Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 182: Die Aufgabe des Staates

Die Hybri­di­sie­rung öffent­li­cher Güter

Über Varianten, die Nutzung öffentlicher Güter zu optimieren

aus: vorgänge Nr.182, Heft 2/2008, S. 26-33

Der Staat produziert – so lautet die finanzwissenschaftliche Definition – öffentliche Güter, von deren Konsum niemand ausgeschlossen werden darf. Die Definition erweist sich in Zeiten schwindenden Wachstums und schmelzender Budgets als luxuriös. Entweder wird die Menge der öffentlichen Güter eingeschränkt werden, oder ihre Qualität sinkt, oder, die wahrscheinlichste Lösung, sie werden rationiert, d.h. nicht mehr für jeden zugänglich.

Erst dann werden öffentliche Güter auch für private Produzenten interessant: wenn man Gebühren nehmen darf, die Preisen eher ähneln als subventionierten Abgaben. Allfällige Subventionierung kann durch Gebührennachlässe unabhängig von der Produktion der öffentlichen Güter geschehen.

Allerdings ändert sich dann das Verhältnis von Staat und Bürgern: was vordem dem Staat als „Gratisproduktion“ öffentlicher Güter auferlegt war, wird heute wieder an die Gesellschaft zurückgegeben: „produziert eure Kollektivgüter selber“. Allerdings ist dieser Trend von den öffentlichen (und meritorisch-öffentlichen) Gütern zu den Kollektiv- und Clubgütern noch nicht massiv. Die Staatserwartungen bleiben noch unverändert hoch.

„Öffentlich“ sind alle Güter, die entweder dem Staat eindeutig zuzuordnen sind oder die nicht-privat sind. „Nicht-privat“ heißt hier: unklare Eigentums- und Nutzungsrechte. Öffentliche Güter haben Nutzungsrechte, die über die an privaten Gütern und klaren Eigentumsrechten hinausgehen. Rechtlich betrachtet sind öffentliche Güter hybride Eigentumsrechte mit differenten, über die Eigentumsrechte hinausgehenden Nutzungsrechten.

In Demokratien gibt es natürlich Versuche, die Nutzung an öffentlichen Gütern zu erhöhen, bei Minderung des eigenen Beitrages zu ihrer Finanzierung. Strategien der Maximierung der Nutzung öffentlicher Güter werden in speziellen Theorien des rentseeking analysiert. Der ökonomische Raum des Öffentlichen – der Raum der Produktion und Nutzung öffentlicher Güter – ist potentiell ausbeutungsbedroht (Trittbrettfahrerverhalten). Doch lässt sich zeigen, dass die Form der „Ausbeutung“ öffentlicher Güter kein randständiges Problem ist.

Öffentliche und merito­ri­sche Güter: ein paar Defini­ti­onen

„Öffentliche Güter“ werden in der Ökonomie gegen die „privaten Güter“ abgegrenzt. Rein private Verfügungsrechte zeigen den Umstand an, dass alle anderen Personen von dem jeweiligen Verfügungsrecht ausgeschlossen sind. Im Gegensatz dazu sind die öffentlichen Güter durch ein Nicht-Ausschluss-Prinzip charakterisiert. Öffentliche Güter werden gemeinhin vom Staat angeboten (was nicht ausschließt, dass er sie auf dem Markt produzieren lässt).

Historisch sind die öffentlichen Güter identisch mit allen staatlichen Gütern und Leistungen, d.h. mit den Äquivalenten für die (zwangsweisen) Steuerzahlungen der Bürger. Die Theorie der öffentlichen Güter dient zur Erklärung und Legitimation staatlicher Leistungserstellung. Der Grund für die Produktion öffentlicher Güter wird im Marktversagen gesehen.

Kriterien für öffentliche Güter sind der Nichtausschluss vom Konsum (non-excludability) und Nichtrivalität im Konsum (non-rivaleness); eine Matrix zeigt eine erste Einordnung im Gesamtgüterspektrum:

Tabelle

Doch nicht jedes Marktversagen lässt den Staat öffentliche Güter produzieren. Es muss ein öffentlicher Bedarf vorliegen. Was aber öffentlicher Bedarf (oder genauer: öffentliche Nachfrage) ist, lässt sich nur durch ein politisches Bestimmungsverfahren ermitteln, denn die Kosten der Produktion öffentlicher Güter sind durch die Steuern gegen zufinanzieren. Dabei wird unterstellt, dass die Steuerzahler nur den Bedarf an öffentlichen Gütern billigen, der ihnen (allen zusammen) individuelle Vorteile gewährt.

