Die HU: Matrix aus thematischen Arbeitskreisen und regionalen Verbänden
Mitteilungen Nr. 217 (Heft 2/2012), S. 23/24
Der Bundesvorstand hat die Frankfurter Forderung nach wenigstens Ansätzen regionaler Ausgewogenheit zurückgewiesen (s. Mitteilungen 215/216, S. 36). Das ist bedauerlich: der Blick auf Bundesregierungen jeglicher Couleur zeigt, wie wertvoll regionale Ausgewogenheit wirken kann; auf europäischer Ebene ist regionale Varianz für so manches Gremium vorgeschrieben. Eine zukunftsfähige Bürgerrechtsorganisation sollte solche Erfahrungen berücksichtigen.
Die Klausurtagung im Juni war ein sinnvoller Ansatz, die im Verband überörtlich vorhandene Kompetenz wirksam werden zu lassen. Doch sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier jahrelang vieles versäumt wurde, bis Ende 2011 ein eigenes Ressort „Organisationsentwicklung“ geschaffen werden mußte. Ein Blick auf die Arbeitsweisen früherer Vorstände mag hilfreich sein: deren Sitzungen fanden an wechselnden Orten statt und waren immer wieder mit Veranstaltungen verknüpft. Reinhard Mokros besuchte vier Monate nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden den OV Frankfurt: „Innere Sicherheit als Gefahr“. Sein Vortrag war gut besucht und fand Presseecho (FR vom 2. Feb. 2004).
Der Zusammenhang von Präsenz vor Ort und Medienecho sollte bedacht werden: wo konnte vergleichbare Presseresonanz erreicht werden? Wenn der Bundesvorstand sich jetzt über Initiativen von vor Ort freut, darf allerdings zurückgefragt werden, wieweit er diese zur Kenntnis nimmt. Das gilt nicht nur für die Ergebnisse des Arbeitskreises Justizreform, der regelmäßig in Marburg tagte – und darum kämpfen mußte, das seine Ergebnisse überhaupt zur Kenntnis genommen werden. Das könnte auch für den Kontakt zwischen Bundesvorstand und Ortsverbänden gelten – zumal direkter Kontakt das „Nadelöhr“ Geschäftsführung entlastet: mit manchen Vorstandsmitgliedern gibt es (bei Bedarf) direkten Austausch per Mail oder Telefon. Andere Vorstandsmitglieder bekannten kürzlich, sie hätten keine Zeit, Mails aus den Ortsverbänden zu lesen.
Natürlich kann nicht jedes Vorstandsmitglied jede regionale Veranstaltung besuchen: sowas erwartet auch niemand. Wenn aber ein Vorstandsmitglied bei keiner Veranstaltung anwesend ist, die an ihrem oder seinen Wohnort stattfindet, dann läßt das Rückfragen nach der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zu.
Berichte aus den Regionen
In diesen Zusammenhang gehört auch, was Heinz Lüneburg schon angesprochen hat: Auf der letzten Delegiertenkonferenz begannen zwei Redner im TOP „Berichte aus den Regionen“ mit dem Satz, dass es keine örtlichen Aktivitäten zu berichten gebe. Sitzungsleiter Wolfgang Killinger ließ beide ungestört zu TO-fremden Dingen reden. Aus Frankfurt gab es deutlich mehr als „nichts“ zu berichten – doch Wolfgang Killinger unterbrach den Bericht schon während der Planungen für’s nächste Quartal. Über die vergangenen Frankfurter Aktivitäten durfte nicht berichtet werden. Als nächstes folgte Tobias Baur: ohne jede Unterbrechung konnte er von Berliner Aktivitäten und der Unterstützung durch eine Kraft auf 400 €-Basis berichten. Die beiden, die ungestört über tagungsordnungsfremde Dinge ausreden durften, waren ehemaliges Bundesvorstandsmitglied bzw. Bundesvorsitzender; danach konnte ein aktuelles Bundesvorstandsmitglied ausreden. Nur dazwischen unterbrach bzw. beendete Wolfgang Killinger den Bericht aus dem hochaktivem, aber nicht im Bundesvorstand repräsentiertem Ortsverband.
