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Grund­satz­ur­teil für eine Wende in der Sicher­heits­de­batte nutzen!

Mitteilungen18506/2004Seite 5

Mitteilungen Nr. 185, S.5

Seit fast 15 Jahren kämpft die HU schon gegen die Legalisierung des großen Lauschangriffs. Darunter wird das Abhören von Wohnungen mit Hilfe von technischem Gerät (Wanzen, Richtmikrophone etc.) verstanden. Erste Vorstöße des Bundes, Lauschangriffe zu Strafverfolgungszwecken einzuführen, erfolgten Anfang der 90er Jahre. Schließlich kam es 1998 zu der aus Sicht fast aller politischen Parteien erforderlichen Grundgesetzänderung von Artikel 13 und es wurde eine gesetzliche Befugnisnorm in die Strafprozessordnung eingebracht. Aus Sicht vieler Bürger war dies der traurige Höhepunkt auf dem Weg zu einem – im Grunde bereits in den 70er Jahren – eingeleiteten Umbau der Bundesrepublik zu einem die Grundrechte gefährdenden Sicherheits- und Präventionsstaat. Am 3. März diesen Jahres, also fast sechs Jahre nach seiner Anrufung, hat das Bundesverfassungsgericht die damals gegen das Gesetz erhobenen Klagen entschieden. Das Urteil hat nun eine erste eingehendere Analyse erfahren. Auf einer HU-Fachtagung vom 14. Juni diskutierten Fachleute und HU-Mitglieder die möglichen Konsequenzen der umfangreichen Entscheidung. Unter der Federführung von Dr. Fredrik Roggan, und in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung, kamen u.a. die HU-Beiräte Prof. Denninger, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Dr. Burkhard Hirsch, sowie Prof. Edda Weßlau und Dr. Johann Bizer zusammen und referierten die aus Sicht ihrer jeweiligen juristischen Fachrichtung möglichen Konsequenzen. Einig war man sich darin, dass dem Urteil mindestens in zwei Punkten ganz außerordentliche Bedeutung beizumessen ist: Zum einen benennt es, erstmalig in der Geschichte des Gerichts, einen konkreten Bereich grundrechtlicher Freiheit, der keiner weiteren Abwägung gegen sonstige Interessen des Staates zugänglich sei …(Fortsetzung S,6)

(„Kernbereich des Privatlebens“). Zum anderen abstrahiert die Entscheidung vom zugrundeliegenden Fall des Abhörens von Wohnungen (nicht ortsgebunden!) und schützt ganz allgemein Gesprächsinhalte. Beide Punkte veranlassten die Referenten, weitreichende, mit der Entscheidung nunmehr zwingend notwendig gewordene Veränderungen des geltenden Rechts zu fordern. So sind aus Sicht von Dr. Roggan die Landesgesetzgeber aufgefordert, sowohl ihre Polizeigesetze als auch die Landesverfassungsschutzgesetze an die Vorgaben des höchsten deutschen Gerichts anzupassen. Und auch für die Telekommunikationsüberwachung gilt es, so Dr. Bizer vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, entsprechende Vorkehrungen zum Schutz etwa von Telefongesprächen zu treffen, die dem Kernbereich des Privatlebens zuzuordnen sind (zum Beispiel persönliche Gespräche zwischen Eheleuten).

Die Beiträge der Referenten werden voraussichtlich bereits im Herbst im Berliner Wissenschaftsverlag veröffentlicht werden. Der Band wird dem kürzlich verstorbenen langjährigen Beiratsmitglied Prof. Hans Lisken gewidmet sein.

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