Doch mit dieser engen Definition ist der Bedarf an öffentlichen Gütern allein durch eine Äquivalenz von Steuerzahlungsbereitschaft und öffentlichen Leistungen festgelegt.

In einer erweiterten Definition der öffentlichen Güter wird eine soziale Komponente eingeführt, die die öffentlichen Güter nicht nur als Leistungsäquivalente für die effektiven Steuerzahler ansieht, sondern die die Verfügungsrechte am öffentlichen Gut auch auf Nichtsteuerzahler (z.B. „sozial Schwache“) ausweitet, d.h. Umverteilungen einschließt. Die Unterschiede zwischen der äquivalenttheoretischen und der redistributiven Funktion der öffentlichen Güter beruhen auf unterschiedlichen wohlfahrtstheoretischen Kriterien, d.h. auf verschiedenen ethischen oder normativen Standards. Deren Geltung wird durch politische Entscheidungen bestimmt, durch nichts anderes, vor allem nicht durch technische Eigenschaften öffentlicher Güter. Der Nicht-Ausschluss vom Konsum bei öffentlichen Güter definiert im Grunde eine Rechtsposition: niemand darf, gleich, ob er will, vom öffentlichen Güter-Konsum ausgeschlossen werden, was nichts anderes heißt, als dass diejenigen – im Fall der reinen öffentlichen Güter: alle – das Recht haben, das Gut zu konsumieren. Allerdings gibt es eine „technische“ Eingrenzung, die durch das ökonomische Knappheitspostulat (das 2. öffentliche Güter-Kriterium) der Nicht-Rivalität im Konsum besonders bezeichnet wird.

Die (rechtliche) Möglichkeit, ein öffentliches Gut zu konsumieren, wird nämlich erst dann gewährleistet, wenn die (ökonomische) Angebotsdimension so ausgelegt ist, dass keiner der Konsumenten den anderen am Konsum desselben öffentlichen Gutes behindert. Erst durch diese zusätzliche (ökonomische) Bedingung ist gewährleistet, dass die Rechtskomponente der Theorie öffentlicher Güter auch ökonomisch realisiert werden kann. Der normative Charakter der Theorie öffentlicher Güter erweist sich gerade in dieser spezifischen Kombination rechtlicher und ökonomischer Momente im Gutsbegriff: das Nicht-Rivalitäts-Prinzip ist insofern die ökonomische Komponente der öffentlichen Güter, als sie den Realisationsgrad der rechtlichen öffentlichen Güterlichkeit des Nicht-Ausschlusses vom Konsum angibt.

Damit zeigt sich, dass im Begriff des öffentlichen Gutes ökonomische, rechtliche und ethische Komponenten enthalten sind; die ethische Komponente wird sofort evident an der Frage, wer vom Konsum öffentlicher Güter nicht ausgeschlossen werden soll oder darf. Dass die ethische Frage immer Verteilungsfragen einschließt, weist letztlich auf die politische Dimension. Wir haben es bei öffentlichen Gütern mit komplexen Gütern zu tun, weil sie drei Dimensionen verschränken: die rechtliche Dimension, die ökonomische Dimension und die politische Dimension.

„Reine öffentliche Güter“ definieren einen Verfügungsrechtsanspruch für alle Staatsbürger; da aber die Menge der Steuerbürger kleiner ist als die Menge aller Staatsbürger, ist das allgemeine Verfügungsrecht des Konsums sui generis mit einer Redistribution der Einkommen verknüpft (indirekt auch im Fall der indirekten oder Verbrauchssteuern). Für alle diejenigen Fälle, in denen „spezifische öffentliche Güter“ für spezifische Verfügungsrechtskollektive definiert werden, ist die Frage der Verteilung dieser Verfügungsrechte in einem noch stärkeren Maße davon abhängig, welche ethischen und/oder politischen Standards gelten.