Orte von Delegiertenkonferenzen und Verbandstagen
Einen weiteren Aspekt regionaler Ausgewogenheit sollte man betrachten: die Delegiertenkonferenzen und Verbandstage. Aus allen Ecken der Republik sollen die Mitglieder anreisen. Zwei Strategien stehen zur Auswahl: einen möglichst zentralen Ort wählen, um so die Anreise für möglichst viele Mitglieder kurz und preisgünstig zu halten. Oder den Ort immer wieder zu wechseln und dabei darauf zu achten, dass im Laufe der Jahre jede/r mal die kurze Anfahrt genießen oder die lange Anreise inkaufnehmen muß. Eigentlich gehörten weitere bundesweite Veranstaltungen wie die „Berliner Gespräche“ oder die „Gustav-Heinemann-Foren“ dazu – doch mag es Gründe geben, die jeweils an bestimmtem Ort (Berlin oder Rastatt) stattfinden zu lassen. Daher eine Auswertung nur der jährlichen Veranstaltung „Delegiertenkonferenz“ oder „Verbandstag“ seit 1990 (incl.) bis 2012:
Land Anzahl in % Orte
Berlin 4 17,4 Berlin
NRW 4 17,4 Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln
Schleswig-Holst. 3 13 Lübeck
Niedersachsen 3 13 Hannover
Bayern 3 13 München (2 x), Nürnberg
Hessen 2 8,7 Marburg, Frankfurt
BaWÜ 2 8,7 Freiburg
Rheinland-Pfalz 1 4,3 Mainz
Bremen 1 4,3 Bremen
Summe 23
15 Veranstaltungen – fast zwei Drittel – fanden in der nördlichen Hälfte der Republik statt. Die Städte Berlin (viermal), Lübeck und Hannover (je dreimal) stechen mit besonderen Häufigkeiten heraus. Die anreisefreundliche Mitte ist deutlich unterrepräsentiert.
Mit der Ortswahl kann man das bestehende Engagement eines Ortsverbandes würdigen. Oder man kann neu entstehende Aktivitäten fördern (wozu die öffentlichen Veranstaltungen gute Gelegenheit bieten). Auch der Blick auf regionale Mitgliederzahlen kann eine Ortswahl rechtfertigen: gibt es besonders viele Mitglieder, denen darüber eine möglichst kurzer Anreise verschafft wird? Man hätte erwarten können, dass der Gesichtspunkt zu einer Häufung in der Mitte Deutschlands geführt hätte.
Die tatsächliche Häufigkeitsverteilung fällt anders aus – und insbesondere bei Lübeck und Hannover darf gefragt werden, ob das durch Mitgliederstärke in der Region oder besondere Aktivitäten aufgewogen wird. Auch Berlin bedeutet eine sehr weite Anreise von Freiburg, Bremen oder München aus.
Die Orte für DK oder Verbandstag wurden bislang fallweise verkündet. Wir wollen keinen dezidierten Verteilungsschlüssel fordern – so etwas geriete schnell zu einem bürokratischen Ungetüm. Doch auch wenn die Ortswahl freihändig erfolgt, sollte die bisherige, schiefe Verteilung beachtet werden – und durch gezielte Ortswahl in den nächsten Jahren eine relative Ausgewogenheit hergestellt werden.
Der Vorstand des OV Frankfurt
PS: Nach der Beschlußfassung des Ortsvorstands wurde der Verbandstag 2012 aus organisatorischen Gründen von Hannover nach Kassel verlegt.
Wolfgang Killinger: Kommentar
Peter Menne konnte auf der Delegiertenkonferenz (DK) schon sehr lange über die Aktivitäten des Ortsverbandes Frankfurt sprechen. Um angesichts des nahen Endes der DK auch noch die VertreterInnen anderer Regionalverbände zu Wort kommen zu lassen, bat ich dann Peter Menne mehrfach, sich kürzer zu fassen, was er leider nicht beachtete. Erst danach beendete ich seinen Vortrag. Die nachfolgenden Berichte waren so kurz, dass keine Unterbrechung notwendig war und die DK mit Rücksicht auf die von Auswärts angereisten Mitglieder einigermaßen pünktlich endete.
Ich unterstütze die inzwischen von mehreren Delegierten erhobene Forderung, die Berichte nicht an das DK-Ende zu legen und mehr Zeit dafür einzuplanen.