Beitragsbild Bericht zur Mitgliederversammlung 2023
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Bericht zur Mitglie­der­ver­samm­lung 2023

Am 14. und 15. Oktober 2023 traf sich die Humanistische Union zur ihrer jährlichen Mitgliederversammlung in der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte in Rastatt.

Mitteilungen25001/2024Seite 4-7

Samstag, 14.10.:

Die Mitgliederversammlung beginnt mit der Begrüßung durch den Vorsitzende des Bundesvorstandes, Stefan Hügel und obligatorischen Formalia. Die satzungsgemäße Einladung und die Beschlussfähigkeit der Versammlung wird festgestellt. Clemens Arzt, Till Müller-Heidelberg und Udo Kauß werden zur Tagungsleitung gewählt. Der Co-Bundesgeschäftsführer Philip Dingeldey übernimmt die Protokollführung. Die Geschäftsordnung wird ohne Gegenstimmen beschlossen. Auf die Wahl einer Antragskommission wird einstimmig verzichtet. Die vom Bundesvorstand vorgeschlagene Tagesordnung wird ergänzt, sofern zeitlich möglich, um eine Diskussion zu den Landtagswahlen am Ende der Versammlung, und ansonsten angenommen.

Darauf folgen die Berichte. Begonnen wird mit den Kurzberichten aus den Regionalverbänden. Franz-Josef Hanke berichtet über die Aktivitäten des Ortsverbands Marburg. Veranstaltet hat die HU Marburg 2022 eine Bundestagung zum Thema Triage. Es hat zudem eine Petition im Hessischen Landtag zu Medinetz gegeben. Das Marburger Leuchtfeuer wurde 2023 an Serpil Temiz Unvar verliehen. Am 25.11. wird Hanke zudem das Grußwort auf einer Feier von Unvars Bildungsinitiative das Grußwort sprechen. Auch war die HU Marburg Beschwerdeführer gegen das Hessische Sicherheits- und Ordnungsgesetz und im Februar 2023 damit erfolgreich. Axel Bußmer berichtet zu den Aktivitäten des Landesverbands Berlin-Brandenburg. Es gab eine Pressemitteilung zum Kopftuchverbot und dem Neutralitätsgesetz, die Berliner Freiwilligenbörse im Mai 2023 und eine Reihe an Vespern (Podiumsdiskussionen) zu den Themen Grundrecht auf Wohnen, Triage, Enteignung, zur UN-Behindertenkonvention und zu strukturellem Rassismus. Zudem wurde mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung eine Podiumsdiskussion zum Thema 75 Jahre UN-Menschenrechtserklärung veranstaltet. Eine weitere Vesper zum Thema Innere Sicherheit in Berlin ist in Planung. Udo Kauß berichtet über die Veranstaltungen des Landesverbandes Baden-Württemberg. Es finden nur noch Tacheles-Diskussionsrunden in Kooperation mit der Universität Freiburg und dem AKJ Freiburg statt, in denen die HU nur noch organisatorisch tätig ist. Im Sommersemester 2023 hat es Veranstaltungen zu Big Data im Hamburger Polizeigesetz, Restorative Justice und Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche gegeben. Es ist aber nicht gelungen, darüber neue Mitglieder zu rekrutieren. Norbert Reichling und Ursula Tjaden berichten für den Landesverband Nordrhein-Westfalen, dass der Landesvorstand von sechs auf drei Mitglieder geschrumpft ist. Es gab auch kaum noch lokale Aktivitäten. Eine derzeitige Aktivität ist die Unterstützung von Gefangenenliteratur durch die Tätigkeit in der Jury des Ingeborg-Drewitz-Literaturpreises (dieses Jahr zum Thema „Schuld“).