„Ethische Standards“ ist ein Name für Normen oder shared mental models (wie D.C. North informelle Institutionen nennt), während politische Standards eigentlich nicht als solche zu nennen sind, sondern Ergebnisse von politischen Festlegungen in legalen Verfahren sind. Die Geltung von öffentlichen Gütern von politischen Entscheidungen in politischen Verfahren abhängig zu wissen – eine normale demokratische Definition – lässt die Gewährleistung des Güterangebotes kritisch betrachten: wer sorgt im politischen Prozess für eine Angebotskontinuität an öffentlichen Gütern?

Denn die Frage, wer für die öffentlichen Güter welche ethischen oder politischen Standards setzt, ist nicht unabhängig von dem politischen Verfahren der Budgetverteilung zu beantworten und vom institutional design der Demokratie generell. Üblicherweise geht man davon aus, dass die Wirtschaftssubjekte als politische Wähler die Qualität und Dimension der Bereitstellung von öffentlichen Gütern bestimmen. Hier aber treten etliche Probleme auf:

– Zum einen wählen die Wähler kompakte Bündel von öffentlichen Gütern, d.h. immer auch einen Anteil an öffentlichen Gütern, die sie nicht präferieren.

– Zum anderen sind die gewählten Regierungen nicht verpflichtet, alle versprochenen öffentlichen Güter-Bereitstellungen auch tatsächlich zu realisieren.

– Zum dritten sind die tatsächlichen Budgetverhandlungsprozesse durch Partei- und Lobbyinteressen beeinflusst, die es schwierig machen, die letztlich verwirklichten öffentlichen Güter als Ausdruck der Wählerpräferenzen zu interpretieren. Das Problem der Nachfragebestimmung der öffentlichen Güter ist in der Ökonomie noch ungelöst, die Vorstellungen der Theorie der öffentlichen Güter sind modelltheoretische Fiktion.

Man hat inzwischen Vorschläge entwickelt, für die Budgetprozesse Verfahrensregeln vorzuschlagen, die durch gesonderte Verfassungsreferenden von den Bürgern gewählt werden. Der Sinn dieser Vorschläge besteht darin, das – ethische – Problem, welche Wohlfahrtskriterien gelten sollen, als gesonderte Bürgerpräferenz zu erfragen, um dem politischen Geschäft der sich wechselseitig steigernden Bedienung von Gruppeninteressen Einhalt gebieten zu können.

Eine andere Variante der ethischen Bestimmung von öffentlichen Gütern ist in der Theorie meritorischer Güter vorgetragen worden. Meritorische Güter sind jene Leistungen und Güter, die der Staat einzelnen Individuen oder sozialen Gruppen zuteilt (oder, im Fall der demeritorischen Güter, zu erhalten untersagt), um anreizsetzend oder verhaltensregulierend einzugreifen. Problematisch ist das besondere Recht des Staates, die meritorischen Güter ohne ausdrückliche politische Legitimation bereitzustellen. Da aber praktisch sehr viele staatliche Leistungen den Charakter von meritorischen Gütern haben, lassen sich die öffentlichen Güter als Spezialfall der meritorischen Güter klassifizieren, bei denen eine politisch-öffentliche Zustimmung vorliegt.

Dadurch ist aber die Legitimation der öffentlichen Güter durch die politischen Wahlverfahren hinfällig, jedenfalls in dem Maße, in dem die meritorisch-öffentlichen Güter die rein öffentlichen dominieren. R.A. Musgrave, der – neben P. Samuelson – die Theorie öffentlicher Güter vollständig ausgearbeitet hatte, versucht die problematischen meritorischen Güter dadurch zu erklären, dass sie „Gemeinschaftsbedürfnisse“ zum Ausdruck bringen.

„Gemeinschaftsbedürfnisse“ unterscheiden sich von Präferenzen auf öffentliche Güter darin, dass sie keiner individuellen Wahl zwischen privaten und öffentlichen Bedürfnissen entstammen, sondern auf apriorischen, d.h. kulturell gewachsenen Kollektivbedürfnissen beruhen, die zu realisieren der Staat unabhängig von besonderen Präferenzartikulationen legitimiert sein kann. Diese Konzeption erinnert an ältere Vorstellungen einer allen Individuen gemeinsamen Sittlichkeit, der die Individuen zuzustimmen grundsätzlich bereit sind (z.B. aus kultureller Tradition oder Staatsräson). Doch ist auch diese Begründung der meritorisch-öffentlichen Güter anfällig für illegitime Staats- und Budgetpraxis, denn es bleibt völlig unentschieden, ob die ex-post Akzeptanz der Bürger zu den meritorischen Gütern auf gemeinwohlorientierter Zustimmung beruht oder auf dem Faktum, dass der Staat (bzw. das Parteiensystem) sowieso die Macht hat, Leistungsentscheidungen unabhängig vom Bürgerwillen durchzusetzen.

