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„Mein Ende gehört mir!“ - Konfe­renz­be­richt

11. Oktober 2014

Rosemarie Will

Mittelungen Nr. 224 (Heft 2/2014), S.10-12

Am 11. Oktober 2014 veranstaltete das Bündnis „Mein Ende gehört mir!“ in der TU Berlin eine Konferenz zu den aktuellen Problemen der Sterbehilfe. Das Thema ist momentan besonders aktuell, da Gesundheitsminister Gröhe und CDU-Fraktionschef Volker Kauder sich kürzlich für ein gesetzlich geregeltes Verbot jeglicher organisierter Sterbehilfe ausgesprochen haben. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll durch den Abgeordneten Michael Brand (CDU) erarbeitet und initiiert werden. Demnach sollen nicht nur Organisationen, sondern auch Einzelpersonen und Ärzte strafrechtlich belangt werden, wenn sie Sterbenden regelmäßig ihre Hilfe anbieten.

Hinzu kommt, dass in der Musterordnung der Bundesärztekammer 2011 (MBO-Ä) in § 16 den Landesärztekammern empfohlen wurde, in die rechtlich verbindlichen Satzungen der Landesärztekammern das berufsrechtliche Verbot der Suizidbeihilfe für Ärzte aufzunehmen („Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“). Von den 17 Landesärztekammern haben 10 ein solches Verbot in ihre Berufsordnungen aufgenommen. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind dem berufsrechtlichen Verbot der Suizidbeihilfe für Ärzte nicht gefolgt. Die Berufsordnung in Westfalen-Lippe hat zwar kein Verbot geregelt, aber empfohlen, Ärzte „sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“.

Da auch in der Regierungskoalition keine Einigkeit über diese Verbote besteht, ist vereinbart worden, dass die Abstimmung fraktionsintern freigegeben wird. Man hat folgenden Zeitplan für einen Gesetzgebungsprozess entwickelt: Nach einer fraktionsübergreifenden Orientierungsveranstaltung im Bundestag und fraktionsinternen Gesprächen sollen im 4. Quartal 2014 eine Gruppenfindung und die Erarbeitung der einzelnen Gesetzentwürfe sowie die Wahl der Gruppensprecher stattfinden. Die Erste Lesung der verschiedenen Entwürfe soll im 1. Quartal 2015 stattfinden. Eine Anhörung im BT-Ausschuss soll im 2. Quartal 2015, und die 2./3. Lesung im 3. Quartal 2015 stattfinden.

Wir haben gegen beide Bestrebungen, gegen organisierte Sterbehilfe strafrechtlich vorzugehen und den Ärzten berufsrechtlich die Suizidbeihilfe zu verbieten, immer wieder ausdrücklich Stellung genommen. So haben wir gegen den gescheiterten Entwurf der Vorgängerregierung zur Bekämpfung organisierter Sterbehilfe in einem Gutachten für das Justizministerium ausführlich Stellung genommen (siehe unsere Webseite) und dieses auch im Innen- und Rechtsausschuss des Bundestages vorgetragen (BT Drs. 17/11126 und Bericht darüber in den Mitteilungen 217). Dasselbe wäre nun grundsätzlich zu dem angekündigten Entwurf von Bauer, Gröhe, Kauder u.a. zu wiederholen. Auch das berufsrechtliche Verbot der Suizidbeihilfe für Ärzte haben wir von Anfang an als verfassungswidrig gekennzeichnet. Wir haben in unseren Mitteilungen (218/219) dazu Stellung bezogen und nach Ärzten gesucht, gegen die wegen geleisteter Sterbehilfe berufsrechtlich vorgegangen wird, um sie verfassungsgerichtlich zu unterstützen. Das konnten wir bis jetzt nicht realisieren, weil die Landesärztekammern ihr Verbot entweder nicht mit entsprechenden Sanktionen durchsetzen oder, wenn es zu Sanktionen kommt, diese bereits von den Verwaltungsgerichten aufgehoben werden.

