Überzeugungen und Kabinettsdisziplin. Ministerielle Mitgliedschaft ist auch ein Bürgerrecht
Datum: | Mittwoch, 20. Juni 2001 |
---|
Stellungnahme zur Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Werner Siemann
Eintreten für Bürgerrechte verlangt mitunter auch das Bürsten gegen den Strich. Dass man sich damit bei vielen unbeliebt macht, liegt auf der Hand. Die Schüsse des Bundestagsabgeordneten Werner Siemann (CDU) gegen die HUMANISTISCHE UNION (HU) wertet Deutschlands älteste Bürgerrechtsorganisation aber als Beweis ihrer Geradlinigkeit.
Siemann wollte in der Fragestunde des Deutschen Bundestags am 20. Juni von der Bundesregierung wissen, wie die Mitgliedschaften der drei Ministerinnen Renate Künast, Herta Däubler-Gmelin und Heidemarie Wieczorek-Zeul in der HUMANISTISCHEN UNION vor dem Hintergrund bewertet werden, dass die HU eine Beteiligung am Kosovo-Krieg von Anfang an abgelehnt hat. Auslöser seiner Anfrage war, dass die HU am 10. Juni eine Gruppe von 28 Pazifistinnen und Pazifisten mit dem renommierten Fritz-Bauer-Preis ausgezeichnet hat. Während des Kosovo-Krieges hatten diese einen Aufruf zur Verweigerung an die deutschen Soldaten im Kosovo gerichtet.
In der Antwort führte der parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper für das Bundesministerium des Innern aus, dass die genannten Ministerinnen der Bürgerrechtsorganisation nicht in ihrer Eigenschaft als Regierungsmitglieder angehören und die Bundesregierung somit keinen Anlass sehe, die Aktivitäten der HU zu bewerten. Die Ministerinnen seien außerdem schon HU-Mitglieder gewesen, als sie noch nicht damit rechnen konnten, Mitglieder der Bundesregierung zu werden.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass weitere prominente Mitglieder der Bundesregierung und des Deutschen Bundestags in der HU aktiv sind oder es in der Vergangenheit waren. Sie sind dies nach Überzeugung der Bürgerrechtler aus gutem Grunde. Schließlich tritt die HU für die Verwirklichung von Bürger- und Menschenrechten in Deutschland ein.
Dabei hält die HU auch künftig eine Kritik an einzelnen Aktivitäten der Bundesregierung für wahrscheinlich und notwendig. So prangert sie auch die Strafverfahren gegen die 28 Träger des Fritz-Bauer-Preises an, die bisher in den allermeisten Fällen mit Freisprüchen endeten.
Die Hintergründe der Preisverleihung und der Strafverfahren sind dokumentiert im soeben erschienenen Grundrechtereport 2001 . Der von der Gustav-Heinemann-Initiative (GHI), dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen (BAKJ) und der HU herausgegebene Jahresband zeigt die Hintergründe dieses Krieges und ihre vierfache Verfassungswidrigkeit auf (Jochen Goerdeler: „Gehorsam statt Völkerrecht“, S. 206 ff.).
Wer aktives Eintreten für die Verfassung inkriminieren will, der bietet seinerseits nach Auffassung der HU keine Gewähr dafür, seine Aufgabe als Volksvertreter im Sinne der Verfassung zum Wohle der Allgemeinheit wahrzunehmen. Solange eine kritische Bürgerrechtsorganisation wie die HU Mitglieder im Kabinett hat, bestehe noch guter Grund zur Hoffnung, dass die Bürgerrechte von der Regierung ernst genommen werden.