Themen / Innere Sicherheit

Dreimal "Anti-Ter­ror-­Ge­setze" in München - ein subjektiver Bericht

21. März 2002

Mitteilungen Nr. 177, S.15

Im Januar und Februar 2002 fanden in München drei Veranstaltungen zum Thema „Anti-Terror-Gesetze“ statt, an denen die HU auf unterschiedliche Art und Weise beteiligt war.
Am 25. Januar hielt das HU-Beiratsmitglied Dr. Burkhard Hirsch auf Einladung der Gewerkschaft ver.di im DGB-Haus einen abendfüllen-den Vortrag mit dem Titel „Abschied vom Grundgesetz“. Circa 200 Personen hingen dem Vollblut-Politiker an den Lippen, als er in die Horrorkiste des Gesetzes griff und Stück für Stück, mit drastischen
Beispielen gespickt, die „Folterinstrumente“ Revue passieren ließ. Scharf war seine Kritik am „Hauruck“-Verfahren („eines demokra-tischen Staates unwürdig“), mit dem das „Sicherheitspaket II“ (in Kraft seit dem 1. Januar 2002) durch die Gremien gepeitscht wurde; und mahnend waren seine Worte, wonach schon die bisherigen Regelungen schlimm genug seien, nun aber endgültig die Grenze des
Erträglichen überschritten sei. Die Ansicht der „schweigenden Mehrheit“ in der Bevölkerung, die glaubt, derartige Gesetze beträfen nur die Anderen, geißelte er mit den Worten, er halte diese Denkweise für politische Zechprellerei.
„Ohne die Freiheit des einzelnen gibt es keine Freiheit!“ Das Publikum reagierte betroffen bis kämpferisch und verschiedene Gewerkschaftsfunktionäre kündigten an, sie würden dafür sorgen, dass dieses Thema in den Gewerkschaftsgremien endlich zur Chefsache werde. Auf die Frage, was man sonst noch tun könne, gab Dr. Hirsch die entwaffnende Antwort: „Gehen Sie zur HUMANISTISCHEN UNION!“ Vielen Dank, Dr. Hirsch, aus München. Sie sind ein großartiger „Werbeträger“ für die HUMANISTISCHE UNION und ein unermüdlicher Kämpfer für die Freiheitsrechte.
Am 5. Februar fand eine von der Neuen Richtervereinigung, den Richtern und Staatsanwälten in ver.di und der HU München-Südbayern unterstützte Veranstaltung der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger mit dem Titel „Sicherheit durch Überwachung? Die geplante Anti-Terror-Gesetzgebung auf dem Prüfstand“ statt. Geradezu bezeichnend für die Thematik ist dabei das Wörtchen „geplant“ im Titel – die Veranstalter hatten
offensichtlich nicht geahnt, dass am 5. Februar die Gesetze schon längst in Kraft sein würden! Zwei Experten, die Rechtsanwälte Werner Leitner und Hubert Heinhold, gaben einen Überblick über die neuen Regelungen aus anwaltlicher Sicht. Sogar als Juristin muss ich aber gestehen, dass ich wohl nicht einmal die Hälfte davon in all ihren Konsequenzen verstanden hätte, hätte ich nicht einige Tage zuvor das wesentlich plastischere Referat des Dr. Hirsch gehört. Gut gemerkt habe ich mir hingegen Leitners Bemerkung, er hätte sich als junger Anwalt, der den Verteidiger Horst Mahlers, Otto Schily, bewunderte, nicht träumen lassen, dass er zwanzig Jahre später auf einem Podium sitzen und den Bundesinnenminister Otto Schily angreifen würde, der soeben beim Bundesverfassungsgericht einen
Verbotsantrag gegen die NPD, vertreten durch das NPD-Mitglied, Rechtsanwalt Horst Mahler, gestellt haben würde …
Den Abschluss dieser zufällig entstandenen Reihe bildete am 20. Februar eine als Podiumsdiskussion getarnte Wahlkampfveran-staltung der FDP mit: Jürgen Möllemann, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr.Klaus Hahnzog und Dr. Till Müller Heidelberg, u.a. im Löwenbräukeller.
Außer unserem Bundesvorsitzenden befanden sich also noch zwei HU-Maulwürfe auf dem Podium, nämlich die Beiratsmitglieder Leutheusser-Schnarrenberger und Dr. Hahnzog. Der Titel der Veranstaltung lautete: „Innere Sicherheit und Freiheit – Das Sicherheitspaket II im Fadenkreuz von Experten“. Die Spannbreite der Thesen kann kurz wie folgt dargestellt werden: Till Müller- Heidelberg lehnte das Gesetzeswerk komplett ab. Volle Unterstützung fand er hierbei bei Jürgen Möllemann und Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger. Letztere wies darauf hin, dass die FDP-Fraktion als einzige das „Sicherheitspaket II“ (wenn auch nicht das „Paket I“) geschlossen abgelehnt habe – für mich persönlich ein wichtiger Grund, eventuell – zum ersten Mal seit 22 Jahren – wieder FDP zu wählen.
Dr. Hahnzog nahm entsprechend der Haltung seiner Partei eine „gespaltene“ Position ein und meinte, dem Gesetz seien bereits im Vorfeld wenigstens die „giftigsten Zähne“ gezogen worden. Herr Vogler – seines Zeichens Bundesvorsitzender der Polizeigewerk-schaft im Deutschen Beamtenbund – besetzte auf dem Podium die Kontrastposition aus polizeilicher Sicht, während die windelweichen „einerseits-andererseits“- Ausführungen des Vorsitzenden des
Bayerischen Richtervereins, Horst Böhm, deutlich machten, weshalb der Richterverein kein „geborener“ Partner bei rechtspolitischen Veranstaltungen der HUMANISTISCHEN UNION ist. Während Till Müller-Heidelberg viel und lang anhaltenden Applaus erhielt, schoss Jürgen Möllemann ein Feuerwerk an Thesen und Forderungen ab (wenn auch oft am Thema vorbei). Unter anderem kritisierte er das
unwürdige Spiel beim NPD-Verbotsantrag („Der Verfassungsschutz
schreibt die Texte, die er verbieten will, gleich selber“), forderte eine Aussetzung des Antrags und Erledigung des Themas in der freien Meinungsauseinandersetzung, wies auf die Diskriminierung kritischer Stimmen seit dem 11.September hin, verlangte den sofortigen Abzug der Bundeswehr-Einheiten aus Kuwait, und forderte bei der
Gelegenheit gleich noch die Abschaffung der Wehrpflicht und die Errichtung eines unabhängigen Staates Palästina.
Damit war Jürgen Möllemann der Star des Abends – aber es war ja, wie gesagt, eine Wahlkampfveranstaltung.

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