Beitragsbild Erklärung der HU zum Nahost-Konflikt
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Erklärung der HU zum Nahost-­Kon­flikt

Während der Bürobesprechung des Bundesvorstandes mit der Geschäftsführung am 30. Oktober 2023 wurde die Notwendigkeit einer Pressemitteilung der HU zur Verteidigung der Versammlungsfreiheit in Bezug auf propalästinensische Demonstrationen im Kontext des Nahost-Konfliktes diskutiert (Hinweis der Red.: siehe die Pressemitteilung vom 10.11.2023 und in diesem Heft: „Wir verurteilen den Angriff der Hamas aufs Schärfste“). Welche Einschränkungen und Begrenzungen sind anzuerkennen? Aus der Gefahr, sich der Einseitigkeit auszusetzen, wurde vereinbart, in einem ersten Schritt, sich öffentlich zum Nahost-Konflikt zu positionieren. Nichts zu sagen, zu schweigen, wurde als Option angesprochen. Das kann dem humanistischen Anspruch der HU aber nicht ausreichen. Die Stellungnahme sollte sich auf die Auswirkungen innerhalb Deutschlands begrenzen, keine internationale Aussage sein. Die Pressemitteilung zur Versammlungsfreiheit sollte parallel erarbeitet werden. Der nachstehende Text von mir erarbeitet war am 8. November Ausgangspunkt der Besprechung und führte dann zur Pressemeldung am 10. November. Viele Mitglieder der HU hatten sich vorab an der Diskussion beteiligt. Die fünf Absätze aus der Vorbereitung sollen hier kommentiert werden.

Mitteilungen25001/2024Seite 17-19

Wir verurteilen aufs schärfste den Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober und halten es für richtig, dass die Sicherheit des Staates Israel ein Teil der deutschen Staatsräson ist. Das durch die Hamas durchgeführte Pogrom und Massaker ist beispiellos, die von den Terroristen durchgeführten Tötungen und Entführungen sowie die offensive Verbreitung der Taten über Medien erfüllen uns mit Entsetzen, es gibt keine Entschuldigung für das Unfassbare.

Die Art und Weise des Terrorangriffs sind in Form und Inhalt abschreckend und lassen uns tief in menschliche Abgründe blicken. Wenn jüdische Stimmen es als Wiederkehr des Holocaust empfinden, dann gilt dies zumindest für die Brutalität. Verstört muss man erfahren, dass sich trotzdem auf palästinensischer Seite eine Verstärkung und Anerkennung der Hamas ergibt. Auch die Kenntnisse über den Judenmord und Auschwitz hat die Unterstützung der Nazis durch die deutsche Bevölkerung nicht geschwächt. Die perfide Darstellung in den sozialen Medien setzt darauf.

Israel hat das uneingeschränkte Recht zur Selbstverteidigung, und die besondere Brutalität der Hamas erlauben keine Kontextualisierung der israelischen Geschichte in diesem Zusammenhang. Trotz aller Verletzungen bleibt aber Israel bei der Verteidigung des jüdischen Lebens an die Regeln des Völkerrechts gebunden, und die uneingeschränkte deutsche Solidarität beinhaltet auch das Hinwirken der Beachtung des Völkerrechts.

Die Relativierung der Taten der Hamas durch Hinweis auf die israelisch-palästinensische Vorgeschichte wurden diskutiert. Ein Bezug auf die bekannte Äußerung des UN-Generalsekretärs wurde vorgeschlagen, aber als nicht sinnvoll gesehen. Der viel benutzte Begriff der Staatsräson sollte vermieden werden, dessen Begrenzung durch das Rechtsstaatsprinzip wird oft nicht mitgesagt. Die von der HU in der Erklärung ausgedrückte Empathie ist ehrlich, sie gilt für die Opfer und Leiden der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten.

Eine besondere Verantwortung für Jüdinnen und Juden besteht in Deutschland unter Bewahrung des Rechtsstaats, jüdisches Leben bestmöglich zu schützten und uneingeschränkt zu sichern. Die Angriffe auf Synagogen in Deutschland mit Molotow-Cocktails wie auch die Beschmutzung der jüdischen Einrichtungen durch Hackenkreuze und Judensterne in faschistischer Tradition ist besonders widerlich und erfordert genaue Verfolgung und Aufklärung.

Gibt es besondere Maßnahmen, die Freiheit und jüdisches Leben in Deutschland zu fördern? Ist die Betonung polizeilichen Schutzes ausreichend, und wie können sich Bürgerinnen und Bürger positiv am jüdischen Leben beteiligen und damit Freiheit ermöglichen? Juden als Gruppe benötigen immer den Schutz durch das Recht. Die tiefliegenden Wurzeln des Antisemitismus in Deutschland und Europa trifft auf den Anti-Zionismus der arabischen Welt, genaue Differenzierungen sind erforderlich.

Die eingeleiteten Kriegshandlungen mit den intensiven Bombardierungen, die Unterbrechung der Versorgung von Gaza mit Wasser, Strom und Lebensmitteln führen zu vielen Opfern unter der palästinischen Bevölkerung und dieses Leid empört die palästinischen deutschen Mitmenschen in Deutschland. Diese Empörung darf und muss sich in Versammlungen der Betroffenen äußern dürfen. Versammlungsverbote müssen sich streng an das Rechtsstaats-Prinzip halten und dürfen nicht eingeschränkt werden. Auflagen ermöglichen es, offen demonstrierten Antisemitismus zu verhindern, manche propalästinische Aussagen sind zu ertragen, auch wenn es schwerfällt.

Der Begriff Vertreibung war insbesondere strittig. Er umfasst die Verweigerung von Freiheit, Selbstbestimmung und Lebensraum. Ist es gerechtfertigt, zivile Opfer als unvermeidlich hinzunehmen, als Kollateralschäden des Krieges zu bezeichnen? Sind es nicht Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dürfen sie mit dem Hinweis auf die Einzigartigkeit des Holocaust relativiert werden?

Zügig muss es zu beiderseitigem Waffenstillstand kommen. Die Beruhigung der öffentlichen Diskussion, die Vermeidung einer zunehmenden Hass-Spirale und die Schaffung eines Raumes, in dem über Frieden gesprochen wird, gilt es zu erreichen.

Von Vielen wird Form und Inhalt der Nachrichten in den öffentlichen Medien als nicht ausgewogen wahrgenommen. Wortwahl und Fokussierung in den Diskussionen und Publikationen zu der Weiterentwicklung der Ereignisse befördern die Verschärfung der Auseinandersetzung der Gruppen. Sie erschweren den Weg des Ausgleichs.

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