Themen / Innere Sicherheit

"Es geht beileibe nicht um Kommu­ni­ka­ti­ons­schwie­rig­kei­ten..."

15. Dezember 2005

Kritische Anmerkungen zur Tagung „Sicherheit und Bürgerfreiheit in Europa“ und der geplanten Konferenz über das Luftsicherheitsgesetz

Mitteilungen Nr. 191, S.17

Anmerkung der Redaktion: Zum Konzept der Tagung „Sicherheit und Bürgerfreiheit in Europa“ erreichte uns eine Kritik unseres Beiratsmitglieds Martin Kutscha, die wir mit seinem Einverständnis wiedergeben möchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die verdienstvolle und häufig mit erheblichen Zeitopfern verbundene Arbeit der Humanistischen Union wird unter der kommenden großen Koalition sicher nicht weniger wichtig. Insoweit kann ich Euch/Sie nur in Eurem/lhrem Engagement bestärken!

Was mir aber Sorge bereitet, ist die Planung zweier Konferenzen, bei der die HU nach meinem Eindruck ihre bürgerrechtliche Orientierung nicht optimal verwirklicht. Dies gilt vor allem für die Tagung „Sicherheit und Bürgerfreiheit in Europa“, die Ende November stattfinden soll und bei der sich zahlreiche hochrangige Vertreter der Geheimdienste und anderer „Sicherheitsbehörden“ auf dem Podium tummeln sollen, flankiert nur von einigen manchmal mehr, manchmal weniger profilierten Bürgerrechtlern. Der Ankündigungstext lässt mir förmlich die bürgerrechtlichen Haare zu Berge stehen: Die Rede ist da von „Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Vertretern der Sicherheitsorgane und gesellschaftlichen Akteuren“ sowie der Notwendigkeit des „Aufbaus von gegenseitigem Vertrauen“. Letzteres war nun gerade nicht das Ziel der jahrzehntelangen Kritik der HU an der Praxis der Geheimdienste, sondern zumindest eine funktionierende rechtsstaatliche Kontrolle, wenn nicht gar die Abschaffung von Geheimdiensten als Fremdkörper in einer auf Öffentlichkeit basierenden Demokratie. Es geht also beileibe nicht um „Kommunikationsschwierigkeiten“, sondern um höchst unterschiedliche Standpunkte, es sei denn, man hielte den Verfassungsschutz wirklich für diejenige Institution in Deutschland, die die verfassungsmäßigen Grundrechte am besten zu schützen versteht und damit eine Bürgerrechtsbewegung völlig überflüssig macht. Herr Schily und Herr Schäuble mögen so denken, aber die meisten Mitglieder unserer Organisation vermutlich nicht. Kurz – das Programm dieser Tagung sowie der Einführungstext erwecken in mir den Eindruck, dass die HU für das in den letzten Jahren intensiv betriebene Akzeptanzbeschaffungsmanagement der ja inzwischen mit zahlreichen neuen Planstellen und Finanzmitteln ausgestatteten Geheimdienste instrumentalisiert wird.

Bei der zweiten Tagung zum „Luftsicherheitsgesetz“ [s.S. 31 dieser Ausgabe], die im Frühjahr 2006 stattfinden soll, kann ich mich kürzer fassen: Es ist ohne Zweifel verdienstvoll, im Vorfeld der erwarteten BVerfG-Entscheidung eine Runde Juristen unterschiedlicher politischer Couleur über die Problematik des Abschusses „terrorverdächtiger“ Flugzeuge diskutieren zu lassen. Nach der Auswahl der Referenten zu urteilen, ist offenbar aber nicht beabsichtigt, die in den letzten Jahren völlig gewandelte Rolle der Bundeswehr zu problematisieren. Für mich ist es schon erschreckend, wie reibungs- und geräuschlos von einer informellen großen Koalition fast aller Parteien die Umwandlung einer Armee zur Verteidigung des Heimatterritoriums zu einem multifunktionell und weltweit einsetzbaren Interventionsapparat betrieben wird. Strittig ist dabei offenbar nur noch die Frage, ob dafür denn nun eine Verfassungsänderung notwendig ist (was die CDU zu Recht bejaht) oder ob die klare Beschränkung auf die Verteidigungsaufgabe in unserer Verfassung durch interpretatorische Verrenkungen a la Struck bis zur völligen Grenzenlosigkeit verwässert werden kann. Kein Thema für eine Bürgerrechtsorganisation? Jürgen Seifert, den wir nun leider nicht mehr befragen können, wusste es aus den Debatten um die Notstandsgesetze besser: Die präzise Einhegung der Handlungsbefugnisse des Militärs hat sehr viel auch mit Bürgerfreiheit zu tun, zumal vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte! Die HU sollte sich jedenfalls nicht an der medialen Verdrängung dieser Problematik beteiligen.

Mit den besten Grüßen

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