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Abhör­be­fug­nisse in Polizei­ge­setzen verstoßen gegen das Grundgesetz

Mitteilungen17806/2002Seite 32

Mitteilungen Nr. 178, S.32

Polizei in Thüringen soll eigene Abhörbefugnisse erhalten.

In einer Stellungnahme an die Thüringer Innen- und Justizminister
sowie an die zuständigen parlamentarischen Gremien hat sich die Bürgerrechtsorganisation HUMANISTISCHE UNION (HU) zur beabsichtigten Änderung des Polizeiaufgabengesetzes in Thüringen geäußert. In der detaillierten Stellungnahme wird geltend gemacht, dass das Land keine Befugnisse zum Eingriff in das Fernmelde-geheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes habe. Der Thüringer Innenminister Christian Köckert (CDU) bei der Einbringung des Gesetzes zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts im Thüringer Landtag am 24. Januar 2002, durch das unter anderem die präventive Telekommunikationsüberwachung eingeführt werden soll.

Der Gesetzesentwurf sei verfassungswidrig, weil der Bund nach Artikel 73 Nr. 7 des Grundgesetzes die alleinige Gesetzgebungsbe-fugnis über die Telekommunikation habe. Außerdem hätte der Bund für den Bereich „Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes“ (Verfassungsschutz,Artikel 73 Nr. 10 b des Grundgesetzes) durch Bundesgesetze bereits abschließende Regelungen getroffen.
Problematisch sei der Gesetzesentwurf auch deshalb, weil durch ihn die klare Trennung zwischen geheimdienstlicher Telekommunika-tionsüberwachung (TKÜ) und der Telekommunikationsüberwachung
zur Strafverfolgung verwischt würde.

Inhaltlich eröffnet der Gesetzesentwurf eine völlig neue Dimension der Telekommunikationsüberwachung. Erstmals soll in einem Landespolizeigesetz die Telekommunikationsüberwachung auch für präventivpolizeiliche Zwecke gestattet werden. Diese Form der Telekommunikationsüberwachung richtet sich nicht gegen Verdächtige einer Straftat, sondern bereits gegen Personen, die bestimmte Straftaten begehen könnten sowie gegen deren Kontakt- und Begleitpersonen.
Der Gesetzesentwurf sei auch in zahlreichen Einzelfragen nicht entscheidungsreif. Er sollte daher zurückgestellt werden, bis das Ergebnis eines vom Bundesjustizministerium erteilten Forschungs-auftrags zur „Rechtswirklichkeit und Effizienz der Telekommunika-tionsüberwachung“ vorliegt.
Der Thüringer Gesetzesentwurf hat offenbar eine Pilotfunktion.
Auch vom Baden-Württembergischen Innenminister Thomas Schäuble wurde bereits eine entsprechende Gesetzesinitiative angekündigt.

Die Stellungnahme der HUMANISTISCHEN UNION kann bei der
Bundesgeschäftsstelle der HU angefordert werden.
Für Rückfragen: HU–Bundesgeschäftsstelle Tobias Baur

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