Auf diese Kurzberichte aus den Regionen folg der inhaltliche Bericht vom Bundesvorstandvorsitzenden Stefan Hügel und Wolfram Grams, dem ersten stellvertretenden Vorsitzenden, für den Bundesvorstand. 2022 ist ein neuer Vorstand gewählt worden, der mit fünf Mitgliedern plus Vorsitzendem eigentlich zu klein ist. Auf der Mitgliederversammlung treten zudem Andrea Zielinski und Marlis Dürkop-Leptihn aus dem Vorstand zurück, weswegen Nachwahlen auf dieser Versammlung erforderlich werden. Die Tätigkeit des Vorstandes bestand vor allem aus Vorstandssitzungen, Klausurtagungen und Bürobesprechungen mit der Geschäftsführung bestanden. Die Neuaufstellung der Geschäftsführung sei gelungen, und die Geschäftsführer arbeite gut zusammen. Die Zeitschrift vorgänge konsolidiere sich langsam, und die Verspätungen der Publikationen der Hefte werde langsam aufgeholt. Die HU hat Veranstaltungen zum Thema Triage (in Marburg), ein Symposium für Martin Kutscha und die Präsentation des Grundrechtereports 2023 organisiert. Am 14.10. kommt noch die Verleihung des Fritz-Bauer-Preises an die Beschwerdeführenden der Verfassungsklagen gegen das Klimaschutzgesetz hinzu. Außerdem ist Grams für die HU in der Initiative „Schule muss anders“ aktiv. Zudem gab es eine Reihe an Pressemitteilungen, auf die nicht näher eingegangen wurde.

Carola Otte und Philip Dingeldey berichten für die Geschäftsführung zur Mitgliederentwicklung und der Finanzlage der Humanistischen Union: Der Trend der sinkenden Mitgliederzahlen ist fortgeschritten. Auch das finanzielle Problem der HU spitzt deswegen sich zu. Insbesondere aus der Finanzprognose von Otte für 2023 geht hervor, dass die HU mehr Geld ausgibt als sie einnimmt, was auch damit zusammenhängt, dass nun die neu besetzte Geschäftsführung ein höheres Gehalt (aufgrund der Inflation) bekommt und der Mindestlohn für die Minijobber gestiegen ist, aber die Einnahmen sinken.

Die Aussprache zur Arbeit des Bundesvorstandes ist kontrovers. Andrea Zielinskis beginnt die Aussprache mit einem Vortrag zur Diskussion über die Zukunft der Humanistischen Union. Seite April 2023 lässt Andrea Zielinski ihr Amt als Bundesvorständin ruhen und tritt auf der Mitgliederversammlung aus dem Vorstand zurück. Sie wirft auf der Mitgliederversammlung dem Bundesvorstand vor, dass es ihm insgesamt misslungen sei, eine progressive Öffnung des Vorstands und Vereins zu erwirken. Vielmehr gebe es persönliche Verhaltensdefizite, autoritäre Strukturen, und es sei zu Mobbing gekommen, etwa durch Herrschaftssprache, Hierarchisierung und Wegschauen oder Ignorieren von sozialen Problemen. Daraus hätte sich ein Konflikt aus Traditionalismus und Neuerung ergeben, Arbeiten seien oft begonnen, dann aber abgebrochen worden, Transparenzmaßnahmen und Barrierefreiheit seien verhindert worden. So stehe die HU nicht mehr für Aufbruch, sei nicht plural oder diskussionsfähig. Vielmehr bestehe ein Konflikt aus Traditionalismus und Neuerung. Zielinski schlägt vor, dass neue Themen wie Umwelt und Klima, Medien, gruppenspezifische Ablehnung divers und international behandelt werden und dass die HU in eine Stiftung umgewandelt wird.

In der Folge werden interne Konflikte innerhalb des Bundesvorstandes und gegenseitige Verletzungen der Vorstandsmitglieder sowie inhaltliche Fragen der Neuaufstellung diskutiert. Stefan Hügel gesteht Defizite des Bundesvorstandes ein, die aber aus Nachlässigkeit statt aus Autoritarismus resultiert seien. Während der inhaltlichen Diskussion mit den anwesenden Mitgliedern zeigt sich, dass die Versammlung auf die traditionellen Themen der HU nicht verzichten will, und auch eine Umwandlung in eine Stiftung ist nicht konsensfähig. Gleichzeitig wird der Vorwurf der inhaltlichen Inaktivität gegen den Bundesvorstand von vielen Anwesenden erhoben. Bemängelt wird, dass politische Konflikte sich im Bundesvorstand nicht mehr durch rationale Diskussion beilegen ließen. Auch werden weitere zusätzliche Themen genannt, die die HU bearbeiten könnte, etwa Migration oder Kampf gegen Rechtsextremismus. Offen bleibt auch, mit welchen Modellen die HU ihre Themen bearbeiten und sich konsolidieren will. Till Müller-Heidelberg bemerkt, dass die Humanistische Union dann inhaltlich stark war, wenn sie aktuelle Themen aufgegriffen und mit ihrer Expertise bearbeitet hat. Damit endet die Aussprache. Am Samstagabend findet die Fritz-Bauer-Preisverleihung 2023 im Residenzschloss Rastatt statt (Hinweis der Red.: siehe den dazugehörigen Bericht in diesem Heft).

