Die Humanistische Union trauert um Wolf-Dieter Narr
Die Humanistische Union trauert um ihr Mitglied Wolf-Dieter Narr
In: Mitteilungen 240 (3/2019), S. 12-13
Nach langer schwerer Krankheit ist unser Mitglied Wolf-Dieter Narr am 12. Oktober 2019 in Berlin gestorben. Wolf-Dieter Narr war Professor an der Freien Universität, engagierter Politikwissenschaftler und über all dies hinaus ein Aktivist für Bürger-und Menschenrechte, ein Kämpfer gegen die Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten. Mit dem Jura-Professor Uwe Wesel hat er das 4. Russel-Tribunal 1978 initiiert, das sich mit der Situation der Berufsverbote – dem Radikalenerlass – und deren Folgen befasste, die der damalige Bundesvorstand der HU weniger kritisch gesehen hatte.
Seit 1978 arbeitete an der Freien Universität unter seiner Leitung die Forschungsgruppe „Das staatliche Monopol physischer Gewalt und der liberale Rechtsstaat“, sprich ‘Polizei und Bürgerrechte‘. Ein Kind dieses Forschungsprojektes ist die bis heute in der 120. Ausgabe erscheinende Zeitschrift „Bürgerrechte und Polizei/CILIP“. Im März 1978 erschien die erste Ausgabe mit dem ‚Motto: „Wer bewacht die Wächter“, dem die Zeitschrift bis heute verpflichtet ist. Ziel war und ist es, zuverlässige und aussagekräftige Daten über die Polizei und die Geheimdienste zu liefern, über ihre Strukturen und Instrumente und ihre Vorgehensweise zu informieren und allgemein das Spannungsfeld zwischen innerer Sicherheit und den Bürgerrechten zu beleuchten. So widmet sich das aktuelle Heft dem Thema „ Der Zoll – nicht nur eine Finanzpolizei“. Wolf-Dieter Narr gründete das „Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.“ an der Freien Universität Berlin, das die Arbeit der Forschungsprojekte nach 1982 fortführt und die Zeitschrift bis heute als Herausgeber trägt.
Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt und die Veröffentlichungen in CILIP waren wichtige Grundlagen für die Forderungen der Humanistischen Union zur Politik der Inneren Sicherheit, gegen die Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten und gegen die Ausweitung der Befugnisse für Polizei und Geheimdienste. Sie wurden von Mitarbeitern des Forschungsprojekts in die Humanistische Union getragen.
Wolf-Dieter Narr war 1980 Mitbegründer und Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie, das sich für die Einhaltung der Menschenrechte insgesamt einsetzte. Thematisch fanden sich Grundrechte-Komitee und HU immer wieder auf der gleichen Seite, sei es im Widerstand gegen die Volkszählung von 1981, oder bis zum heutigen Tage in der Herausgabe des Grundrechte-Reports. Mitglied der Humanistischen Union war Wolf-Dieter Narr in seinem Leben zweimal: Einmal von 1964 bis 1974 und dann wieder über seine Mitgliedschaft in der Gustav Heinemann-Initiative nach ihrer Vereinigung mit der HU im Jahre 2009 bis zu seinem Tod.
Narr war nicht nur Vordenker, er war ein Akteur und Aktivist für die Grundrechte und Ermutiger. Er wird immer ein Vorbild bleiben, was seine analytische Klarheit, seinen Mut und seine Unbeirrbarkeit anbelangt. Einschüchtern ließ er sich von Nichts und Niemanden. Wer immer sich ein Unbehagen an Macht und Staat bewahrt hat, dem sei Wolf-Dieter Narrs 2017 erschienene Summe „Niemands-Herrschaft. Eine Einführung in die Schwierigkeiten, Herrschaft zu begreifen“ empfohlen.
Wolf-Dieter Narr
Niemands-Herrschaft. Eine Einführung in die Schwierigkeiten, Herrschaft zu begreifen
Herausgegeben von Uta v. Winterfeld
VSA, 320 Seiten | 2015 | EUR 26.80
ISBN 978-3-89965-600-8