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AK Sexual­straf­recht protestiert gegen Inhaf­tie­rung von Raoul Wüthrich

01. Dezember 1999

Steve Schreiber

Mitteilungen Nr. 168, S. 106-107

Der Arbeitskreis Sexualstrafrecht hat sich auf seiner letzten Sitzung mit der Vorgehensweise der Justiz des US-amerikanischen Bundesstaates Colorado gegen Raoul Wüthrich befasst. Wie man aus der Tagespresse erfahren konnte, wurde der 11-jährige Junge verhaftet und musste über 70 Tage in den Mühlen der amerikanischen Justiz verbringen. Der Arbeitskreis hat daraufhin eine Resolution an den US-Präsidenten Clinton verfasst, die seinem Büro über die Schweizer Botschaft in Berlin zukommen soll. Die Resoluion fordert nachdrücklich die inzwischen – auch auf Grund des großen interntionalen Protestes – erfolgte Freilassung und Ermöglichung der Ausreise des Jungen. Die Schweizer Botschaft hat innerhalb einer Woche schriftlich für die Unterstützung gedankt und versichert, dass sich das Außenministerium weiterhin für Raoul einsetzen wird.

Über den Fall Raoul hinaus fordert der Arbeitskreis eine kritische Auseinandersetzung mit dem, in den USA üblichen, moralpanikartigen Umgang mit Kindersexualität , der erst das Strafverfahren ermöglicht hat. Er äußert sich in zwei Phänomenen: zum einen im Aufstellen unbewiesener Unterstellungen, zum anderen aber auch in einer irrationalen Betrachtung der Kindersexualität als etwas Negatives, zu Unterdrückendes insgesamt. Im Fall „Raoul“ haben wir es bereits mit dem ersten Phänomen zu tun: Obwohl Raoul nicht einmal nachgewiesen ist, ob seine Handlungen wirklich sexuell motiviert waren, wurde er behandelt wie ein Verbrecher. Wäre es aber gelungen, ihm klar sexuelle Absichten nachzuweisen, so wären die Aktionen der amerikanischen Justiz natürlich ebenso wenig berechtigt gewesen. Der Fall wäre dann Teil des zweiten Phänomens geworden: Sexualität unter Kindern wird als etwas fuchtbares behandelt, das es zu bestrafen und evtl. zu therapieren gilt. Die Leidtragenden dieser irrationalen Moralpolitik sind letztlich die Kinder, für die dieser Umgang mit ihrer Sexualität wahrscheinlich zu einer sexualfeindlichen Grundeinstellung und psychischen Störungen führen wird.

Für den Arbeitskreis Sexualstrafrecht, Steve Schreiber; E-Mail: [gelöscht]

Leiter des Arbeitskreises: Johann Glötzner, [Anschrift gelöscht]

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