Publikationen / vorgänge / vorgänge 2/1964

Kriegsrecht im Frieden? / Das Memorandum der Wissen­schaftler zu den Notstands­ge­setzen

Aus: vorgänge Heft 2/ 1964, S. 67- 69

In der Debatte über die erste Lesung des sogenannten Notstandspaketes im Deutschen Bundestag am 24. Januar 1963 erklärte der Abgeordnete Leber (SPD), daß seine Fraktion ihre Zustimmung zu einer Änderung der Verfassung nur dann erteilen könne, wenn gleichzeitig oder vorher Klarheit über den gesamten Inhalt aller übrigen, mit dem Notstandsproblem in Zusammenhang stehenden Gesetze gefunden worden ist.

Es ist das große Verdienst der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, zur Klärung dieses von Herrn Leber angesprochenen Fragenkomplexes wesentlich beigetragen zu haben. Im Auftrag dieser Wissenschaftler haben die Professoren Dr. H. K. J. Ridder und Dr. E. Stein von der Universität Bonn in dem vorliegenden Memorandum die wesentlichten Gedanken und Sorgen vorgelegt, die von der Vereinigung in mehreren Kommissionssitzungen und anläßlich einer Jahrestagung im Oktober 1962 diskutiert wurden.

In dieser Denkschrift werden die von Bundesinnenminister Höcherl als „einfache Gesetze” (als nicht verfassungsändernde) apostrophierten Entwürfe aus drei bestimmten Gründen kritisch beleuchtet:

1. Die Autoren sehen in den einfachen Notstandsgesetzen viel aktuellere Gefahren für die freiheitliche, demokratische Grundordnung der Bundesrepublik, als in dem Notstandsverfassungsgesetz, auf das sich die Diskussion bisher fast ausschließlich konzentrierte (vgl. „Vorgänge” Heft 9 und 10/63).

2. Sie befürchten, daß durch die vorgesehenen Regelungen in Friedenszeiten die Grenzen zwischen Friedensordnung und Kriegsrecht verwischt werden könnten.

3. Sie sind der Auffassung, daß die vorgelegten Entwürfe in vielen Punkten nicht mit dem Grundgesetz übereinstimmen und daher ebenfalls verfassungsändernd nicht mit einfacher Mehrheit verabschiedet werden dürfen.

Es handelt sich um folgende Gesetz­ent­würfe:

Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- und Kapitalverkehrs (Wirtschaftssicherstellungsgesetz) (Bundestagsdrucks. IV/ 892);

Entwurf eines Gesetzes über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) (Bundestagsdrucks. IV/893);

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Verkehrs (Verkehrssicherstellungsgesetz) (Bundestagsdrucks. IVl894);

Entwurf eines Gesetzes über den Zivildienst im Verteidigungsfall (Zivildienstgesetz) (Bundestagsdrucks. IV/450);

Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Aufenthalts der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall (Aufenthaltsregelungsgesetz) (Bundestagsdrucks. IV/895);

Entwurf eines Gesetzes über bauliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung (Schutzbaugesetz) (Bundestagsdrucks. IV/896);

Entwurf eines Gesetzes über den Selbstschutz der Zivilbevölkerung (Selbstschutzgesetz) (Bundestagsdrucks. IV/897). In dem einleitenden Kapitel „Friedensordnung und Kriegsrecht” wird eine deutliche Unterscheidung dieser beiden Zustände sowohl in der Gesetzgebung selbst, als auch eine scharfe Trennung in den Durchführungsmaßnahmen gefordert. Die vorliegenden Gesetzesentwürfe seien jedoch so formuliert und anwendbar, daß eine formelle Feststellung des Eintretens des Verteidigungsfalles weitgehend bedeutungslos sei. Obgleich sowohl beim Zivildienstgesetz als auch beim Aufenthaltsregelungsgesetz im offiziellen Titel jeweils „im Verteidigungsfall” hinzugefügt worden sei, geht aus den diversen Paragraphen dieser Gesetze doch eindeutig hervor, daß die damit verbundenen Freiheitsbeschränkungen schon in Kraft treten können, sobald es die Bundesregierung für „den Umständen nach dringend erforderlich” hält. Bei den drei Sicherstellungsgesetzen (Wirtschaft, Verkehr und Ernährung) wird amtlich von vornherein begründet, daß sie der Herstellung der Verteidigungsbereitschaft und sogar ausdrücklich reinen Friedenszwecken dienen.

