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Positionen & Aktivitäten zu TTIP, CETA und TISA

Mitteilungen22905/2016Seite 3

in: HU-Mitteilungen Nr. 229 (2/2016), S. 3/6

Seit Monaten wird intensiv und auf breiter gesellschaftlicher Basis über die geplanten Freihandelsverträge TTIP und CETA, deren mögliche Folgen und die absurde Geheimhaltung ihrer Aushandlung diskutiert. Ein weiteres Abkommen, das derzeit verhandelt wird, TiSA (Trade in Services Agreement), ist jedoch bislang unterhalb der allgemeinen Wahrnehmungsschwelle geblieben. Sehr zu Unrecht, wie einige Mitglieder der HU Hamburg finden.

Maßgeblich vorangetrieben wird TiSA von den USA. Während die Vertragswerke von TTIP und CETA erst vier Jahre nach Vertragsabschluss (oder dem Scheitern der Verhandlungen) einsehbar sein sollen, soll der TiSA-Vertrag sogar fünf Jahre lang unter Geheimhaltung stehen.

Mithilfe von TiSA soll der Beschaffungs- und Dienstleistungssektor auf breitester Basis einer Privatisierung geöffnet werden. Renationalisierungen sollen verboten werden, selbst wenn im Nachhinein Risiken bekannt werden, die zunächst nicht absehbar waren.

Geleakten Dokumenten zufolge sind die zentralen Absichten von TiSA die Förderung kommerzieller Interessen von US-Dienstleistern, der Schutz von Wettbewerbsvorteilen und Monopolrechten der USA in Bezug auf Urheberrechte und Technologien, der freie Fluss von Daten und deren potenzielle Aneignung durch die USA zugunsten von kommerziellen Interessen und der US-Regierung.

Durch den geplanten Wegfall der Pflicht für Unternehmen, in einem Staat, in dem sie tätig sind, eine Niederlassung zu unterhalten, würden dem Staat jegliche Möglichkeiten der Besteuerung des Unternehmens genommen. Zudem würden Datenschutz, Verbraucherschutz, staatliche Regulierungs- und Überwachungsmöglichkeiten, zivil- und strafrechtliche Maßnahmen massiv eingeschränkt bzw. beseitigt. Insbesondere im Hinblick auf den Datenschutz könnte der Staat nicht einmal dann regulierend eingreifen, wenn ein Unternehmen die staatlichen Regeln zum Datenschutz missachtet.

Aus diesen und weiteren Gründen hat sich die HU Hamburg entschlossen, zu diesem Thema aktiv zu werden. Wir haben eine Arbeitsgruppe gegründet und ein Positionspapier entworfen und möchten nun möglichst viele interessierte Mitglieder der Humanistischen Union einladen, in der Arbeitsgruppe mitzumachen.
Interessierte laden wir herzlich ein, Kontakt zur HU Hamburg aufzunehmen. (Kontaktadressen finden sich am Ende des Artikels.)

Kritische Punkte

TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) und TiSA (Trade in Services Agreement) haben in den vergangenen Jahren aus berechtigten Gründen ein stetig wachsendes Misstrauen bei den Bürger*innen erzeugt. Allein schon die Tatsache, dass geheim verhandelt wird, Parlamentarier nur sehr eingeschränkt Zugang zu den Dokumenten haben und über das Gelesene nicht sprechen dürfen, lässt nichts Gutes erahnen. Hinzu kommt der geplante Abbau von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten. Als besonders problematisch werden in der öffentlichen Wahrnehmung die geplante Einsetzung von Schiedsgerichten ohne Berufungsmöglichkeiten sowie die Tatsache wahrgenommen, dass Unternehmen die unterzeichnenden Staaten auf entgangene mutmaßliche Gewinne verklagen können sollen. Ein Atomausstieg, wie ihn die derzeitige Regierung beschlossen hat, wäre dann nicht mehr möglich. Zudem wird ein massiver Abbau von Umwelt-, Verbraucherschutz und Datenschutzstandards befürchtet; die Klage von Occidental Petroleum gegen Ecuador (Höhe der Strafzahlung: 1,1 Mrd. US Dollar) (1), Philip Morris gegen Australien (Höhe der Forderung: mehrere Mrd. US Dollar) (2) oder Vattenfall gegen Deutschland (Höhe der Forderung: 4,675 Mrd. Euro) sind willkürlich ausgewählte Kostproben.

