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Kampagne zu Sterbehilfe und Patien­ten­rechten

29. November 2007

Theodor Ebert & Sophie Rieger

Mitteilungen Nr. 199, Seite 19 – 20

Die Delegiertenkonferenz in Hannover beschloss am 23. September sowohl einen Gesetzentwurf, der die aktive Sterbehilfe straffrei stellt, sowie einen Gesetzentwurf, der den Status von Patientenverfügungen als verbindlich anzuerkennende Willenserklärungen sichern soll. Zugleich sprachen sich die Delegierten dafür aus, zur Durchsetzung dieser Gesetzentwürfe eine Kampagne durchzuführen.

Sterbehilfe

Für die Humanistische Union als Bürgerrechtsorganisation ist die Durchsetzung des Grundsatzes der Selbstbestimmung immer ein zentrales Anliegen gewesen. Das galt sowohl bei der Reform des Sexualstrafrechtes wie bei der Reform des § 218 StGB – Reformen, an denen die Humanistische Union entscheidend mitgewirkt hat. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende wird zwar prinzipiell in unserer Recht-sprechung anerkannt, darum ist etwa der Freitod (und die Beihilfe dazu) nicht strafbar. Gleichwohl sprechen sich ärztliche Standesorganisationen (noch) gegen den ärztlich assistierten Suizid aus. Darüber hinaus enthält auch unser Strafrecht eine Ausnahme, nämlich den Fall der Tötung auf Verlangen, die aktive Sterbehilfe (§216 Strafgesetzbuch – StGB). Derzeit lautet der § 216 StGB:

§ 216 Tötung auf Verlangen
(1)  Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren zu erkennen.
(2)  Der Versuch ist strafbar.

Die von der Delegiertenkonferenz beschlossene Neufassung des § 216 StGB sieht dagegen eine weitgehendes Recht auf Sterbehilfe vor. Diese lautet:

§ 216 Tötung auf Verlangen
Nicht rechtswidrig sind Handlungen in Fällen
1.  des Unterlassens oder Beendens eines lebenserhaltenden medizinischen Maßnahme, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht,
2.  der Anwendung einer medizinisch angezeigten leidmindernden Maßnahme, die das Leben als nicht beabsichtigte Nebenwirkung verkürzt,
3.  einer Tötung auf Grund des ausdrücklichen und ernstlichen Verlangens des Getöteten.

In diesem Vorschlag betreffen die Punkte 1 und 2 die passive und die sog. indirekte Sterbehilfe. Sie schreiben ein – bisher nur als Richterrecht – geltendes Recht fest, das von Ärzten teilweise schon angewandt wird. Mit dem dritten Punkt dagegen verlangt die HU die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. Ein Missbrauch dieser Regelung ist ausgeschlossen, weil die Regelung auf das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten verweist, welches vor Gericht notfalls nachzuweisen ist. Dieses Kriterium hat sich in der strafrechtlichen Praxis bewährt, wo es etwa zur Unterscheidung zwischen einer Tötung auf Verlangen und den Tötungsdelikten Mord und Totschlag angewandt wird.

Patientenverfügung

Der von den Delegierten beschlossene Gesetzesvorschlag zur Patientenverfügung zielt darauf ab, den Patientenverfügungen endlich einen wirklich verbindlichen Status zu geben. Vertreter verschiedener Parteien haben in der Bundestagsdebatte vom Sommer dieses Jahres versucht, die rechtliche Wirksamkeit der Patientenverfügungen nur unter bestimmten Bedingungen, etwa dem Vorliegen einer irreversibel tödlichen Krankheit, gelten zu lassen und damit bestehende Patientenrechte wieder einzuschränken. („Reichweitenbegrenzung“ im Gruppenantrag  der Abgeordneten Bosbach (CDU), Röspel (SPD), Winkler (Grüne) und Fricke (FDP).) Gegenüber diesen Bestrebungen ist es notwendig, hier offensiv die Rechte der Patienten zu verteidigen.

