Solange man noch im Gedächtnis seiner Freunde existiert, ist der Tod nicht wirklich da. Zum Tod von Diethard Seemann
Mitteilungen Nr. 194, S. 24
Wir sind hier, um uns von Diethard Seemann zu verabschieden. Ich spreche zu Ihnen im Namen der HU, der er lange angehört hat und in der er viele Freunde hinterlässt.
Diethard Seemann war seit 1968 aktives Mitglied der HU und seit vielen Jahren auch Vorstandsmitglied des Münchener Regionalverbands. Wir Vorstandskollegen haben seinen langen Abschied mit Schmerzen verfolgt und bis zuletzt mit ihm gehofft, daß vielleicht doch noch ein gnädiges Schicksal ihm diesen frühen Tod ersparen würde. Es war vergebens.
Lassen Sie mich kurz die Stationen seiner Tätigkeit in der HU in Erinnerung rufen: Als Mitglied des Ortsverbandes Mannheim wurde er in den Jahren 1973-1975 in den Bundesvorstand der HU gewählt. Bereits in dieser Zeit hat er sich schon für ein Thema interessiert, das uns mehr als 30 Jahre später noch immer beschäftigt: „Unterwegs zur Datendiktatur“, so lautet der Titel seines Aufsatzes, der 1975 in den vorgängen erschien. Er ist noch heute aktuell, weil die technische Entwicklung inzwischen ja noch viele weitere, damals nicht zu erahnende Überwachungsmöglichkeiten eröffnet hat.
Dann wurde Diethard Seemann 1991 zum Leiter der Volkshochschule in Neubiberg am Stadtrand von München berufen. Damit war der Wechsel zur Münchner HU verbunden, wo er sogleich im Arbeitskreis „Gläserner Mensch“ seine Energie einbrachte. Kurz darauf wurde er im Münchner Ortsvorstand unser Kollege und wir seine Freunde. Es folgten viele Jahre der fruchtbaren Zusammenarbeit, bis ihn seine Krankheit einholte. Es war bewundernswert, wie er mit eisernem Willen die letzten Sitzungen gemeistert hat, obwohl ihm klar war, dass sein Lebensende nicht mehr weit sein konnte.
Sein großes Kommunikationstalent fand im letzten Jahr nochmals ein passendes Forum, als er mit unserem Vorstandssprecher Wolfgang Killinger gemeinsam eine regelmäßige Stunde der HU im Lokalradio LORA der Stadt München ins Leben rief. Darin hat er in zweimonatigem Abstand den Zuhörern mit beachtlichem Echo viele HU-Themen vorgestellt. Die letzte Sendung beschäftigte sich mit dem „Evolutionären Humanismus“, einem Thema von besonderem Interesse für ihn, das ihn zeitlebends begleitet hat.
Dabei erinnere ich mich an eine unserer letzten gemeinsamen Autofahrten, die häufig von tiefschürfenden Diskussionen begleitet waren und am Ziel oft noch lange weitergingen, bevor wir endlich ausstiegen. Bei dieser ging es um ein mögliches Leben nach dem Tod. Wir waren uns schließlich einig: Solange man noch im Gedächtnis und den erinnernden Gesprächen seiner Hinterbliebenen und Freunde existiert, ist der Tod nicht wirklich da.
Wenn das so ist, wird Diethard Seemann noch lange Zeit unter uns sein.
Diese Rede für Diethard Seemann hielt
Tim Hering auf der Trauerfeier am 8. August 2006