Während TTIP und CETA inzwischen ein großes Maß an kritischer Aufmerksamkeit erfahren, ist das in Bezug auf TiSA nicht der Fall. Das halten wir für problematisch, denn es handelt sich hier um ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen zwischen 28 EU- und 23 Nicht-EU-Ländern Europas, Nord- und Südamerikas, Ozeaniens und Asiens. Ziel ist die Beseitigung sogenannter „Handelshemmnisse“ in der Daseinsvorsorge. Öffentliche Dienstleistungen sollen frei ausgeschrieben, sprich: privatisiert werden.

TiSA birgt daher folgende Gefahren:

  • Absenken von Standards: Umwelt-, Sozial-, Daten- und Verbraucherschutzstandards drohen auf das niedrigste Niveau zu sinken. Im Bereich des Datenschutzes zeigen sich bereits massive Erosionen auf europäischer Ebene, die vor allem großen Konzernen wie Facebook oder Alphabet nützen. Ähnliches gilt für Umwelt- und Verbraucherschutzstandards im Bereich von Lebensmittelproduktion und -handel.
  • Massive Beschränkung des kommunalen Gestaltungsspielraums: Werden öffentliche Dienstleistungen in den Bereichen Bildung, Soziales, Verkehr oder Kultur privatisiert, ohne dass eine Rekommunalisierung noch möglich wäre, beschneidet das die Kommunen drastisch in ihrer Möglichkeit öffentlicher Förderung von demokratisch und gesellschaftlich wünschenswerten Belangen, z.B. von Theatern, Projektschulen, Integrationsprogrammen oder bezahlbaren Fahrkarten für den öffentlichen Personennahverkehr.
  • Massive Beschränkung des staatlichen Gestaltungsspielraums: Insbesondere eine Privatisierung des Gefängnis- oder des Militärwesens kann zu gravierenden Sicherheitslücken, rechtsstaatlichen Problemen sowie zur Verletzung völkerrechtlicher Regelungen führen (die von der privaten Söldnerfirma Blackwater (3) verübten Verbrechen u.a. im Irak sollten hier als Warnung dienen). Eine Privatisierung des Gefängniswesens beinhaltet zudem die Gefahr eines Absenkens humanitärer und grundrechtlicher Standards für Gefangene. Ebenfalls problematisch ist die geplante Privatisierung des Rentensystems, die dem Staat jegliche Möglichkeit nehmen würde, eine Rentenversorgung zu gestalten. Auch die mithilfe von TiSA angestrebte vollständige Privatisierung und Deregulierung des Finanzsektors würde es dem Staat künftig unmöglich machen, eine Finanzkrise wie die von 2008ff. abzufangen.
  • Unmöglichkeit steuernder Eingriffe der Kommunen: In wichtigen Bereichen wie dem Wohnungsmarkt (sozialer Wohnungsbau, Mietpreisbremse), dem Umweltschutz (Fracking, CO2-Abscheidung und -Speicherung) oder dem Personenverkehr würden den Kommunen wichtige Instrumente genommen, eine bürgernahe und vorausschauende Politik zu betreiben.
  • Privatisierung kommunaler Daseinsvorsorge: Wasser, Energie, Abfallentsorgung, Krankenhäuser etc. würden für die Bürger aller Erfahrung nach teurer und qualitativ schlechter. Gefährdet wären unter anderem die Dichte an Krankenhäusern und der bezahlbare Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser. So verschlechterte sich nach der Privatisierung des Wasserparks von São Lourenço (Brasilien) die Qualität des Wassers. In Cochabamba (Bolivien) kam es durch die Privatisierung binnen kürzester Zeit zu einer Verdreifachung des Wasserpreises, was zu massiven Streiks und Protesten und schließlich einer Verhängung des Kriegsrechts über die Stadt führte („Wasserkrieg“).

