Beitragsbild Offener Brief der Humanistischen Union an die Abgeordneten des Hessischen Landtags
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Offener Brief der Humanis­ti­schen Union an die Abgeord­neten des Hessischen Landtags

 

(Red.) Am Donnerstag, 29. Juli wurde in Hessen das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung verabschiedet. Dabei wurde auch ein kurzfristiger Änderungsantrag der Frak-tionen CDU und Bündnis 90/Die Grünen zu § 25a verabschiedetet, der datenschutz- und polizeirechtlich relevant ist. Wir haben im Vorfeld in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Hessischen Landtags diese Kurzfristigkeit, die jede außer-parlamentarische Beteiligung bezüglich des Änderungsantrags verhindert und im Verfahren intransparent ist, kritisiert. Unser Brief wurde sowohl medial als auch von einigen Abgeordneten diskutiert. Gleichwohl wurde der Änderungsantrag ohne Anhörung verabschiedet. Unsere Kritik bleibt dennoch bestehen. Daher drucken wir den Text hier für Sie ab:

 

Sehr geehrte Abgeordnete des Hessischen Landtages,

am kommenden Donnerstag, dem 29. Juni, werden Sie, die Abgeordneten des Hessischen Landtages, über den Änderungs-antrag der Fraktionen CDU und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf für ein Gesetz zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vor-schriften und zur Umorganisation der hessischen Bereitschaftspolizei (LT-Drs. 20/11235) in der dritten Lesung abstimmen. Wir, die Bürgerrechtsorganisation Huma-nistische Union, halten dieses Schnellverfahren bei einer so wichtigen Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) für undemokratisch und den Gesetz-gebungsprozess für intransparent. Eine Beteiligung der Zivilgesellschaft zum Änderungsantrag der Regierungsfraktionen wird damit nämlich verunmöglicht.

Der neue Änderungsantrag von CDU und Grünen befasst sich vor allem mit einer Änderung des verfassungswidrigen §25a HSOG. Der neue Änderungsantrag soll den alten §25a durch einen neuen ersetzen. Darin geht es um die automatisierte Anwendung der Datenanalyse von HessenDATA und das Zusammenfügen verschiedener Datentöpfe. Beim kurzfristig eingereichten Änderungsantrag geht es also nicht nur um Formalitäten oder Kleinig-keiten, sondern um Fragen des Daten-schutzes und des Polizeirechts. Kurz gesagt handelt es sich um Angelegenheiten, die der öffentlichen Debatte bedürfen – und zwar nicht nur des Landtags, sondern auch der breiten Öffentlichkeit, der Medien und zivilgesellschaftlicher Organisationen –, wenn man den Begriff Demokratie ernster nehmen möchte. Denn es geht um bürgerrechtliche Fragen, die kontrovers diskutiert werden müssten.

Eine solche Beteiligung wird jedoch durch den straffen Zeitplan verhindert. Der ursprüngliche Gesetzentwurf wurde zwar schon im März 2022 eingereicht. Nachdem aber nur einen Monat später das Bundesverfassungsgericht das Verfassungs-schutzgesetz in Bayern kassiert hatte, wurde auch klar, dass Teile des HSOG verfassungswidrig sind. Im März 2023 wurden daraufhin Änderungsanträge eingereicht, und es fand abermals eine Anhörung statt, die inzwischen vom Innenausschuss ausgewertet wurde. Dort kündigten Abgeordnete der Fraktionen CDU und Die Grünen an, bezüglich HessenDATA einen Änderungsantrag einzubringen. Dieser Änderungsantrag liegt Ihnen erst seit 20. Juni dieses Jahres vor.

Trotz dieser Kurzfristigkeit sollen am 27. Juni die zweite und am 29. Juni die dritte Lesung im Hessischen Landtag zum Gesetzentwurf (LT-Drs. 20/8129) und dem dazugehörigen Änderungsantrag statt-finden. In einem solchen Schnelldurchlauf werden zivilgesellschaftliche Organi-sationen und die hessischen Bürgerinnen und Bürger vom Gesetzgebungsprozess ausgeschlossen. Denn in Anbetracht der wenigen verbleibenden Tage und der Komplexität sowohl des Änderungsantrags der Regierungsfraktionen als auch der Drucksachen, auf die darin Bezug genommen wird, wird es weder möglich sein, in der außerparlamentarischen Öffentlich-keit den Antrag zu diskutieren, noch werden fundierte gutachterliche Stellungnahmen von Bürgerrechts-organisationen wie uns rechtzeitig möglich sein. Der außerparla-mentarischen Öffentlichkeit fehlt damit in einem solchen Verfahren die Möglichkeit, sich differenziert zum Änderungsantrag zu äußern. Die Kurzfristigkeit unterminiert somit das Transparenzgebot und erschwert eine demokratische Debatte enorm.

In der Tat ist in der Geschäftsordnung des Hessischen Landtages eine Anhörung oder Beteiligung von Interessensverbänden oder Bürgerrechtsorganisationen nicht schrift-lich verordnet – anders als dies etwa beim Bundestag der Fall ist. Daher bleibt zivil-gesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf den Hessischen Landtag auch keine Möglichkeit der formalen Beschwerde angesichts dieses Schnellverfahrens. Gleichwohl ist die Humanistische Union über diesen Ablauf empört. Wir sind der Meinung, dass ein Gesetzgebungsverfahren, das als demokratisch gelten soll, so nicht ordnungsgemäß sein sollte.

Daher fordern wir den Hessischen Landtag und die Hessische Landesregierung erstens dazu auf, künftig bei Gesetzgebungs-verfahren die Zivil-gesellschaft nicht mehr durch Zeitmangel auszuschließen, sondern sich demokratischen Debatten zu stellen. Zweitens fordern wir den Hessischen Landtag dazu auf, wenigstens die gutachterlichen Stellungnahmen zu Gesetzgebungsverfahren generell zu veröffentlichen und damit das Transparenz-gebot zu erfüllen.

Philip Dingeldey und der Bundesvorstand der Humanistischen Union

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