vorgänge Nr. 182: Die Aufgabe des Staates
Die Aufgabe des Staates
vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 47. Jahrgang, Heft 2 (Juni 2008)
Die Klage über die Schwäche des Staates ist nicht neu, doch hat sie einen eklatanten Bedeutungswandel erfahren. Anfang der siebziger Jahre, als viele ihn noch in voller Stärke wähnten, beklagte der Staatsrechtler Ernst Forsthoff bereits dessen „reduzierte politische Potenz in der Idee wie im Handeln“. Den Verlust an politischer und normativer Kraft sah er ersetzt durch ein Regime wohlfahrtsstaatlicher Daseinsvorsorge. Dieses Regime war das zentrale legitimatorische Fundament des Staates in den letzten dreißig Jahren. Dieses Regime antwortete auf eine Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft, indem es sein Aktionsfeld stetig ausweitete, die ihm dienenden politischen Institutionen und technischen Infrastrukturen wachsen ließ und die Zahl der zu seinem Zwecke Beschäftigen erhöhte. Bereits Forsthoff benannte als eine zentrale Schwäche dieses Arrangements die Abhängigkeit von gesellschaftlichen Interessensformationen, denen gegenüber der Staat nicht mehr souverän sei. Zehn Jahre nach Forsthoffs brach in Großbritannien Maggy Thatcher den zentralen Stein aus diesem Konzept des Wohlfahrtsstaates heraus, indem sie die Existenz einer Gesellschaft einfach in Abrede stellte und das staatliche Handeln aufs Kerngeschäft zurückführte. Die Reduktion sozialer Angebote ging einher mit einer umfassenden Privatisierung staatlicher Dienstleistungen und einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. In der Folge führten eine steigende staatliche Verschuldung und Fehlallokationen im Sozialsystem auch in Deutschland zu einer Auseinandersetzung darüber, was eigentlich die Aufgabe des Staates sei.