Baden-Württemberg: Risiken der elektronischen Gesundheitskarte - praktisch demonstriert
Mitteilungen Nr. 217 (Heft 2/2012), S. 30/31
(JP) Wer hat nicht Angst vor der Ökonomisierung ganzer Lebensbereiche und vor der systematischen Vernetzung und dem Missbrauch von persönlichen Daten? So viele Menschen sind es leider nicht, wie man an dem Umgang mit Facebook, Smartphones oder Payback-Karten erkennen kann. Auch die neue Gesundheitskarte ist eine Kandidatin für den massenhaften Gebrauch oder Missbrauch von Daten und den Versuch, ein effizientes, vielleicht nicht immer an den Interessen von Patienten und Ärzten orientiertes Gesundheitsmanagement aufzubauen.
Etwa 45 Zuhörerinnen und Zuhörer fanden sich am 5. Juni zu dem Vortrag Die elektronische Gesundheitskarte nur Versichertenausweis oder Schlüssel zum elektronischen Gesundheitsmanagement? Sind wir auf dem Wege zum gläsernen Patienten? ein. Professor Oliver Kalthoff (Universität Heidelberg und Hochschule Heilbronn) führte in einem sehr detaillierten und technischen Vortrag in die neue Gesundheitskarte ein. Er wies zunächst darauf hin, dass das Thema sehr emotional besetzt sei. Viele Menschen hätten ein Gefühl von Uninformiertheit und Fremdbestimmtheit in dieser Frage. Man wisse nicht, welche Daten wo gespeichert würden und wer an diese Daten herankommen könne.
Die Bedenken bzgl. der Sicherheit der auf der Karte gespeicherten Daten wurden dann experimentell eindrucksvoll von dem Informatiker aufgezeigt. Mit Hilfe eines handelsüblichen Auslesegerätes zeigte Herr Kalthoff, wie einfach Daten aus der Gesundheitskarte extrahiert werden können. Dabei ging es nicht nur um die Stammdaten wie Name und Geburtsdatum. Mit wenigen Operationen gelang es ihm grundsätzlich auch, mögliche Rezepte auszulesen. Auch wies Kalthoff darauf hin, dass die Daten nicht alle auf der Karte gespeichert werden können, sondern auf externen Servern abgelegt werden müssen. Insofern ist die Sicherheit der Karte selbst, auf die sich die Diskussion im Moment konzentriert, nur ein Teil der relevanten Debatte um den möglichen Missbrauch.
In der anschließenden Diskussion wurde der Fokus von den Möglichkeiten des Missbrauchs auf die Möglichkeiten und die Gefahren des Gebrauchs der Karte gelenkt. Die Krankenkassen könnten so beispielsweise einfacher an Daten gelangen, die sie interessieren, die aber aus guten Gründen nicht für sie bestimmt sind. Hier geht es etwa um Therapieempfehlungen. Auch die Vernetzung der Daten zur Kontrolle der Effizienz von Ärzten bereiteten vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Sorgen.