Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 215/216

Lübeck: Demon­s­tra­ti­ons­be­ob­ach­tung, die Vierte

Mitteilungen215/21606/2012Seite 41

Mitteilungen Nr. 215/216 (Heft 1/2012), S. 41f.

Die Humanistische Union Lübeckt hat bereits zum vierten Mal eine Demonstrationsbeobachtung anlässlich des jährlichen „Trauermarsches“ der NPD in Lübeck organisiert. In diesem Jahr beteiligten sich insgesamt 15 Demonstrationsbeobachter/innen (darunter Rechtsanwälte und Mitglieder des Bundes- und Landtages) an der Beobachtung am 31. März.

Nach den Diskussionen in den Vorjahren konnten die Landes- und Bundestagsabgeordneten diesmal ungehindert ihrer gesetzlichen Aufgabe, der Kontrolle der Exekutive, nachkommen. Alle anderen Beobachter/innen wurden in Lübeck an den Polizeiabsperrungen zurückgewiesen. An den zentralen Punkten gelang es aber dennoch, die Ereignisse zu verfolgen und eine unabhängige Einschätzung abzugeben.

Die Beobachter/innen stellten einen weitgehend störungsfreien Ablauf von Kundgebung und Gegendemonstration fest und attestierten der Polizei gegenüber dem Vorjahr ein deeskalierendes Verhalten, das zu einer merklichen Entspannung beitrug. So kamen verstärkt die Kommunikations-Teams der Polizei zum Einsatz und auch die Bewegungsfreiheit von Anwohnern und Anwohnerinnen des betroffenen Stadtteils St. Lorenz war gegenüber den Vorjahren deutlich reduziert.

Kritisch bewertete die HU Lübeck die Berichterstattung durch Polizeibeamte im Offenen Kanal (OK) Lübeck, die den Tag als „Privatanmelder“ maßgeblich aus Sicht der Polizei schilderten. Diese Vorgehensweise führte zu einem Absetzen der ursprünglich geplanten traditionellen Berichterstattung der „Freien Radioinitiative Schleswig-Holstein“, die in diesem Zusammenhang von einer Verletzung des „Gebotes der Staatsferne des Rundfunks“ sprach. Zusätzlich wurde der OK an diesem Tag durch einen privaten Sicherheitsdienst gesichert und Besucher der ein Gegenprogramm sendenden Redaktion des „Zeckenfunks“ mussten vor Betreten des OK ihre Personalien angeben. Die Rundfunkfreiheit wurde damit aus Sicht der HU unzulässig eingeschränkt. In der polizeilichen Berichterstattung wurden wiederholt Beamte im Dienst interviewt. Hier stellt sich die Frage, inwiefern zukünftig die Durchführung entsprechender Interviews durch unabhängige Journalisten sichergestellt werden kann, um dem Gebot der Gleichbehandlung von Berichterstattern Genüge zu tun.

Daneben stellten die Beobachter/innen das bei vielen Demonstrationen übliche, nicht anlassbezogene Filmen und Fotografieren von Seiten der Polizei fest. Dies wird von manchen (potentiellen) Teilnehmer/innen als Einschüchterung erlebt; das Recht auf Versammlungsfreiheit muss frei von behördlicher Registrierung wahrgenommen werden können.

Aus ihren Erfahrungen ergeben sich für die HU Lübeck folgende Forderungen und Empfehlungen zur Versammlungspraxis:

  • Kennzeichnung der eingesetzten Polizeikräfte zwecks Identifizierung von Rechtsverstößen
  • kein Einsatz von Hunden ohne Maulkorb
  • kein präventives Videografieren von Demonstrierenden
  • Einsatz eines unabhängigen Beobachterteams unter Gewährleistung weitgehender Bewegungsfreiheit
  • freier Zugang für Anwälte und Beobachter/innen zu den Ingewahrsamgenommenen
  • Einsatz unabhängiger Polizeibeauftragter.

Der vollständige Bericht der Demonstrationsbeobachtung ist auf der Webseite der HU Lübeck abrufbar unter: https://www.humanistische-union.de/regionen/luebeck/.

Dateien

nach oben