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Musterklage gegen Konkor­dats­lehr­stühle in Bayern: Stellung­nahme der Bundes­re­gie­rung

11. September 2009

Aus: Mitteilungen Nr. 205/206 (2+3/2009), S. 43

Mit Schreiben vom 9. April 2009 hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der EU-Kommission geantwortet, welche in den Bekenntnisvorbehalten bei der Besetzung der Lehrstühle einen Verstoß gegen die europäische Anti-Diskriminierungsrichtlinie (2000/78/EG) vermutet (s. Mitteilungen 204, S. 28). Die Gegenargumentation der Bundesregierung: Das Konkordat des Freistaats mit dem Heiligen Stuhl vom 29.3.1924, aus dem sich die Beteiligung der Kirchenvertreter bei der Besetzung der Lehrstühle ergebe, sei gegenüber den später abgeschlossenen EG-Verträgen vorrangiges Völkerrecht; dies ergebe sich aus den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts („pacta sunt servanda“) und der sog.

Unberührtheitsklausel in Art. 307 Abs. 1 EG-Vertrag, wonach vor dem 1. Januar 1958 abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarungen durch das Gemeinschaftsrecht nicht angetastet werden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die derzeitigen Regeln zur Besetzung der Konkordatslehrstühle erst durch Gesetze von 1968 bzw.1974 eingeführt wurden, so die Bundesregierung. Analog sei der Europäischen Gemeinschaft die Kompetenz für Antidiskriminierungsfragen auch erst mit dem Vertrag von Amsterdam (1999) zugewachsen, also nach den staatskirchenrechtlichen Vereinbarungen.

Die Bundesregierung will in ihrer Stellungnahme auch keinen Widerspruch zwischen der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie und dem deutschen Staatskirchenrecht sehen. Die im EG-Vertrag enthaltene Verpflichtung, Widersprüche zwischen völkerrechtlichen Verpflichtungen aufzulösen, wehrt sie mit Verweis auf die nationale Identität Bayerns ab: „Eine Anwendung von Art. 307 Abs. 2 EGV auf das Konkordat erscheint auch deshalb problematisch, weil die Regelungen des Konkordats grundlegend das Verhältnis des Staats zur Kirche und damit – soweit der Freistaat Bayern betroffen ist – die nationale Identität des Mitgliedstaats prägen.“ Man darf gespannt sein, wie die Kommission darauf reagiert.

Alle Informationen und Schriftwechsel zur Musterklage gegen die Konkordatslehrstühle unter: www.konkordatslehrstuhlklage.de.

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