache liegt jetzt dem Bundesverfassungsgericht vor. Bis dahin machen Feine Sahne Fischfilet weiter, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie nehmen die Sache inzwischen wohl eher sportlich. Tonträger und Konzertkarten der Band sollen sich jedenfalls inzwischen wieder gut verkaufen.

Literatur

Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern, Verfassungsschutzbericht 2012

„Die Staatsfeinde“, Spiegel online vom 5. November 2012

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 6. Juni 2013, Az.: 2 M 110/13

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