Auch bleibt die Frage, ob es das unterstellte Ethos heute noch allgemein gibt, und ob es nicht zweckmäßiger ist, neue institutionelle Arrangements einzuführen, die die Redistributionskomponente wieder stärker an äquivalenztheoretische Kriterien zurückbinden. Doch stehen sich dann zwei „Gerechtigkeiten“ gegenüber: die soziale und die Leistungsgerechtigkeit – ein nicht leicht zu lösendes Problem.

Wohlfahrt ohne Staat

Wenn der Wohlfahrtsstaat damit begründet wird, dass Bedürftige vom Staat kompensiert werden, dann haben wir tatsächlich eine Institution vor uns, die sich nicht im Öffentlichen der Märkte erschöpft. Der Staat umfasst die größte Zahl der Bürger, nämlich alle Staatsbürger, während der Markt nur die Menge an Bürgern umfasst, die sich in der Lage sehen, sich an ihm zu beteiligen. Die Differenz ist der Bereich der staatlichen Fürsorge bzw. Wohlfahrt. Doch auch das ist nicht notwendig, denn man kann sich vorstellen, dass die Gesellschaft die Wohlfahrt in eigene Hände nimmt, d.h. die Differenz wohl anerkennt, sie aber nicht über den Staat versorgen lässt. In beiden Fällen sind keine öffentlichen oder Kollektivgüter notwendig, wenn man davon ausgeht, dass es darauf ankommt, die Bedürftigen zu versorgen. Die Versorgung geschieht über Transfers, und gilt nur für die, die sie brauchen.

Transfergüter unterscheiden sich signifikant von öffentlichen oder Kollektivgütern; öffentliche oder Kollektivgüter stehen in der Nutzung allen offen, unabhängig davon, ob sie aktuell gebraucht werden oder nicht. Transfergüter werden nur für die bereitgestellt, die sie, nach Kriterien, brauchen.

Wenn der Wohlfahrtsstaat durch öffentliche Güter versorgt wird, dann haben wir espotentiell mit einer Überschussproduktion zu tun, d.h. dass mehr öffentliche Güter bereitgestellt werden, als gebraucht werden, mit der Folge des free riding, d.h. der Nutzung durch die, die es nicht brauchen.

Das free riding ist dann nicht allein so etwas wie staats-moralisches Fehlverhalten, sondern ein Angebotsdefekt: wenn der Staat „zu viel“ öffentliches Gut anbietet, wird es nicht nur genutzt, sondern der Typus der Nutzung wird verallgemeinert: free riding wird ein wohlfahrtsstaatliches Nutzungsideal. Free riding wäre dann eine Folge der wohlfahrtsstaatlichen öffentlichen Gutsproduktion. Und die Erstellung öffentlicher Güter wäre eine offensichtliche Fehlallokation, deren politische Intentionen gesondert untersucht werden müssen: möglicherweise ist diese Konstruktion die Basis für das rent-seeking, d.h. nämlich dass Bürger ihre Interessen so organisieren, dass sie, unter dem Mantel des Allgemeinwohls, ihre Nutzenvorteile aus den öffentlichen Gütern ziehen. Bei der bisher geltenden Gebührenfreiheit des Hochschulbesuches z.B. ist es eindeutig ein Privileg für höhere Einkommensklassen, dass die unteren Einkommensschichten qua Steuerfinanzierung öffentliche Güter mitfinanzieren. Beim öffentlichen Gut „Kindergarten“ wiederum gelten Gebühren, d.h., wenn auch einkommensabhängig gestaffelt, eine Co-Finanzierung des Gutes durch die beteiligten Bürgerfamilien. Hier wird eindeutig mit zweierlei Maß gemessen – bei gleichzeitigem Minderangebot an Kindergärten.