Die Autoren der Denkschrift haben trotz redlichen Bemühens beim Studium der Entwürfe nicht eine einzige Vorschrift gefunden, die ausschließlich im Verteidigungsfall anwendbar wäre. Es ist ihnen anderseits auch nicht gelungen, irgendwelche Vorschriften zu finden; die die Bezeichnung der Entwürfe als „Notstandsgesetze“ gerechtfertigt hätte. Ja, selbst der Begriff des Notstandes sei an keiner Stelle definiert worden.

Die Gleichstellung des Verteidigungsfalles mit der Feststellung der Bundesregierung im Frieden, daß etwas „dringend erforderlich” sei, verstoße eklatant gegen das Grundprinzip jeder freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung im Sinne westlicher Demokratie.

Die in allen Entwürfen enthaltenen Freiheitssbeschränkungen im Kriegsfalle kenne das Grundgesetz nicht, und die Verabschiedung derartiger Gesetze sei nur durch 2/3-Mehrheit möglich, da sie verfassungsändernd sei; in Friedenszeiten dürfe dagegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht angetastet werden.

Die Verfasser des Memorandums sehen in der geplanten Gesetzgebung, insbesondere bei den Sicherstellungsgesetzen, nicht nur die Absicht der Bundesregierung, eine Verteidigungsbereitschaft im Frieden zu erzielen, sie kommen vielmehr auch zu der Erkenntnis, daß es der Bundesregierung mit diesen Gesetzen auch möglich wäre, in der Wirtschaftspolitik aufgrund dieser Ermächtigung auf totale Planungswirtschaft umzuschalten!

Den in den drei Sicherstellungsgesetzen enthaltenen wirtschaftlichen Sondervollmachten, von denen Innenministex Höcherl in seiner Einleitung zur Debatte am 24. 1. 1963 selbst sagt, Ziel und Zweck, die in den drei Gesetzen stecken, gingen weit über den Verteidigungs- und Spannungsbereich hinaus, ist in dem Memorandum das zweite Hauptkapitel gewidmet.

Es sei von der Öffentlichkeit kaum bemerkt worden, daß schon aufgrund des bereits am 22. 12. 1959 im Bundesgesetzblatt veröffentlichten ersten Notstandsgesetzes zur Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft, welches mehrmals verlängert wurde, zuletzt bis zum 30. 6. 1964, die Bundesregierung ermächtigt wurde, Verordnungen zu erlassen, die u. U. tief in das Gefüge unserer freien Marktwirtschaft eingreifen könnten. Nach diesem Gesetz war und ist es z. B. dem Bundeswirtschaftsminister möglich, solche Verordnungen ohne Zustimmung des Parlaments mit einer Gültigkeitsdauer von 2 Monaten, oder mit Zustimmung des Bundesrats mit einer entsprechenden Frist von 1 Jahr, zu erlassen.

In dem neuen Entwurf werden nach Ansicht der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler der Bundesregierung noch weit größere Vollmachten eingeräumt, deren Geltungsdauer ausschließlich von dem Willen der Bundesregierung abhängig sei. Nach den neuen Entwürfen könne alles geregelt werden, was die gewerbliche Wirtschaft und das Bank- oder Börsenwesen betreffe, analog ebenso bei Verkehr und Ernährung. Darüber hinaus ermöglichten die Gesetze eine völlige Ausschaltung der Länder auf dem Gebiet der Wirtschaftsverwaltung. Es solle aber nicht nur gewartet werden, bis die Bundesregierung auf dem Verordnungswege einzelne Bestimmungen erlasse, vielmehr sollten sofort nach Inkrafttreten der Gesetze von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden alle „personellen, organisatorischen und materiellen Voraussetzungen zur Durchführung der Maßnahmen geschaffen” werden, zu deren Anordnung die Bundesregierung ermächtigt würde. Hieraus ergebe sich, wie ernsthaft sich die Bundesregierung bereits auf den (wenigstens teilweisen oder zeitweiligen) Übergang zur zentral gelenkten Planwirtschaft einstelle.

