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Plattform der Initiative : "Offenlegung unserer Verfas­sungs­schutz­akten!"

vorgängevorgänge 11604/1992Seite 120
von vg

aus : Vorgänge Nr.116, S.120

I. In Anwendung der demokratischen, verfassungsrechtlichen und rechtsstaatlichen Normen (s. insbes. Artikel 1- 5 GG) im gesamten Geltungsbereich der BRD, halten wir es für unzulässig und persönlich für unerträglich, daß die geheimdienstlichen Behörden des VS über uns Informationen gesammelt haben und auswerten, von denen wir nichts wissen und zu denen wir deshalb auch nicht Stellung nehmen können.

2. Es hat sich so eine Entwicklung vollzogen, in deren Verlauf auch hier politische Persönlichkeitsbilder und Wertungen in staatlichen Geheimakten und Datensammlungen entstanden sind (und fortlaufend auch wohl weiter ergänzt werden oder neu entstehen), die jederzeit gegen eine unübersehbare Zahl von Bürger/innen durch staatliche Organe und öffentlich-rechtliche Institutionen einsetzbar sind, ohne daß die Betroffenen davon Kenntnis haben. Das gilt vorrangig, aber nicht nur, für die beruflichen Tätigkeiten der betroffenen Bürger / innen und für ihr öffentlich-politisches Wirken.

3. Den VS -Ämtern wurden, besonders in den Zeiten des Kalten Krieges und einer vorwiegend administrativ-repressiven Auseinandersetzung mit der außerparlamentarischen Opposition (ApO), Rechte und auch illegale Verfahrens- und Operationsmöglichkeiten zugestanden oder zugebilligt, die in ihrem Wesen demokratischen Rechtsnormen und verfassungsrechtlich verankerten persönlichen Freiheitsrechten entgegenstehen. Allein wie schnell gesellschaftskritische Haltungen und daraus resultierendes politisches Wirken in „verfassungs- bzw. staatsfeindliches“ Handeln umgedeutet und verfolgt wurden – dafür gibt es ausreichende Abläufe und Erfahrungen.

Wir sind nicht bereit, diesen Zustand weiter hinzunehmen, bzw. den staatlichen Organen der BRD solche Verfügungsrechte über uns zuzubilligen.

4. Entsprechend der Größenordnung dieses Tatbestandes und seinen persönlichen und gesellschaftspolitischen Auswirkungen sind auch die eingerichteten parlamentarischen Kontrollausschüsse und Datenschutzbeauftragten nicht in der Lage, ihre Aufgabe gegenüber dem VS zu erfüllen.

5. Deshalb halten wir es in Anwendung und Inanspruchnahme unserer in der Verfassung garantierten Grundrechte für unabweisbar, durch kurzfristig einzurichtende Rechtsregelungen persönliche Einblicknahme für Antragsteilende Bürger/ innen in die sie betreffenden Datensammlungen und Akten des VS zu ermöglichen.

6. Das Gesetz über die persönliche und allgemeine Handhabung des Umgangs mit den Stasi-Akten hat uns zu unserer Initiative animiert. Ohne den Repressionsapparat der ehemaligen Staatssicherheit mit dem VS zu vergleichen, halten wir es auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Kriterien und Gleichheitsgrundsätzen für unabweisbar, auch für den Umgang mit den Datensammlungen und Akten des VS eine adäquate Regelung – und zwar im Eilverfahren – zu schaffen.

Die Gründer der Initiative:

Dr. Herbert Stubenrauch, Pädagoge und Therapeut Thomas Bergmann, Filmemacher und Journalist Dr. Rainer Brähler, Akademischer Rat, Universität Frankfurt

Heiner Halberstadt, Rentner

Walter Sülberg, Verleger

Dr. Andrej Bockelmann, Journalist

Udo Riechmann, Angestellter

Dr. K. Friedrich Schade, Journalist, Redaktion EPD-Entwicklungspolitik

Prof. Dr. Egon Becker, Universität

Frankfurt

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