Hochschulzugang ist kein meritorisches Gut (Schulbesuch hingegen eindeutig). Meritorische Güter scheinen die einzigen öffentlichen Güter zu sein, deren Legitimation aus berechtigten Umverteilungen herrührt: gute Ausbildung aller Bürger ist ein Wachstumsfaktor, der allen Mitgliedern der Gesellschaft von Nutzen ist, ebenso nationale Gesundheit und soziale Versicherung. Ebenso nationale Sicherheit. Doch beginnen die politischen Interpretationen nicht erst, wenn die Bundeswehr im Kongo UN-Schutztruppen schützt. Es gibt keine politische oder ökonomische Automatik: weder bei den öffentlichen noch bei den meritorischen Gütern. Bleiben wir bei den Hochschulen; es geht um eine „Transformation der Gutscharakteristik von Bildung: Es findet ein Wechsel von der Meritorik, also Bildung als Zwangsbeglückung, hin zu einem freiheitlichen Wunsch nach Bildung als Persönlichkeitstransformation statt – bis hin zur freien Schul- und Hochschulwahl. An die Stelle der staatlichen Bildungsversorgung im Alter von sechs bis 26 Jahren tritt die Idee einer integrierten Bildungswertschöpfungskette – lebenslänglich integriert von der KITA bis zur Seniorenuniversität. Es geht dabei weniger um Abschlüsse und mehr um Entwicklung.

Transformation der Bepreisungslogik: Transformation bedeutet Prosumerismus, d.h. Konsumtion und Produktion vereinigen sich in der Bildung mit gleichzeitiger Veränderung des produzierenden Konsumenten selbst. Vom Kunden zu sprechen verbietet sich damit. Damit verbunden ist die Unterscheidung bei der Bepreisung der Bildung, die umgedreht zur bisherigen Praxis verlaufen muss: Die kindliche Früherziehung bis in die Sekundarstufe wären kostenfrei zu gestalten bzw. nach spezifischen Zusatz-Angeboten zu bepreisen, die Hochschulausbildung hingegen wird – gemäß den privatisierten Bildungsrenditen bepreist. Nicht die Gebühren, sondern deren sozialverträgliche Finanzierung und die skandalös unterentwickelte Stipendienkultur – derzeit wird nur ein Drittel der Begabten gefördert – sind die Hauptherausforderungen.

Die wohlfahrtsstaatliche Bereitstellung öffentlicher Güter ist eine juridische Konstruktion, die jedem Bürger gleichen Zugang zu den Staatsgütern erlauben soll. Ökonomisch bekommen die Bürger, die nicht bedürftig sind, Gratistransfers oder Geschenke, wodurch die Bürger ihre privaten Einkommen insofern wieder frei disponieren können, anstatt die Leistungen zu erwerben, die sie dann erwerben müssten, wenn die Güter nicht als öffentliche gratis angeboten würden.

Die juridische Definition ist – ökonomisch betrachtet – eine Aufforderung zur Überproduktion öffentlicher Güter. Es gibt keine Grenze, bis alle Bürger „versorgt“ sind (unabhängig davon, wie sie es brauchen und wie sie bereit wären, für die Lieferung zusätzlich zu zahlen). Juridisch betrachtet ist die ökonomische Interpretation fragwürdig, insofern sie eine Selektion einführt: wer ist, nach ökonomischen Kriterien, berechtigt?

Die ökonomische Frage ist eine Frage nach der Allokationseffizienz, die aber, wegen der juridischen Metaregel, politischer Interpretation offen stehen muss, weil die tatsächliche Dimension des öffentlichen Gutes einen Kompromiss zwischen dem Nicht-Ausschluss vom Konsum für alle und den Finanzierungsmöglichkeiten darstellt. Der Spielraum ist erheblich und letztlich politisch bestimmt. Alle drei Dimensionen: die juridische, die ökonomische und die politische, lassen sich selten trennen.

Der Überschussanteil der öffentlichen Güter, um einen Namen zu haben für diesen Tatbestand, kann als indirekte Subvention des Staates an die Bürger angesehen werden, d.h. als Ergebnis politischer Interessen, die sich der Form der öffentlichen Güter bedienen, weil sie die Auszahlung als offensichtliche Subvention politisch nicht hätten durchbringen können. Wohlfahrtsstaaten zeichnen sich durch camoufligierte öffentliche Güter aus, die rent-seeking-Chargen enthalten, die nicht sofort offensichtlich sind.

