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Lübeck: Frauen­notruf und HU-Frau­en­be­ra­tung für Reform des Sexual­straf­rechts

Mitteilungen22310/2014Seite 17-18

Mitteilungen Nr. 223 (Heft 2/2014), S. 17-18

„Vergewaltigung verurteilen“ lautete der Titel einer Informationsveranstaltung, die am 19.06.2014 unter großem Interesse von über 50 Gästen in der Lübecker Kulturrösterei stattfand. Vertreterinnen der Justiz, von Fachberatungsstellen und Parteien, aber auch Betroffene hatten sich eingefunden und an der Diskussion beteiligt. Bereits 1991 hatte sich der Frauennotruf Lübeck für eine Gesetzesinitiative eingesetzt und forderte damals, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar werden sollte. 25 Jahre dauerte es von dem ersten Reformantrag der SPD im Jahr 1972 bis zur Verabschiedung eines neuen Gesetzes 1998.

„Vielleicht ist die Gesellschaft jetzt, 16 Jahre nach der Reform, reif genug für den nächsten Schritt, nämlich das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen/ der Menschen konsequent zu schützen!“, mutmaßte Catharina Strutz-Hauch (Frauennotruf Lübeck) bei der Begrüßung der Gäste. Nicht umgesetzt wurde damals nämlich die Forderung nach einer neuen erweiterten Definition des Gewaltbegriffes im § 177 StGB. Jährlich finden in Deutschland laut Dunkelfeldforschung etwa 160.000 Vergewaltigungen statt, jedoch nur 5% davon kommen zur Anzeige. „Schluss mit der Straflosigkeit“, forderte in ihrem Vortrag die Referentin der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes Birte Rohles und erläuterte, warum das derzeitige Strafrecht eine Gerechtigkeitslücke bedeutet. 

Derzeit ist der Straftatbestand der Vergewaltigung erst erfüllt, wenn Gewaltanwendung, die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder die Ausnutzung einer schutzlosen Lage vorliegen. „Vergewaltigung ist jedoch für Betroffene eine Extremsituation, die oft von Gefühlen der Ohnmacht, Hilflosigkeit und lähmender Angst vor Verletzungen begleitet ist. Diese Schockstarre ist ein Grund dafür, dass sich Betroffene oft nicht körperlich wehren oder Fluchtversuche unternehmen“, so der Frauennotruf. „Ein Nein der Betroffenen, Weinen oder ein Wegdrehen reichen aber nach jetziger Rechtsprechung nicht aus, damit ein Täter wegen Vergewaltigung verurteilt wird. Es gab skandalöse Freisprüche, die eine Welle der Kritik ausgelöst haben.“

„Wenn Geschlechtsverkehr gegen den Willen einer Person durchgeführt wird, dann muss das eine Straftat sein“, so Frau Rohles. Frau Botha vom Verein „Mixed Pickles“ wies darauf hin, dass die Situation von Mädchen und Frauen mit Behinderung besonders schwierig ist. „Sie sind einerseits 3 mal mehr von Gewalt betroffen, andererseits fällt das Strafmaß bei sogenannter „Widerstandsunfähigkeit“ ( §179 StGB) wesentlich milder aus. Frau Botha forderte eine tatsächliche Gleichbehandlung in der Gesetzgebung. „Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, und eine Reform des Gesetzes dient der Klarstellung“, unterstrich die Juristin Dagmar Freudenberg (Referentin für Opfer häuslicher Gewalt und Opferschutz am Justizministerium Niedersachsen). Sie arbeitet für den Deutschen Juristinnenbund gerade an einer Formulierung für eine Gesetzesvorlage und betonte, dass es durchaus dem allgemeinen Rechtsverständnis der Bevölkerung entspricht, dass der Paragraf geändert wird.

„Der Handlungsbedarf ist aktuell“, vermittelte Burkhard Peters (MdL Bündnis 90/Die Grünen). Die Grünen und auch die Partei Die Linke unterstützen die Initiative. Auch der Landesverband des Arbeitskreises sozialdemokratischer Frauen (ASF) setzt sich für eine Reform ein. Alle waren sich darin einig, dass mit der Gesetzesinitiative auch ein gesellschaftlicher Veränderungsprozess auf den Weg gebracht werden würde. Es ist notwendig, dass in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens „ein Nein auch als ein Nein wahrgenommen wird“, verdeutlichte Rechtsanwältin und HU-Beirätin Gunda Diercks-Elsner zum Abschluss. „Das Problem der juristischen Beweisbarkeit wird aber bleiben“. Aktuell liegt ein Referentenentwurf zur Änderung des Sexualstrafrechts des Bundesjustizministeriums vor, der eine geforderte Anpassung des § 177 StGB aber nicht vorsieht. Bislang sieht Justizminister Heiko Maas keinen Handlungsbedarf. Deshalb protestiert der Landesverband der Frauenberatungsstellen Schleswig-Holstein aktuell mit einer Plakataktion „Vergewaltigung – verurteilen“, und eine landesweite Postkarten-Unterschriftskampagne soll nun die Justizministerin Anke Spoorendonk bewegen, die Reform des § 177 StGB zu unterstützen.
Die Veranstaltung wurde in Kooperation der Humanistischen Union mit dem Frauennotruf und dem Deutschen Akademikerinnenbund und mit finanzieller Unterstützung der Rosa- Luxemburg-Stiftung durchgeführt.

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