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Die Müh(l)en der Gesetz­ge­bung

30. April 2009

Gesetzentwürfe zu Patientenverfügung weiter umstritten. Aus: Mitteilungen Nr. 204 (1/2009), S. 8/9

Nina Eschke

Eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen ist notwendig. Darüber waren sich die neun Sachverständigen, die am 4. März zu einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags geladen waren, einig. Wie diese Regelung konkret aussehen soll, ist allerdings nach wie vor umstritten. Die Experten äußerten sich zu den drei Gesetzentwürfen zu Patientenverfügungen, die dem Bundestag zurzeit vorliegen. Bei der Anhörung zeichnete sich keine eindeutige Favorisierung der Entwürfe ab. Rund 350 Parlamentarier haben einen der Gesetzentwürfe unterschrieben, 250 Abgeordnete haben sich noch keinem Entwurf zugeordnet. Sollten sich die Abgeordneten bis zur Sommerpause nicht einigen, wäre die lang überfällig gesetzliche Regelung der Patientenverfügungen einmal mehr gescheitert. Es bliebe dann bei den durch die Rechtssprechung aufgestellten Regelungen für Patientenverfügungen – für die Betroffenen ein unbefriedigender Zustand.

Patien­ten­ver­fü­gungen immer populärer, aber ohne Rechts­si­cher­heit

Seit über dreißig Jahren werden Patientenverfügungen in Deutschland genutzt, um die Wünsche über die medizinische (Nicht-) Behandlung und die Gestaltung des eigenen Lebensendes durchzusetzen. Experten schätzen, dass etwa neun Millionen Menschen in Deutschland eine Patientenverfügung hinterlegt haben. Dass die Verfügungen immer populärer werden, erstaunt nicht in einer alternden Gesellschaft, in der eine fortschreitende Intensivmedizin immer mehr lebenserhaltende Maßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten anbietet. Nachdem die Ärzteschaft ihre anfängliche Ablehnung der Patientenverfügungen überwinden konnte, haben sich die Verfügungen im Krankenhausalltag längst etabliert. Auch die Mediziner haben inzwischen erkannt, dass die Verfügungen ihre Arbeit erleichtern können.
Mit der breiten Anerkennung, die Patientenverfügungen heute erfahren, korrespondiert jedoch eine große Unsicherheit, unter welchen Bedingungen sie gültig sind. Der Bundesgerichtshof hat zwar mehrfach bestätigt, dass Patientenverfügungen verbindlich sind. Die Wirksamkeit der Verfügungen leitet sich aus dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten ab. Das gilt auch bei medizinischen Behandlungen. Selbst wenn eine Behandlung das Leben eines Patienten retten würde, darf sie nicht gegen dessen Willen erfolgen. Wird sie trotzdem durchgeführt, ist das eine Körperverletzung. Aus der Praxis werden immer wieder Fälle bekannt, wo Ärzte oder das Pflegepersonal den in der Verfügung dargelegten Patientenwillen ignorieren. Zur Begründung wird dann angeführt, dass keine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit vorlag oder die Basisversorgung nicht abgelehnt werden dürfe. Über die Frage, für welche Arten und Stadien von Erkrankungen Patientenverfügungen gelten sollen, wird immer wieder gestritten. Oft bleibt den Betroffenen und ihren Angehörigen nichts anderes übrig, als zum Vormundschaftsgericht zu gehen. Sie setzen sich der Belastung langwieriger Gerichtsverfahren aus, in der Hoffnung, dass die Wünsche der Betroffenen letztendlich doch erfüllt werden.
Dass Fürsorge und Hilfe gegenüber Sterbenden nicht in einem rechtsfreien Raum stattfinden, scheint nun endlich auch beim Gesetzgeber anzukommen. Die politische Diskussion um mehr Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten im Umgang mit Patientenverfügungen hat begonnen. Dazu liegen drei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe vor. In ihnen wird darüber gestritten, wann das Leben zu schützen ist und wann nicht; ob der Wille eines Menschen automatisch für alle Arten und Stadien von Erkrankungen gelten soll (Reichweitenfrage); ob der Patient seinen Willen schriftlich oder mündlich festlegen muss; ob das Verfügte wirklich sein letzter Wille ist; ob und wann diese Willenserklärung für Ärzte, Pflegepersonal und Betreuer verbindlich ist.

Die drei Gesetz­ent­würfe
Meinung der Experten
Nina Eschke

Die Gesetzentwürfe sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen aus der Anhörung vom 4. März 2009 finden sich auf der Internetseite des Deutschen Bundestages unter:

http://www.bundestag.de/ausschuesse/

a06/anhoerungen/45_Patientenverf__gung/index.html.

Kategorie: Patientenverfügung: Gesetzgebung

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