Falls der Bundesregierung auf diesem Wege die ihr geeigneten Maßnahmen noch nicht ausreichend erscheinen, kann sie nach dem Wortlaut des Zivildienstgesetzes jederzeit sämtliche arbeitsfähigen Personen ihrer Weisungsgewalt unterwerfen und zwangsweise zu bestimmten Tätigkeiten verpflichten, wenn sie es aus rein wirtschaftlichen Gründen für „dringend erforderlich” hält (vgl. S. 23 des Memorandums).

Eingehend weisen die Autoren auf die Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungen hin. Die Regierung trete danach an die Stelle des Parlaments, die Gefahr des Mißbrauchs solcher Sondervollmachten liege klar auf der Hand.

Von Seiten der Befürworter der Entwürfe einer Notstandsgesetzgebung wird immer versichert, daß die entsprechenden Gesetze im westlichen und neutralen Ausland längst Gültigkeit hätten, ja, daß die deutschen Entwürfe weit hinter denen des Auslandes zurückblieben. In der vorliegenden Denkschrift wird klar herausgestellt, daß diese angeblichen Notgesetze, zumindest in den USA und Großbritannien, gar nicht existieren, daß vielmehr in diesen Ländern für alle derartigen Maßnahmen, wie sie der Bundesregierung durch Ermächtigung möglich wären, eine weitgehende parlamentarische Kontrolle besteht, die hier durch diese Ermächtigungsgesetze ausgeschaltet wird.

Wenn man die Frage stellt, woran es bei uns liegt, daß z. B. über die drei Sicherstellungsgesetze in der Öffentlichkeit so wenig diskutiert wird, dann findet man teilweise eine Antwort darauf, wenn man das Protokoll der Sitzung des Bundestages vom 24. 1.1963 liest.

Der Bundesinnenminister behandelt diese drei Sicherstellungsgesetze bei der langen Einleitung zu der Debatte in nur ganz kurzen Absätzen. Auch die Debatte selbst, die eigentlich für zwei Tage angesetzt war, beschäftigt sich den ganzen Tag über mit dem Notstandsverfassungsgesetz, noch einigermaßen ausführlicher, aber nicht sehr tiefgehend, mit dem Zivildienstgesetz, dem Aufenthaltsregelungsgesetz und mit den Luftschutzgesetzen. Erst gegen Abend, nachdem vom Vizepräsidenten des Bundestages darauf aufmerksam gemacht wurde, daß nach Verlauf der Debatte die Möglichkeit bestehe, daß die gesamte Tagesordnung schon am selben Tag beendet werden könnte, in diesem Falle die Plenarsitzung am nächsten Tag entfallen könnte und damit auch die Präsenzpflicht aufgehoben sei, was natürlich vom Fortgang der Debatte abhänge (Heiterkeit), die er nicht beschränken wolle, also erst kurz vor Schluß der Debatte wurde der Tagesordnungspunkt 7, der sich auf die Sicherstellungsgesetze bezog, aufgerufen und kurz diskutiert.

Wenn man diese Vorgänge betrachtet und sie ins Verhältnis setzt mit den Bestrebungen der Regierung, weitgehende Ermächtigungen für Rechts- und Durchführungsverordnungen zu erhalten, dann fragt man sich unwillkürlich, ob nicht bei großen Teilen des Parlaments die Bereitschaft besteht, sich durch eine Regierung in der parlamentarischen Kontrolltätigkeit ausschalten zu lassen.