Kampagne

Gegen die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe werden sich die Kirchen und die Hospizvereine, werden sich ärztliche Standesvertreter, werden sich Politiker (insbesondere solche der C-Parteien) wenden. Aber die von der HU vertretene Position wird von der großen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland geteilt. Gleiches gilt auch für unsere Position zur Verbindlichkeit der Patientenverfügungen. Daher wurde beschlossen, es nicht bei der Forderung einer Änderung des geltenden Rechtes zu belassen, sondern die Forderung nach Legalisierung der aktiven Sterbehilfe und nach Stärkung der Patientenrechte auch zum Gegenstand einer Kampagne zu machen. Eine solche Kampagne ist dann am ehesten erfolgreich, wenn sie ein klar definiertes und erreichbares Ziel hat und wenn das damit verbundene Anliegen auf eine möglichst breite Unterstützung in der Bevölkerung und in der Öffentlichkeit stößt.
Unsere Kampagne hat ein klar definiertes Ziel, die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe und die Stärkung der Patientenrechte. Es ist ein erreichbares Ziel, weil sich die Parteien einer großen Mehrheit der Bevölkerung auf Dauer nicht werden widersetzen können.
Dennoch ist der Widerstand, der von unseren Gegnern ausgeht, nicht zu unterschätzen. Diese Kampagne bietet aber auch die Möglichkeit, die Humanistische Union als Bürgerrechtsorganisation wieder weiteren Kreisen der Bevölkerung bekannt zu machen. Wenn die von der Delegiertenkonferenz beschlossene Kampagne tatsächlich erfolgreich sein soll, dann müssen die Forderungen der HU zunächst einmal presseöffentlich gemacht werden, etwa durch Presseerklärungen, durch Leserbriefe (die jede und jeder schreiben kann), durch öffentliche Veranstaltungen.

Öffentlichkeitsarbeit

In Erlangen fand am 16. November in Zusammenarbeit mit der örtlichen Volkshochschule und mit Unterstützung weiterer Verbände, u.a. der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, dem Bund für Geistesfreiheit und der Petra-Kelly-Stiftung, bereits eine Podiumsdiskussion zum Thema „Selbstbestimmung auch am Lebensende?“ statt. Bei dieser Veranstaltung hat Till Müller-Heidelberg die Position der HU vertreten. Die Thematik dieser Veranstaltung soll in einem Seminar am 1. Dezember („Patientenautonomie und menschenwürdiger Tod“) ebenfalls in der Volkshochschule Erlangen vertieft werden. Mittelfristig werden wir auch durch Anzeigen in der überregionalen Presse, mit in der Öffentlichkeit bekannten prominenten Unterstützern, auf unsere Forderungen aufmerksam machen müssen. Solche Anzeigen kosten Geld, wie überhaupt die Arbeit, die mit einer solchen Kampagne verbunden ist, ohne zusätzliche finanzielle Mittel (vielleicht für eine eigene Mitarbeiterstelle in der Geschäftstelle in Berlin) nicht zu leisten ist. Daher die Bitte an alle Mitglieder, diese Kampagne auch durch eine Spende zu unterstützen. (Spendenkonto der HU: 30 74 200, Bank für Sozialwirtschaft Berlin BLZ 100 205 00, Stichwort: Kampagne Sterbehilfe/Patientenrechte).
Schließlich gilt es, zu weiteren Verbänden, zu den Parteien und ihren Unterorganisationen Kontakte herzustellen. Auf die Parteien können wir Druck ausüben, etwa indem den Kandidaten für die Bundestags- und Landtagswahlen in den nächsten Jahren Wahlprüfsteine vorgelegt werden, auf denen sie zu einer Stellungnahme zu den von der HU beschlossenen Gesetzesvorschlägen aufgefordert werden.
Es gibt also einiges zu tun. Und wie immer gilt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Theodor Ebert und Sophie Rieger
sind aktiv im Regionalverband Nordbayern der Humanistischen Union

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