Beitragsbild Antifaschistisches Engagement ist kein Makel! Demonstration in Erfurt, 15.02.2020 "#Nichtmituns: kein Pakt mit Faschist*innen, niemals und nirgendwo" gegen die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD
Pressemeldungen / Neonazis

Antifa­schis­ti­sches Engagement ist kein Makel!

Die Humanistische Union erklärt sich soldidarisch mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser

09. Februar 2022

Wer Björn Höcke mit Fug und Recht einen Faschisten nennt, hat nicht nur Recht, sondern Recht qua Gerichtsurteil! Dieses Recht erwächst aus dem Anerkennen, dass ein politisches Engagement gegen völkische und nazistische Positionen nicht nur ehrenwert, sondern angesichts der historischen Erfahrungen geboten ist.

Gleichwohl muss sich eine deutsche Innenministerin mit Rücktrittsforderungen wegen ihres Engagements gegen rechte Ideologie und Gewalt befassen. Faeser sei „untragbar“, so der stellvertretende Bundessprecher der AfD, Stephan Brandner.

Was ist geschehen? Die damalige Vorsitzende der hessischen SPD Nancy Faeser gehörte zu jenen über einhundert Menschen – vornehmlich Frauen – die zwischen 2018 und 2021 Drohbriefe erhielten. Diese Drohbriefe waren mit „NSU 2.0“ unterzeichnet. Die Bedrohten hatten sich in der Öffentlichkeit gegen die extreme Rechte positioniert. In etlichen Fällen stammten die verwendeten Meldedaten von Computern der hessischen Polizei. Im Juli 2021 thematisierte die Zeitschrift „antifa“ der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA) die Tatsache, dass es immer wieder die hessische Polizei war, die in rechte Umtriebe verwickelt war. Einige der von den Drohschreiben des „NSU 2.0“ Betroffenen gaben Statements ab: unter ihnen Nancy Faeser.

Wir halten fest: Die heutige Bundesinnenministerin wurde von Kräften bedroht, die sich mit den Insignien des rechten Terrors in der Tradition des Nationalsozialistischen Untergrunds eines Uwe Mundlos und einer Beate Zschäpe umgaben. Dies nimmt die neu-rechte Zeitschrift „Junge Freiheit“ zum Anlass, eine Kampagne gegen Nancy Faeser loszutreten. In einem Beitrag mit dem Titel „Nancy Faeser und die Antifa“ führt sie Klage gegen das demokratische Engagement der Ministerin. Angesichts der politischen Couleur des Blattes nimmt der Aufschrei gegen demokratisches Engagement nicht Wunder. Es erstaunt auch nicht, dass die in rechten und rechtesten Positionen durchaus deckungsgleiche AfD auf diesen Zug aufspringt.

Dass Nancy Faeser nach den Drohschreiben eines „NSU 2.0“ aber erklärte, sie werde von ihren Positionen wegen der Nazi-Drohungen nicht zurückweichen, zumal der Kampf gegen den Faschismus zur politischen DNA der deutschen Sozialdemokratie gehöre, brachte ebenso den CSU-Bundestagsabgeordneten und früheren Innenstaatssekretär Stephan Mayer auf Er bezeichnete Faesers Umgang mit „linksextremen Medien“ als „in höchster Weise kritikwürdig und nicht akzeptabel“.

In einem nächsten Schritt griffen „Bild“ und „Welt“ den Vorgang auf und verlautbarten, Faeser habe in einem verfassungsfeindlichen Blatt publiziert, das sich im sogenannten Vorfeld der DKP-nahen Organisationen bewege. In der Online-Ausgabe der „Welt am Sonntag“ wurde die 1970 geborene Faeser gar zur Mitbegründerin der im Jahre 1947 gegründeten VVN erklärt.

Die Details der Kampagne gegen Nancy Faeser könnten hier weiter ausgebreitet werden. Es ist jedoch müßig, nur die Ebene des politischen Reflexes gegen demokratisches Engagement zu beleuchten. Bedeutungsvoller erscheint es, den Zusammenhang zwischen jenen zu benennen, die demokratisches Engagement gegen rechts zu bekämpfen trachten: Auffällig ist die laute Übereinkunft der Beteiligten, die sich gegen die Ministerin in Stellung bringen. Ihr Problem ist nicht, dass eine demokratische Politikerin gemeinsam mit vielen anderen von einer Organisation bedroht wird, die durchaus terroristischen Charakter tragen könnte. Das Problem ist augenscheinlich, dass die Bedrohten dies benennen und dass sie es in einer Zeitschrift benennen, die von einem Inlandsgeheimdienst – dem bayerischen Verfassungsschutz – als „linksextremistisch beeinflusst“ bezeichnet wird. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz steht mit dieser Position zwischenzeitlich allein auf weiter Flur – wird von der Allianz abgesehen, die in diesem Fall besteht: Die Zeitschrift „Junge Freiheit“, die von der Bundeszentrale für Politische Bildung als „Sprachrohr einer radikal-nationalistischen Opposition“ bezeichnet wird, der „Welt“ und „Bild“, der AfD und Teilen der Unionsparteien.

Es ist zu vermuten, dass die in dieser Allianz vertretenen weltanschaulichen und politischen Positionen fließend sind. Dieser Fluss innerhalb der Allianz, die dieses Beispiel aufzeigt, bewies sich vor einem Jahr, als mit den Stimmen der AfD und der CDU das thüringische Desaster der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten erfolgte. In dieser Allianz ist die Abwehr gegen jene größer, die sich gegen völkische, rassistische und andere rechte Positionen wenden. Der Abwehrreflex ist offenbar stärker als ihr Demokratieverständnis. Es steht zu vermuten, dass der Schoss noch fruchtbar ist, aus dem das kroch, wie Brecht es in seinem „Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“ benennt.

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