Gegen beides, das Verbot der organisierten Sterbehilfe und das Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe hat sich nun ein außerparlamentarisches, zivilgesellschaftliches Bündnis gebildet, dem wir angehören und das mit der Tagung über die aktuellen Probleme der Sterbehilfe aufklären und zugleich die gesellschaftlichen Kräfte gegen beide Vorhaben sammeln will. Dem Bündnis gehören außer uns die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), der Humanistische Verband (HVD), die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW), der Bund für Geistesfreiheit (BfG) Bayern, der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und die Atheistische Hochschulgruppe Berlin an.

Im ersten Teil der Tagung gab es vier Impulsreferate: Priv. Doz. Dr. med. Meinolfus W. M. Strätling hielt ein informatives Referat zu „Suizidhilfe – Medizinische Hintergründe und ärztliche Verantwortung“. Er plädierte leidenschaftlich gegen jede Art von Zurückfallen hinter geltendes Recht und konstatierte, dass die gegenwärtigen Bemühungen um Strafverschärfung eine großangelegte Desinformations-Kampagne seien. Er hat uns freundlicherweise seine Powerpoint-Präsentation zur Verfügung gestellt. Bei Interesse können Sie sich diese von der HU-Geschäftsstelle zusenden lassen. HU-Miglied Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf referierte zum Thema „Warum eine Strafbarkeit der Suizidbeihilfe Unsinn wäre“. Ausführlich erläuterte und kritisierte er den von Borasio, Jox, Taupitz und Wiesing vorgelegten Gesetzesvorschlag zur Regelung des assistierten Suizids. Nach diesem Vorschlag soll Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Davon sollen wiederum Ausnahmen gemacht werden: „Angehörige oder dem Betroffenen nahestehende Personen“ sind nicht strafbar. Zum anderen aber soll auch ein Arzt bei der Suizidbeihilfe „nicht rechtswidrig“ handeln, sofern mehrere Bedingungen erfüllt sind: etwa, dass „der Patient an einer unheilbaren, zum Tode führenden Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leidet“. Gemessen am jetzigen Rechtsstand, in dem der assistierte Suizid straffrei ist, wäre dies eine Strafverschärfung. Hilgendorf argumentierte überzeugend, dass mit einer solchen Strafverschärfung den Bedürfnissen Sterbenskranker nicht Rechnung getragen wird. Im dritten Impuls-Referat wandte sich Prof. Dr. R. Roßbruch dem Betreuungsrecht und der Patientenautonomie am Lebensende vor allem aus der Sicht der Pflegeeinrichtungen und Pflegebedürftiger zu. Er stellte einen Gesetzesvorschlag vor, den er als Patientenrecht ins BGB einfügen will, um eine legale Option zu eröffnen, in einem entscheidungsfähigen Zustand mit Hilfe eines Arztes das eigene Leben selbstbestimmt beenden zu können. Den Abschluss bildete ein Referat „Recht auf letzte Hilfe“ von Uwe-Christian Arnold. Er stellte sich als Arzt vor, der in ca. 200 Fällen Sterbewilligen geholfen hat und der deswegen auch schon verwaltungsgerichtlich zur Verantwortung gezogen werden sollte, von den Gerichten aber bisher immer Recht bekam. Aus seiner praktischen Sicht der Dinge entwickelte er ein Konzept des begleiteten Suizids, das auch als Hilfe zum Leben verstanden werden muss. Er konnte dabei ausführlich aus seinem soeben bei Rowohlt erschienen Buch „Letzte Hilfe“ schöpfen.

Am Nachmittag schloss sich eine Podiumsdiskussion mit Elke Baezner (Präsidentin der DGHS), Meinolfus Strätling, Erwin Kress (HVD), Eric Hilgendorf. Robert Roßbruch , Rosemarie Will (Bundesvorstand HU) und Uwe-Christian Arnold an, die von Michael Schmidt-Salomon (Giordano-Bruno-Stiftung) moderiert wurde. Am Ende zeigte sich deutliche Einigkeit in den Punkten der Ablehnung staatlicher Sanktionen gegen organisierte Sterbehilfe und der Forderung nach Straffreiheit für die Beihilfe assistierten Suizids. Die berufsrechtlichen Verbote für Ärzte beim Suizid sind aufzuheben. Ob und wie sich das Bündnis hierbei auf einen Regelungsvorschlag für die aktuelle Gesetzgebungsdebatte verständigen wird, blieb hingegen offen.

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