Publikationen / vorgänge / vorgänge 18

HU fordert Erfüllung des Verfas­sungs­auf­trags zur Ablösung der Staats­leis­tungen an die Religi­ons­ge­sell­schaften

aus: Vorgänge Nr.18

(vg) Am 3. Oktober 1975 hat die Humanistische Union an die Bundesminister des Inneren und der Finanzen, an die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestages, an die Innen-, Finanz- und Kultusminister bzw -senatoren der Bundesländer sowie an die Fraktionsvorsitzenden der Landtage folgenden Brief über die notwendige Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften gerichtet:

Sehr geehrter Herr Minister/Senator

Die derzeitige Finanzsituation des Bundes und der Länder hat verschiedene Überlegungen zur Stabilisierung der öffentlichen Haushalte ausgelöst. Bei der Durchleuchtung der Ausgaben sollte es – offiziellen Verlautbarungen zufolge – keine Tabus geben. Ansprüche sollten auf ihre Legitimation überprüft und Privilegien abgebaut werden.

Um so mehr hat es uns erstaunt, daß ein nicht unwesentlicher Bereich der öffentlichen Ausgaben von den Sparüberlegungen offenbar ausgenommen worden ist: Wir meinen die Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften. 1973 betrugen die von den Ländern gezahlten Staatsleistungen rund 280 Millionen DM. Hinzu kommen die sogenannten „negativen Staatsleistungen“ in Form von Steuerbefreiungen und Befreiungen von Gerichtskosten und Verwaltungsgebühren. Die dem Fiskus dadurch verlorengehenden Einnahmen werden auf jährlich Hundert Millionen DM geschätzt.

Es wird Ihnen bekannt sein, daß seit 1919 ein Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen besteht. Dieser Verfassungsauftrag wurde 1949 durch die Inkorporation des Art 138 der WRV in das Grundgesetz erneuert. Gleichwohl ist die Erfüllung des Verfassungsauftrags bisher unterblieben. Nicht nur die angespannte Haushaltslage des Bundes und der Länder, sondern vor allem der Respekt vor der Verfassung gebietet es, die Sonderrechte der Religionsgemeinschaften endlich aufzuheben. Bei einem entsprechenden politischen Willen wäre die Erfüllung des Verfassungsauftrags bereits während der 1. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags möglich gewesen. Selbst wenn damals Bund und Länder eine sehr großzügig bemessene Ablösungssumme festgesetzt hätten, wäre diese Summe durch die seit 1949 an die Religionsgemeinschaften gezahlten Beträge bei weitem überschritten. Rechnet man noch die seit 1919 geleisteten Zahlungen hinzu, so ergibt sich, daß die Staatsleistungen inzwischen nicht nur abgelöst, sondern bereits übererfüllt worden sind. Um so notwendiger ist die Beseitigung des dem Verfassungsauftrag widersprechenden Zustands.

Wir bitten Sie daher, durch eine Gesetzesinitiative die Voraussetzungen für die Beendigung der Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften zu schaffen.

Für eine Stellungnahme wären wir Ihnen dankbar. Wir erlauben uns, diesen Brief in den nächsten Tagen zu veröffentlichen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Humanistische Union

Dr. Charlotte Maack

nach oben