Internationale Konzerne und deren Lobby propagieren TiSA und betonen seinen großen Nutzen für alle, der jedoch nicht belegt ist; statt dessen greift TiSA stark in das Leben jedes Bürgers ein und droht zu einer massiven sozialen Spaltung und Verwerfung der Gesellschaft sowie zu einem Abbau von Demokratie, Sozial- und Rechtsstaatlichkeit beizutragen.

Forderungen

Die Humanistische Union fordert, die folgenden Mindeststandards bei den Verhandlungen wie auch der Ratifizierung der Freihandelsverträge einzuhalten:

1. Investitionen müssen sich an das im jeweiligen Staat geltende Recht halten. Regelungen, die die Herstellung oder den Vertrieb bestimmter Güter im Interesse des Allgemeinwohls beschränken, dürfen auch im Interesse des Freihandels nicht eingeschränkt werden. Den nationalen Gesetzgebern dürfen keine Beschränkungen hinsichtlich zukünftiger Regelungen auferlegt werden. Das gilt vor allem für die Bereiche Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz.

2. Internationale, durch Rechtsanwälte besetzte Schiedsgerichte sind abzulehnen. Gegebenenfalls sind eigene Gerichte mit Berufsrichtern einzurichten. Die Auswahl der Richter ist von den beteiligten Staaten gemeinsam zu treffen. Das Verfahren muss öffentlich stattfinden. Revisionsmöglichkeiten sind verpflichtend einzuführen.

3. Einrichtungen der Daseinsvorsorge sind der Verfügungsgewalt öffentlicher Träger (auch im Hinblick auf Personalverwaltung und öffentliche Dienstleistungen) nicht zu entziehen. Insbesondere sensible und gesellschaftlich wichtige Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Kläranlagen, Kanalisation, öffentliche Straßen und Wasserstraßen sind vom Verbot einer Rekommunalisierung/Verstaatlichung auszunehmen.

4. Regelungen über öffentliches Beschaffungswesen und öffentliche Dienstleistungen sind den nationalen Rechtsordnungen vorzubehalten.

5. Der Schutz des geistigen Eigentums ist so zu regeln, dass er den Austausch von Wissen, den Zugang zu Medikamenten und den Klimaschutz nicht behindert, ihn aber auch nicht ausschließlich ökonomischen Interessen unterwirft.

Maßnahmen der Humanis­ti­schen Union

Die Humanistische Union sollte:

1. gegen TiSA, TTIP und CETA offen Stellung beziehen und die Bevölkerung entsprechend aufklären,

2. hierbei besonderes Augenmerk auf die drohenden Einschränkungen der Menschen- und Bürgerrechte legen,

3. sich verstärkt an der öffentlichen Debatte beteiligen,

4. ihren Einfluss dazu nutzen, auf die Politik einzuwirken,

5. einen noch zu verfassenden offenen Brief an den Bundestag unterzeichnen und

6. die Landesverbände dazu ermutigen und dabei unterstützen, Aufklärungsarbeit und politische Mobilisation zu leisten.

Die Bürgerrechte waren selten so massiv bedroht, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit selten so sehr herausgefordert. Es geht hier nicht zuletzt auch um die Existenzberechtigung der Humanistischen Union.

Maßnahmen der HU Hamburg

Die HU Hamburg möchte Wegbereiterin in diesem Prozess sein. Geplant sind folgende Maßnahmen:

Kurzfristig:

  • Informationsveranstaltungen (Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen mit anschließender Diskussion etc.) und Workshops
  • Bündnisse mit anderen gesellschaftlichen Gruppen wie Campact, Attac, Republikanischer Anwaltsverein, politischen Parteien usw.
  • Befragung von Abgeordneten zu TiSA, TTIP und CETA (über Abgeordnetenwatch)

Mittelfristig:

  • stabile Kooperationen mit anderen Stakeholdern
  • offener Brief zur Unterzeichnung durch den Bundesvorstand und prominente HU-Mitglieder an das europäische Parlament
  • Verfassen einer Petition an den Bundestag
  • kommunale/lokale Einflussnahme
  • Kooperation mit anderen Landesverbänden

Langfristig:

  • spürbare Einflussnahme auf die Politik/ politische Entscheidungen
  • Aktivierung des Zivilgesellschaft

Kontakt über: Stephanie Thiel (stephanie.thiel@posteo.de)

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