Bundeswehr-Einsatz gegen Schlepper im Mittelmeer - als Mittel gegen die Massenflucht ungeeignet und verfassungswidrig!
Der Deutsche Bundestag entscheidet am 1. Oktober 2015 über den Antrag der Bundesregierung, bewaffnete Streitkräfte der Bundeswehr als Teil der EU-Operation EUNAVFOR MED (Phase 2) gegen Schlepper im Mittelmeer einzusetzen. Die Humanistische Union (HU) kritisiert, dass dies kein sinnvolles Instrument zur Verhinderung der gegenwärtigen Flüchtlingsströme ist und überdies gegen das Grundgesetz verstößt.
„Bei den Aktivitäten der Schleuser handelt es sich nicht um einen bewaffneten Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland oder einen anderen NATO-Staat, sondern um kriminelle Handlungen (das sog. „Einschleusen von Ausländern“). Für deren Bekämpfung ist aber nicht die Bundeswehr, sondern die Bundespolizei gemäß § 6 Bundespolizeigesetz zuständig“, erklärt der Verfassungsrechtler Prof. Martin Kutscha vom Bundesvorstand der HU. „Von Verfassung wegen“, so Kutscha weiter, „darf die Bundeswehr nur zur Verteidigung gegen einen bewaffneten Angriff sowie im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit – insbesondere also der UNO – gemäß Art. 24 Abs. 2 Grundgesetz eingesetzt werden. Ein solches System ist die EU keineswegs. Es ist schlicht unzulässig, die Streitkräfte der Bundeswehr als eine Art Weltpolizei gegen Gesetzesbrecher aller Art einzusetzen.“
Die Verfassungswidrigkeit des geplanten Militäreinsatzes der Bundeswehr belegt auch eine Expertise deutscher Menschenrechtsorganisationen, die im Forum Menschenrechte zusammenarbeiten. [1] Demnach verstößt die Entsendung der Bundeswehr zur Bekämpfung der Schleuser gegen das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Militär und Polizei. „Mit der gewaltsamen Aufbringung von Flüchtlingsbooten werden weitere Menschenleben als „Kollateralschäden“ in Kauf genommen. Der Schleuser wird man so nicht habhaft werden, da diese meist nicht auf den Flüchtlingsbooten sind, sondern im Hintergrund agieren“, mahnt Kutscha.
Mit dem geplanten neuen Mandat der Bundeswehr vollzieht die Bundesregierung nach Ansicht der HU einen Paradigmenwechsel: Statt der dringend gebotenen Seenotrettung setze sie nun vorwiegend auf die Abschreckung und die Abriegelung von Fluchtmöglichkeiten. Dieser Wechsel steht im Widerspruch zur Willkommenskultur, die die Bevölkerung in Deutschland praktiziert und die Bundesregierung beschwört.
Mehr als 500.000 Menschen sind seit Jahresbeginn über das Mittelmeer nach Europa gekommen, fast 3000 Menschen starben dabei bzw. gelten als vermisst. [2] „Es ist illusorisch zu glauben, der Flüchtlingsstrom lasse sich durch Militäreinsätze gegen Flüchtlingsboote eindämmen. Solange die Fluchtursachen wie Krieg, bitterste Armut und Perspektivlosigkeit in Syrien, Irak, Afghanistan, Eritrea oder auch in den Flüchtlingslagern Jordaniens und des Libanon anhalten, riskieren die Menschen gefährliche Fluchtwege und nehmen Schlepper in Anspruch“, meint der HU-Vorsitzende Werner Koep-Kerstin. „Die EU muss das Sterben im Mittelmeer beenden durch Eröffnung legaler, gefahrenfreier Wege für Flüchtlinge nach Europa sowie den Aufbau einer zivilen europäischen Seenotrettung. Dafür muß das EU-Parlament umgehend die benötigten finanziellen Mittel bereitstellen. Militärischer Aktionismus ist dafür kein Ersatz“, so Koep-Kerstin.
Quellen:
[1] Forum Menschenrechte: An den Grenzen des Flüchtlingsrechts. Ein völkerrechtliches und menschenrechtliches Positionspapier zur Auslagerung der Grenzkontrollen, Militäreinsätzen und Seenotrettung vom Juni 2015, abrufbar unter www.forum-menschenrechte.de
[2] Angaben lt. Süddeutscher Zeitung v. 30.9.2015.
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