Sonntag, 15.10.:

Der Morgen beginnt mit einer Führung durch die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte. Danach tagt die Mitgliederversammlung abermals und schreitet zur Nachwahl neuer Bundesvorstandsmitglieder. Dazu beantragt Clemens Arzt die geheime Wahl. Zur Wahlkommission werden Philip Dingeldey, Udo Kauß und Carola Otte gewählt, wobei Dingeldey das Wahlprotokoll führt.

Es gibt drei Kandidierende: Werner Bergmann, Luise Freitag und Ernst Fricke. Die Wahl findet vor Ort mit Wahlzetteln und Online über ein digitales Abstimmungstool, das Carola Otte betreut, statt. Die Mitgliederversammlung einigt sich darauf, dass jedes teilnehmende Mitglied bis zu drei Stimmen vergeben konnte, wobei jede kandidierende Person maximal eine Stimme pro Abstimmendem erhielt. Um in den Vorstand gewählt zu werden, einigt sich die Mitgliederversammlung einstimmig darauf, dass eine absolute Mehrheit von über 50 Prozent einzelner Stimmen nötig ist. Alle drei Kandidierenden haben vorab eine schriftliche Kurzvorstellung abgegeben. Bergmann und Fricke stellen kurz ihre Motivation der Kandidatur vor, Freitag ist abwesend, hat aber im Vorfeld Ihre Kandidatur wie auch eine Annahme einer eventuellen Wahl schriftlich erklärt. Werner Bergmann und Ernst Fricke werden mehrheitlich gewählt. Luise Freitag wurde nicht gewählt. Hinweis der Red.: Biographische Angaben von Werner Bergmann und Ernst Fricke finden sich inzwischen online (https://www.humanistische-union.de/ueber-uns/vorstand/).

Nach der Wahl neuer Bundesvorstandsmitglieder werden noch drei Anträge diskutiert und beschlossen. Der Bundesvorstand beantragt – mit Hinweis auf die Finanzprognose 2023 – die Regel, dass nur zehn Prozent des Vereinsvermögens pro Jahr ausgeben werden dürfen, für die Jahre 2023 und 2024 auszusetzen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Ein zweiter Antrag stammt vom Landesverband Berlin Brandenburg mit Titel „Für eine barrierefreie HU“. Dieser Antrag beinhaltet: darauf zu achten, dass die Vorlesefunktion auf der Vereinshomepage funktioniert, dass in Texten berücksichtigt werden soll, dass bestimmte Schreibweisen und Sonderzeichen die Lesbarkeit für digitale Vorlesetechnik beeinträchtigen können, dass Fremdwörter und Abkürzungen möglichst verständlich im Fließtext erläutert werden sollen, dass Veranstaltungsorte räumlich möglichst barrierefrei sein und wenn möglich Veranstaltungen hybrid stattfinden sollen. Der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen.

Der dritte und letzte Antrag stammt vom Regionalverband Marburg: „Keine Kriminalisierung friedlicher Klimaproteste“. Die Humanistische Union spricht sich darin gegen die Kriminalisierung und die Polizeigewalt gegen die Letzte Generation als friedliche Klimaprotestierende aus. Der Antrag wird ohne Gegenstimmen angenommen. (Hinweis der Red.: Den Antrag in voller Länge ist in diesem Heft als Pressemitteilung zu finden.)

Eine Diskussion zu den Wahlergebnissen der Landtagswahlen in Bayern und Hessen entfällt aus Zeitmangel. Damit endet die Mitgliederversammlung 2023.

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