Im dritten Teil des Memorandums, der sich mit den zivilen Verteidigungsvorbereitungen im Frieden beschäftigt, werden zur Erzielung der totalen Verteidigungsbereitschaft zwei Stadien unterschieden, nämlich a) das der Vorbereitung, b) das Bereitschaftsstadium.

Es können im Rahmen dieser Besprechung nicht alle Einzelheiten der geplanten „einfachen Notstandsgesetze” behandelt werden, noch nicht einmal die Blütenlese wiedergegeben werden, die in der Denkschrift im Abschnitt „Vorbereitung” enthalten ist.

Die Wissenschaftler weisen hier mit großem Ernst darauf hin, daß man mit Hilfe dieser Gesetze einen vielgliedrigen Behördenapparat schaffen will, der alle Details des Kriegsfalles vorausplanen soll. Er bilde zugleich den Kern einer Organisation, die jeden Einzelnen ergreift, und zwar oft von mehreren Seiten her: als Wehrpflichtigen, als Zivildienstpflichtigen, als Selbstschutzpflichtigen im Wohnblock, im Betrieb; als Fahrzeughalter, Hauseigentümer, als Unternehmer etc. Das Leben jedes Einzelnen soll auf den Kriegsfall eingestellt sein, damit dieser niemanden unvorbereitet treffe.

Das Bereitschaftsstadium gleicht nach der Denkschrift einer totalen Mobilmachung; in ihm ist jeder Staatsbürger praktisch den unbeschränkten Weisungen staatlicher Stellen unterstellt und jede persönliche Freiheit aufgehoben, jedermann ist sozusagen nur noch Befehlsempfänger. Das Kriegsrecht kann praktisch im Innern verhängt werden, ohne daß irgendwelche Feindseligkeiten von außen stattgefunden hätten. Die Entscheidung für alle derartigen Maßnahmen läge allein bei der Bundesregierung, die nicht einmal verpflichtet ist, die Volksvertretung auch nur anzuhören. Lediglich wenn Bundestag und Bundesrat es beide zusammen verlangen, können derartige. Anordnungen der Bundesregierung rückgängig gemacht werden. Dieser Passus wurde schließlich auf Drängen des Bundesrates noch in den Entwurf aufgenommen.

In dem folgenden Abschnitt werden die Erfolgsaussichten aus all diesen möglichen Maßnahmen — die, wie es den Anschein hat, einen totalen Krieg einkalkulieren wollen, einen totalen Krieg allerdings, wie er sich nicht einmal in den Jahren 1943—1945 bei uns abgespielt hat — kritisch betrachtet.

Nach den eigenen Vorstellungen des Bundesinnenministers („so sähen Sie Todeszonen von unerhörtem Ausmaß mit Inselstreifen, in denen vielleicht noch eine gewisse Ordnung aufrecht erhalten werden kann“) soll dieser totale Krieg als Ausgangsbasis für die Planung angenommen werden.

Mit Recht wird in dem Memorandum auf die Fragwürdigkeit der gesamten Konzeption hingewiesen. Was soll die Verplanung und Inpflichtnahme der ganzen Bevölkerung, wenn man selbst nur mit Inselstreifen eines Überlebens rechnet? Was sollen die Evakuierungspläne, wenn nicht einmal feststeht, welche Gegenden nach dem ersten Schlagabtausch überhaupt noch ein Leben ermöglichen. Selbst das Bundesinnenministerium halte den größten Teil der geplanten Maßnahmen im Kriegsfall für unsinnig.

Im folgenden Kapitel wird in der Denkschrift der Nachweis erbracht, daß die Grundgesetzartikel, die als Grundlage für die neue Gesetzgebung herhalten sollen, eindeutig nur wegen der Wehrpflichtgesetzgebung im März 1956 eingeführt wurden und, wie z. B. der Art. 17 a, nach dem im Verteidigungsfall die Grundrechte der Freizügigkeit und der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Gesetze aufgehoben werden können, nur im Zusammenhang mit den Streikräften gesehen werden kann. Der Rechtsausschuß habe in seinem schriftlichen (2.) Bericht auch (seinerzeit) ausdrücklich darauf hingewiesen: „Sämtliche Änderungen des Grundgesetzes, die hier vorgeschlagen werden, sollen der Einordnung der Bundeswehr in den verfassungsmäßigen Aufbau des Staates dienen“(!).

