Themen / Innere Sicherheit

Baden-Würt­tem­berg: Gesetz­ent­würfe zum Einsatz von Body-Cams bei der Polizei

14. Oktober 2016

in: vorgänge Nr. 215 (Heft 3/2016), S. 95/96

(SL) Die schwarz-grüne Koalition (Drs. 16/334) sowie die SPD-Fraktion (Drs. 16/308) im baden-württembergischen Landtag haben Gesetzentwürfe zur Änderung des Landespolizeigesetzes vorgelegt, mit denen der Einsatz sog. Body-Cams durch Polizisten geregelt werden soll. Die Anträge unterscheiden sich u.a. darin, ob die Kameras mit einem sog. Pre-Recording laufen sollen (so der Koalitionsantrag) oder ohne (so der SPD-Antrag). Beim Pre-Recording wird ein bestimmter Zeitpuffer (die Gesetzesbegründung bringt 60 Sekunden ins Spiel) ständig aufgezeichnet und nach einer kurzen Zeitspanne wieder gelöscht. Mit dem Pre-Recording können – so die Idee – bei Bedarf Beweismittel für einen Übergriff nachträglich festgehalten werden. Beide Entwürfe gehen davon aus, dass mit Body-Cams Polizeibeamte und Dritte besser vor gewaltsamen Übergriffen geschützt werden könnten; angesichts hoher Fallzahlen sehen die Antragsteller einen „dringenden Handlungsbedarf“. 

Die Humanistische Union Baden-Württemberg hat zu den beiden Gesetzentwürfen am 16.9.2016 eine Stellungnahme abgegeben, die von Dr. Udo Kauß und Anja Heinrich erarbeitet wurde. In ihr verweisen beide auf die aktuellen Daten aus der Kriminalstatistik, die die behauptete Dringlichkeit keinesfalls belegen: seit 2005 sei die Zahl der bundesweit angezeigten „Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte“ um die Hälfte zurück gegangen, auch für das Land Baden-Württemberg lasse sich eine zunehmende Aggressivität und Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten keinesfalls belegen, die Zahlen lägen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Bei einer Aufklärungsquote von über 99 % verspreche eine zusätzliche Dokumentation der Vorfälle auch keine bessere Strafverfolgung.

Gegen den Einsatz der Body-Cams werden darüber hinaus grundlegende verfassungsrechtliche Einwände geltend gemacht. Die Stellungnahme weist darauf hin, dass mit den Kameras dreifach in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird: bei diejenigen Bürger/innen, die Kontakt zu den kameratragenden Polizisten aufnehmen; bei den Polizist/innen; bei möglichen unbeteiligten Dritten. Aufnahmen dürfen lt. beiden Entwürfen dann gestartet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben von Polizeibeamten oder Dritten erforderlich sei (die direkten Kontaktpersonen der Polizist/innen sind jedoch außen vor). Es fehle jedoch eine hinreichende Begrenzung der Pre-Recording-Funktion (der Umfang des Zeitbuffers wird nicht festgelegt) als auch entsprechende Verarbeitungsvorschriften für die Aufnahmen. Darüber hinaus meldet die Stellungnahme Zweifel an der Geeignetheit der Maßnahme an: ersten Untersuchungen zufolge steigern die Body-Cams die Gewaltbereitschaft bei Bürger/innen wie Polizist/innen. Von den Kameras könne auch schwerlich eine Abschreckungswirkung für gewaltbereite Bürger/innen ausgehen, wenn die Aufklärungsquote bei Übergriffen auf Polizisten im Ländle ohnehin bei 99 % liege. Auffällig ist, dass beide Gesetzentwürfe nicht darauf abzielen, mit den Kameras den Schutz der Bürger vor polizeilichen Gewaltübergriffen zu verbessern (bei denen es tatsächlich ein Nachweisproblem gibt). Die Stellungnahme geht dennoch auf diese Frage ein, gelangt aufgrund der bisher vorliegenden Untersuchungen jedoch zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Body-Cams auch für den Schutz der Bürger/innen vor Polizeiübergriffen keinen Gewinn versprechen. Da die Kameraaufzeichnungen also weder in die eine noch die andere Richtung präventive Wirkung entfalten, sondern allenfalls als Beweismittel für mögliche Strafverfahren taugen, wird dem Landesgesetzgeber überhaupt die Gesetzgebungskompetenz abgesprochen: für die Strafverfolgung ist der Bundesgesetzgeber zuständig.

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