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EDITORIAL:

In: Mitteilungen 241 (4/2020) S. 1-2

Liebe Mitglieder, liebe Freund*innen,

die Covid-19 Pandemie hat uns alle getroffen – auch die HU. In den Arbeitsabläufen (Homeoffice und Telefonkonferenzen) sowie in der kurz- und mittelfristigen Planung (Absage öffentlicher Veranstaltungen und Verbandsaktivitäten). Weder kann im April das geplante Regionaltreffen in Hannover stattfinden, noch im Mai die Tagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Berlin. Von den Treffen und Veranstaltungen der Landes- und Ortsverbänden ganz zu schweigen. Wir hoffen, nach Ende der derzeitigen Krise vieles, wenn auch sicher nicht alles, nachholen zu können.

Wir betrachten mit Sorge die Flut von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen, die jetzt die Krise aufhalten sollen. Es ist uns klar, dass während einer Pandemie die Rechte des Einzelnen manchmal dem Allgemeinwohl untergeordnet werden müssen

Die entscheidenden Voraussetzungen dafür sind jedoch die Wirksamkeit und Angemessenheit der angeordneten Maßnahmen und ihre zeitliche Befristung. Irritierend ist, mit welcher Eile und Konformität demokratische und bürgerrechtliche Bedenken über Bord geworfen werden.

Die Humanistische Union wird die Entwicklungen genau im Auge behalten, um sicher zu stellen, dass die Antworten der Regierung auf die Corona Krise wissenschaftlich begründet sind und unsere Freiheit nicht mehr einschränken, als es absolut notwendig ist. Im Moment sind wir dabei, Übersichten und Analysen zu Grundrechten und Corona-Maßnahmen zu sammeln – und hoffen dabei auch auf die tatkräftige Unterstützung unserer Mitglieder. Wir sind im Kontakt mit unseren Partnerorganisationen, um gemeinsame Antworten der Zivilgesellschaft auf die derzeitige Krise zu finden.

Wichtig ist für uns dabei vor allem auch die Frage: Was kommt nach der Krise? Wie verhindern wir, dass kurzfristige Freiheitsbeschränkungen zum Normalzustand werden? Dass Tabu-Brüche wie die Handy-Ortung nicht auf einmal gesellschaftlich akzeptabel werden? Dass Datenschutz weiter den mühsam erkämpften Stellenwert behält?

Vergessen dürfen wir am Ende nicht, dass uns die Krise nicht alle gleich macht – wie so häufig trifft sie die ohnehin verletzlichen am meisten. Wie gut man häusliche Isolation verkraftet, hängt stark davon ab, was für ein Zuhause das ist, das man nicht verlassen darf. Und was ist mit denen, die nicht zuhause bleiben können – sei es, weil sie wohnungslos sind oder weil sie im Rahmen des Strafvollzugs oder des Asylprozesses in Institutionen untergebracht sind?

Und zu guter Letzt dürfen wir all die anderen Themen, die uns sonst um treiben, nicht vergessen: Das Elend der Flüchtlinge, die Aktivitäten der radikalen Rechten, die sozialen Verwerfungen und all die anderen Herausforderungen der Zivilgesellschaft.

Auch das ist ein Beitrag zum Erhalt unserer Demokratie: Den Diskurs weiter führen. In diesem Sinne wollen wir nicht „social distancing“ betreiben, sondern besser „distant socializing“: Weiter im Kontakt und im Gespräch bleiben, nicht nur über Corona, sondern über alle Themen, die uns auch sonst am Herzen liegen.

Bleiben Sie gesund und widerstands-fähig.

Stefan Hügel und Werner Koep-Kerstin

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