Berlin: HU ist Gründungsmitglied der Berliner Allianz für Freiheitsrechte
in: HU-Mitteilungen Nr. 236 (2/2018), S. 11/12
Am 11. April 2018 gründete sich, unter entscheidender Beteiligung des HU-Landesverbandes Berlin-Brandenburg, die Berliner Allianz für Freiheitsrechte (BAfF). Das überparteiliche Bündnis aus Privatpersonen und verschiedenen Organisationen richtet sich gegen ein von Ex-Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und anderen in Berlin gestartetes Volksbegehren für mehr Videoüberwachung. Deren „Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz“ will einen Volksentscheid herbeiführen, in dem über einen Gesetzesentwurf abgestimmt werden soll. Das Gesetz müsste, wenn eine Mehrheit der wahlberechtigten Berliner ihm zustimmt, von der Regierung unverzüglich umgesetzt werden.
Die Berliner Allianz für Freiheitsrechte will das verhindern und hofft, den in jeder Beziehung unverhältnismäßigen und alle Abwägungen vermissen lassenden Gesetzesvorschlag schon vor der Abstimmung stoppen zu können.
In dem Entwurf soll an gefährlichen Orten, an denen Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden können, an gefährdeten Objekten (wie Amtsgebäude, Denkmäler und Friedhöfe) und an Orten, an denen sich gewöhnlich große Menschenansammlungen befinden (wie sportliche Großveranstaltungen, Volks- und Straßenfeste) eine Bild- und Tonüberwachung stattfinden. Aus Sicht der Initiative trifft das aktuell auf fünfzig Orte in Berlin zu. Diese Orte sollen mit zweitausendfünfhundert Kameras dauerhaft überwacht werden. Außerdem sollen große Fahrradabstellplätze dauerhaft überwacht werden. Die Orte sollen von der Polizei festgelegt werden.
Die Aufnahmen sollen einen Monat gespeichert werden. Die Beobachtung muss dabei, so das Überwachungsbündnis, an dem Ort der Überwachung nicht kenntlich gemacht werden. Und die Bild- und Tonaufnahmen sollen in Echtzeit mit der Hilfe von Algorithmen und intelligenter Technik ausgewertet werden.
Neben dieser Totalüberwachung von fünfzig Plätzen sollen Polizeibeamte mit Bodycams ausgestattet werden. Diese Kameras, die ebenfalls Bilder und Töne aufnehmen sollen, werden von den Beamten an- und ausgeschaltet und diese Aufnahmen sollen nach vier Tagen gelöscht werden.
Zur Scheinevaluierung des Gesetzes soll ein Berliner Institut für Kriminalprävention gegründet werden. Das Institut soll nur zur Videotechnik und vergleichbarer Aufklärungstechniken bei der Aufklärung von Straftaten forschen und beraten. Mit Prävention hat das Institut nichts zu tun. Die geplante Besetzung des Vorstands und Aufsichtsrats mit verschiedenen Polizeipräsidenten, dem Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, dem Leiter des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnologie und dem Generalbundesanwalt bestätigt diesen Eindruck. Da sollen Bundesbeamte für ein Landesinstitut verpflichtet werden. Die Datenschutzbeauftragte, die Zivilgesellschaft und die Forschergemeinde sind nicht involviert. Da hilft auch der Opferbeauftragte des Landes Berlin nicht weiter.
Die Kritik der HU Berlin-Brandenburg und der Berliner Allianz für Freiheitsrechte richtet sich gegen das gesamte, an entscheidenden Stellen unbestimmt formulierte Gesetz, das sich nicht um Datenschutz oder den Schutz von Grundrechten kümmert. Sie sollen der Aufklärung von Verbrechen geopfert werden. In Diskussionen geben die Befürworter des Überwachungsgesetzes freimütig zu, dass Videokameras keine Verbrechen verhindern können. Es gehe um die Aufklärung von Verbrechen. Hier ist allerdings nicht das Land, sondern der Bund als Gesetzgeber gefragt.
Die Berliner Allianz für Freiheitsrechte fordert deshalb, dass der Senat den Gesetzesentwurf aufgrund schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin zur Prüfung vorlegt. Das kann das Land jetzt, bevor die Volksinitiative in die zweite und entscheidende Phase ihrer Unterschriftensammlung geht, tun. Außerdem soll die Regierung keine Verhandlungen mit dem Überwachungsbündnis beginnen. Solche Verhandlungen mit den Überwachungsbefürwortern würden zu mehr Überwachung führen, ohne dass Berlin sicherer wird.
In der Berliner Allianz für Freiheitsrechte sind u.a. die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, Digitalcourage, endstation, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF), Internationale Liga für Menschenrechte, Fanrechtefonds, Berlin Werbefrei – Volksentscheid, Grüne Jugend Berlin, Junge Liberale Berlin, Piratenpartei Berlin, die netz- und innenpolitischen Landesarbeitsgemeinschaften von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, und zahlreiche Einzelpersonen vertreten. Die vollständige Unterstützendenliste steht auf der BafF-Homepage. Dort kann auch der Gründungsaufruf unterschrieben und ein Newsletter abonniert werden.
Die Offenen Treffen der Berliner Allianz für Freiheitsrechte sind jeweils am vierten Mittwoch eines Monats um 19 Uhr im Haus der Demokratie und Menschenrechte. Neue Gesichter sind willkommen.
Der HU-Landesverband Berlin-Brandenburg will auf seiner Landesmitgliederversammlung am 30. Mai einen Antrag für die HU-Bundesmitgliederversammlung beschließen (Entwurf s.S. 5 dieser Ausgabe).
Homepage der Berliner Allianz für Freiheitsrechte: www.baff.berlin