Beitragsbild Foltervorwurf in der JVA Augsburg-Gablingen Quelle: Tobias "ToMar" Maier. Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0
Pressemeldungen / Strafvollzug

Folter­vor­wurf in der JVA Augsbur­g-­Gab­lingen

11. November 2024

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ (Art. 3 EMRK).

In der Justizvollzugsanstalt in Augsburg-Gablingen gab es seit Anfang 2023 offenbar folgende Praxis: Im Keller der Anstalt gibt es sechs BgHs („Besonders gesicherte Hafträume ohne gefährdende Gegenstände“, früher „Beruhigungszellen“, noch früher „Gummizellen“). Diese Dunkelzellen verfügen über ein Sichtfenster, eine Tür mit Guckloch und ein Loch im Boden für die Notdurft. Darüber hinaus war einer Anstaltsärztin aufgefallen, dass es keine Matratzen in den Räumen gab und dass die Gefangenen „zum großen Teil nackt“ waren und auf dem Betonboden schlafen mussten. Angeblich haben sie pro Tag nur ein Glas Wasser, eine Scheibe Brot und etwas Wurst erhalten. Man kann darüber diskutieren, ob es sich dabei um Folter im engeren Sinne oder um eine andere Art unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gehandelt hat. Gegenüber dem absoluten Verbot wäre dies jedoch eine rein akademische Frage.

Die Ärztin teilte ihre Beobachtungen dem Bayerischen Justizministerium und der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter mit. Als eine Abordnung dieser Stelle die Anstalt im August 2024 besuchen wollte, musste sie am Eingang lange genug warten, während in den BgHs, auf Anweisung der Anstaltsleiterin, Matratzen, Decken und Unterhosen verteilt wurden. Als die Presse, erstaunlich spät (Anfang November) über die Situation berichtete, erklärte der zuständige Minister, er sei nicht informiert worden. Unklar bleibt bisher, wer es unterlassen hat, ihn zu informieren. Inzwischen wurde die Anstaltsleiterin und 15 weitere Beamte vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft hat strafrechtliche Ermittlungen gegen sie aufgenommen.

Unmenschliche Behandlung im Gefängnis kann unterschiedliche Formen annehmen: körperliche Misshandlung, Quälerei mittels strenger Einzelhaft („Isolationsfolter“), oder Schlafentzug (Dauerbeleuchtung/Überwachung bei Nacht), unablässige Behandlungsversuche etc. Jeder lange Freiheitsentzug, insbesondere die lebenslange Freiheitsstrafe müssten eigentlich als „unmenschlich“ qualifiziert werden. Gefängnisse aller Art sind Institutionen, in denen das Risiko einer solchen Behandlung besonders hoch ist. Sie stellen, in den Worten des Europeran Committee for the Prevention of torture, „situations at risk“ dar.

Durch eine Vielzahl von Vorkehrungen soll in Deutschland verhindert werden, dass es zu derartigen Menschenrechtsverletzungen kommt: gründliche Beamtenausbildung, akademische Anstaltsleitung, aufmerksame Aufsichtsbehörden, eine gewählte Gefangenenvertretung, zivile Anstaltsbeiräte, gerichtlichen Rechtsschutz, seit 2009 sogar die erwähnte „Nationale Stelle zur Verhütung von Folter“, welche unangekündigte Besuche in allen Einrichtungen machen darf, in denen Personen gegen ihren Willen untergebracht sind.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Das gesamte System der Foltervorbeugung im weiteren Sinne hat in diesem Fall offenbar versagt. Dies bedeutet, dass auch an anderen Orten menschenunwürdige Zustände herrschen können und es wohl auch tun. Mit dem Strafrecht wird man hier, wie an anderen Stellen, nicht dagegen ankommen. Zweifellos könnte und müsste man viele Verbesserungen im Einzelnen durchführen. Aber Folter und folterähnliche Behandlung kann letztlich nur durch radikale Reduzierung von „situations at risk“, nur durch den Abbau von Gefängnisinstitutionen verringert werden.

Johannes Feest

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