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Das ewig Weibliche zieht ihn hinab: Rudolf Wassermann

vorgängevorgänge 8105/1986Seite 14-15

Aus: vorgänge Nr. 81, Heft 3/1986, S. 14-15

Die Geschichte vermag viele Männer als Beispiel zu nennen, die durch zu gute Beziehungen zu Frauen ihren Ruf ruiniert haben. Rudolf Wassermann, Präsident des OLG Braunschweig und eines der bedeutendsten Mitglieder des Deutschen Richterbundes zeigt, dass auch eher problematische Beziehungen ruinös sein können.

Auf der letzten Jahressitzung der Oberlandesgerichtspräsidenten in Berlin wurde auch das neue Auswahlverfahren für Proberichter in Niedersachsen angesprochen, nach dem für die Einstellung nicht nur die Examensnoten herangezogen werden sollen, sondern die Bewerber von drei durch ein gewerbliches Psychoinstitut geschulten Interviewern aus dem Justizbereich – nicht zufällig ausschließlich Männer – anschließend in einem 90minütigen Gespräch getestet und benotet werden; geprüft wird die »Persönlichkeit« – von der Kleidung bis zur Staatsloyalität. Die nieder-sächsischen OLG-Präsidenten hegen Vorbehalte gegen dies Verfahren, weil sie so einen Teil ihrer Kompetenz an die Interviewer verlieren. Der Staatssekretär Rehwinkel im niedersächsischen Justizministerium sieht gar im Hintergrund das Gespenst des Richterwahlausschusses.

Wassermann hat nun versucht, seinen Kollegen das neue Verfahren schmackhaft zu machen. Frauen könnten mit besseren Examensnoten aufwarten als ihre männlichen Kollegen. Seien ausschließlich Examensnoten maßgebend, so warnte Wassermann nach dem Text des Protokolls, »…würde das dazu führen, dass in Bälde überwiegend Frauen in der Justiz tätig seien. Die Entwicklung dürfte erhebliche Probleme wegen der Einsatzfähigkeit geben«. Wassermann wurde von dem Präsidenten des OLG Schleswig Dr. Kuthning – früher Landesgerichtspräsident in Braunschweig – unterstützt.

Im Zusammenhang gelesen kann die nur bedeuten, dass das neue Auswahlverfahren die Möglichkeit bietet, unkontrollierbar Frauen bei der Wertung ihrer Persönlichkeit schlechtere Noten zu geben und so bessere Examensnoten zu kompensieren, um die gewünschte geringere Einstellungsquote von Frauen zu erreichen und »verwaltungsgerichtssicher« zu begründen. Aus dem Text des Protokolls ergibt sich dies freilich nicht. Aber die anderen OLG-Präsidenten werden ihren Kollegen schon verstanden haben.

Wassermann hätte gewarnt sein müssen, sich vor diesem Gremium so freimütig zu Protokoll zu äußern. Vor Jahren, als er noch Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen war, hatte er vor seinem Bundesvorstand gegen die Berufsverbote gewettert bis ihm ein Protokoll eben dieser Oberlandesgerichtspräsidentenkonferenz vorgehalten wurde, in dem er sich für die Berufsverbote eingesetzt hatte. Teilnehmer haben seine anschließende Erklärung so verstanden, dass man sich eben dem jeweiligen Gremium anpassen müsse, vor dem man spreche.

Während Kuthning schlau schwieg, machte Wassermann die Sache durch eine Rundumverteidigung nur noch schlimmer. Dem SPIEGEL sagte er, er sehe zu viele »junge Damen (in der Justiz), die hoffnungslos überfordert seien. (Sie könnten) einfach nicht leisten, was Männer leisten, (weil) sie nicht nur doppelt, sondern geradezu dreifach belastet« seien. Wassermann will nur Gutes für die jungen Juristinnen, zwar keine Anstellung in der Justiz, aber »dass sie in Ruhe ihre Kinder bekommen und sie auch großziehen können«. Gegenüber der dpa fügte er noch hinzu: »Die jungen Frauen fallen oft im Dienst aus, weil sie Kinder bekommen und aufziehen müssen. Sie stehen auch wegen der Mehrfachbelastung durch Beruf, Haushalt und Kind für die wichtigen Nebenaufgaben in der Justiz als Prüfer und Ausbildungsleiter oft nicht zur Verfügung«. Deshalb dürften für die Einstellung nicht allein Examensnoten herangezogen werden. Statt dessen sei ein Gesamtwürdigung der Persönlichkeit notwendig. In der »tageszeitung« formulierte Wassermann noch allgemeinverständlicher: »Wenn wir wieder eine Frau nehmen, haben wir wieder das ganze Theater«.

Jetzt hat zunächst Wassermann selbst das ganze Theater. Was das Protokoll der Konferenz der OLG-Präsidenten nicht offenbarte, sondern sich nur aus dem Zusammenhang erschloß, ist jetzt öffentlich eingestanden. Niedersachsens Justizminister Walter Remmers »fiel beinahe der Löffel aus der Hand«, wie er es ostfriesisch direkt formulierte. Sein neues, nur Insidern bekanntes, Einstellungsverfahren ist in Misskredit geraten.

Die niedersächsischen Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft ÖTV haben ihm aus gutem Grund von vornherein nicht zugestimmt. Jetzt fordern sie, dass — wenn das Verfahren beibehalten werden sollte — mindestens die Hälfte der »Interviewer« Frauen sein müssen und dass Wassermann aus dem Einstellungsverfahren ausgeschaltet wird.

Trotz aller berechtigten Kritik: Wassermann hat sich auch Verdienste erworben. Er hat öffentlich und beweisbar gemacht, was andere Männer — schlauer, nicht klüger — zwar auch denken, aber nicht aussprechen. Er hat auch die Beförderungsstrukturen der Justiz öffentlich gemacht. Wassermann gegenüber der »tageszeitung«: »Außerdem leidet die Einsatzfähigkeit der Frauen durchweg darunter, dass sie aufgrund ihrer Mehrfachbelastung nicht in der Lage sind, wichtige Nebenaufgaben, z.B. als Prüfer und Ausbildungsleiter für Referendare zu übernehmen. Deshalb sind auch so wenig Frauen in den höheren Ämtern der Justiz«. Also: Beförderung nicht nach richterlichen Fähigkeiten, sondern nach dem Grad der Gefälligkeit gegenüber der Justizverwaltung, diese Nebenaufgaben zu übernehmen. Und: die Justizverwaltung entscheidet frei, welchen Richter sie mit diesen Nebenaufgaben betraut und steuert so frühzeitig Richterkarrieren. Man sollte daran denken, wenn man vor einem Gericht höherer Instanz steht oder auch nur dessen Entscheidungen liest.

Wassermann sei für seine eher unfreiwillige Offenheit Dank. Man kann verstehen, dass Remmers der Löffel aus der Hand fiel.

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