Durch die geplanten Gesetze wird, nach Ansicht der Staatsrechtler Prof. Ridder und Dr. Stein, ein großer Teil der Freiheiten, die im Grundgesetz beispielsweise durch die Art. 2, 8, 9, 11, 12, 13 und 14 verankert sind, eingeschränkt oder beseitigt.

Es ist der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler selbstverständlich auch klar, daß eine von der Bundesregierung angestrebte totale Verteidigungsbereitschaft nicht zu erreichen ist, wenn nicht bestimmte Freizügigkeiten eingeschränkt und weitgehende Einberufungen der Einzelnen zum Zivildienst befohlen werden können. Aber diese totale Verteidigungsbereitschaft schließe die Freiheitlichkeit, die notwendig auch ein gewisses Maß an Unsicherheit beinhalte, völlig aus. Was nütze uns diese totale Verteidigungsbereitschaft überhaupt, wenn sie das Risiko eines Überfalls nur so geringfügig vermindern könne.

Im letzten Abschnitt des Memorandums weisen die Verfasser mit großem Nachdruck darauf hin, daß alle Anstrengungen, die für eine Zivile Verteidigung, insbesondere auf dem Gebiet des Selbstschutzes, gemacht werden sollten, auf freiwilliger Basis erfolgen sollten. Sie erinnern an den positiven Rechtsschutz im Grundgesetz, an das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit. Beim Eintreten der Not — beim Chaos — könne man sich nicht auf Befehlsempfänger verlassen, wenn die Befehle nicht mehr erteilt werden können; da komme es auf die Initiative des Einzelnen an, dem Unglück entgegenzuwirken und in Verantwortung für die Mitmenschen entsprechend zu handeln.

In der bereits zitierten Bundestagssitzung befürchtet der Abgeordnete Lünenstraß (SPD), daß die Regierung den Vorrang der Freiwilligkeit nur so en passant zum Ausdruck gebracht, in Wirklichkeit aber die Segel (in dieser Frage) bereits vorzeitig gestrichen habe.

Daß dieser Verdacht nicht ganz unberechtigt war, ging in der letzten Novemberwoche aus Pressemeldungen hervor, nach denen vom Bundeskabinett ein (anscheinend weiteres) Zivildienstgesetz verabschiedet worden sein soll, das bereits bestimmte Jahrgänge für die Inpflichtnahme auf dem Wege der Einberufung vorsieht.

Die in dem Memorandum der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler zum Ausdruck gebrachten Sorgen und Warnungen kommen gewiß nicht zu früh und — hoffentlich — nicht zu spät!

Wenn schon im Frieden alle Interessen den Belangen der Landesverteidigung untergeordnet werden sollen, dann wird die Freiheit aufgegeben, noch ehe ein Angriff auf sie begonnen hat.

„Eingedenk den Erfahrungen der nazistischen Herrschaft”, so stellen die Wissenschaftler fest, „stellen wir uns vor diese Verfassung und fordern von unserer Regierung, daß sie, getreu ihrem Amtseid, diese freiheitliche, demokratische Grundordnung wahrt und verteidigt.”

Nur wenn sich die Parlamentarier, die von uns gewählten Vertreter unseres Volkes, diesen Appell zu Herzen gehen lassen und sich und uns vor Mißbrauch der staatlichen Gewalt durch ihre Tätigkeit in den Ausschüssen und bei der Stimmabgabe im Parlament schützen, dürfen wir hoffen, daß der gefahrvolle Weg, den die jetzigen Gesetzentwürfe öffnen könnten, versperrt bleibt.

Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e. V.: Der permanente Notstand, Oktober 1963, erschienen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.

nach oben