Deshalb ist die Hybridisierung der öffentlichen Güter ein – ökonomisch betrachtet – positiver Re-Allokationsvorgang, der – wenn es sich klug maßschneidern lässt – die Anteile auf Gebühren verschiebt, die die Bürger für das zahlen, was sie bisher gratis und ohne Versorgungsbedarf erhielten. Alle sozial bedürftigen Bürger müssen dann auf Transfers umwechseln, die ihnen anstelle der früheren öffentlichen Leistungen angeboten werden, und zwar in Höhe der Gebühren. Gebühren-Monitoring wird natürlich ein Kostenfaktor, aber notwendig, weil ja die Gewohnheiten des rent-seeking nicht so leicht abzubauen sind. Doch bleibt die Erstellung öffentlicher Güter – in welcher Form auch immer – ein politisch offenes Spiel. Denn das Eigentum an den öffentlichen Gütern ist leer: also politisch bestimmt. Denn es gibt keinen ökonomischen Mechanismus, der Eigentumsübertragungen außerhalb politischer Verfügungsmacht vermittelt. R. Rorty hält diese Umverteilungsfunktion für ein notwendiges Medium der Demokratie, die sich deshalb nur in den wachstumsbetonten Industriegesellschaften hat durchsetzen können.

Die Theorie öffentlicher Güter, als funktionale Theorie der Allokationseffizienz im öffentlichen Raum eingeführt, erweist sich als eine implizite Umverteilungskonzeption: damit zum einen als ein inhärentes Moment der Wohlfahrtstheorie, zum anderen aber differenziert in zwei Umverteilungsmodalitäten: von unten nach oben und umgekehrt. Daraus lassen sich Kriterien für eine Theorie demokratischer öffentlicher Güter folgern.

Paradoxien demokra­ti­scher öffentliche Güter

– Öffentliche Güter sind keine Staatsgüter, sondern – in Demokratien – über den politischen Prozess legitimierte Güter der Bürger an sich selbst.

– Weil sie „an sich selbst“ sind, sind sie jedem zugänglich zu halten.

– Es sind demokratische Gewährleistungen.

– Der Staat ist hier nur das Medium der Bürgergesellschaft.

– Das setzt voraus, dass alle Bürger Bürger sind und als solche Gleiche.

– Als Gleiche haben sie gleiche Anteile am öffentlichen Gut. Öffentliche Güter sind Formen der Anteiligkeit (oder Anteilshaftigkeit) aller Bürger – ohne dass ein Eigentum daran besessen wird.

– Öffentliche Güter sind leeres Eigentum: pro forma dem Staat zugeordnet, sind sie anteilig gleich im Besitz der Gesellschaft. Allerdings sind die Verfügungsrechte über die Anteile verschieden, je nach politischem Verfahren. Es entsteht folgende Paradoxie:

Jeder (als Gleicher) besitzt das öffentliche Gut anteilig,

aber nutzt es nur partiell oder gar nicht.

– In dem Maße, in dem andere das öffentliche Gut mehr nutzen als man selbst, oder andere es nutzen, man selber aber nicht, tritt man de facto Besitzrechte ab, obschon man die Eigentumsrechte anteilig behält.

– In diesem Sinne ist die Verteilung der Nutzung der öffentlichen Güter ex ante unbestimmt (und unbestimmbar), eine Tatsache, die zwiefältig genutzt wird:

– (a) mit der (demokratischen) Unterstellung, dass dadurch, dass alle Bürger die Güter nutzen können, insbesondere die Armen/Bedürftigen sie nutzen (= implizites Wohlfahrtstheorem), ohne zu zahlen.

– (b) mit der Intransparenz, dass die, die das öffentliche Gut gar nicht zu nutzen brauchten (weil sie die Leistungen daraus privat erwerben können), es nutzen (= Inversion des Wohlfahrtstheorems).

– Nennen wir (a) die Ideologie des öffentlichen Gutes, und (b) die verdeckte Umverteilung (von unten nach oben).

– Die verdeckte Umverteilung zeigt ein rent-seeking-Phänomen, mit der Folge einer falschen Umverteilung und einer Extension des Wohlfahrtstaates an die Grenzen, die ihn momentan dazu zwingen, Reformen durchzuführen.

– Das Problem dieser Konstellation lautet nicht allein: Fehlallokation, sondern vor allem: Gerechtigkeitsdefekt.

Doch erleben wir gerade die Auflösung des Monolithen „Öffentliches Gut“ in verschiedene Differenzierungen: die Politische Ökonomie wird politischer und ökonomischer zugleich.

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