Themen / Innere Sicherheit

Geheim­dienste endlich kontrol­lieren und evaluieren! Humanis­ti­sche Union lehnt Verlän­ge­rung und Erweiterung der Geheim­dienst­be­fug­nisse ab

27. Oktober 2011

Zur heutigen Bundestagsabstimmung (27.10.2011) über die Änderungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes (Bundestags-Drucksache 17/6925) erklärt Prof. Dr. Rosemarie Will, Bundesvorsitzende der Humanistischen Union:

Der Bundestag hat wieder ohne wirkliche Evaluation die im Gefolge des 11. Septembers 2001 geschaffenen Geheimdienstbefugnisse verlängert und erweitert. So ufert zum Beispiel mit dem neugeschaffenen Abruf der beim Bundeszentralamt für Steuern vorgehaltenen Kontoinformationen durch die Geheimdienste der Datenzugriff für unterschiedlichste Behörden in diesem Bereich immer weiter aus. Für die Notwendigkeit solcher Grundrechtseingriffe hat die Bundesregierung keinerlei Nachweis erbracht.

Schlimmer noch, die im Gesetz formulierte Verpflichtung Dritter zur Auskunft schafft eine hoheitliche Befugnis (§ 8b Absatz 4 Bundesverfassungsschutzgesetz-Entwurf). Sie nähert die Kompetenzen der Geheimdienste denen der Polizei an. Die angebliche Klarstellung in der Gesetzesbegründung, zur Durchsetzung auf Sanktionen zu verzichten, genügt nicht, um die Bedenken auszuräumen.

Nur an wenigen Stellen wird Unbrauchbares tatsächlich gestrichen und den Bürgerinnen und Bürgern als Rücknahme verkauft. Anstatt jedoch mit dem sogenannten kleinen Lauschangriff in Wohnungen (zur Eigensicherung der Geheimdienstmitarbeiter) auch gleich den „Großen Lauschangriff“ mitabzuschaffen, schafft es der Gesetzgeber nicht einmal, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereich privater Lebensgestaltung in die Befugnis aufzunehmen.

Die Bundesregierung verweigert – wie schon die Vorgängerregierung – eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation sogenannter Anti-Terror-Befugnisse. Sie hat dem bestellten Gutachter ausdrücklich untersagt, Anwendungsschwierigkeiten der Eingriffsbefugnisse zu klären, die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Praxis der Sicherheitsbehörden zu untersuchen, die Verfassungsmäßigkeit der Normen zu beurteilen und die rechtspolitische Frage zu beantworten, ob die Verlängerung der jeweiligen Eingriffsbefugnisse vorgenommen werden sollte oder nicht. Die bloße Ankündigung einer Regierungskommission, die jetzt nach der erneuten Verlängerung endlich wirklich evaluieren soll, ist deshalb unglaubwürdig.

Diese Bundesregierung wird weiter in der üblichen Salamitaktik Grundrechte beschränken und Geheimdienstbefugnisse ausbauen, anstelle seriös die grundrechtlichen Begrenzungen bei der Terrorismusbekämpfung zu diskutieren.

Wir fordern deshalb die gesetzliche Regelung von Standards zur unabhängigen, wissenschaftlichen und vor allem bürgerrechtlichen Evaluierung aller nach dem 11. September 2001 neu geschaffenen Befugnisse der Sicherheitsbehörden. In den Händen der Exekutive darf eine solche Evaluation keinesfalls liegen.

Für Rückfragen steht Ihnen Martina Kant, Geschäftsführerin der Humanistischen Union, unter (030) 204 502 56 oder info@humanistische-union.de zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Thema Terrorismusbekämpfung und Evaluation finden Sie unter:
https://www.humanistische-union.de/themen/innere_sicherheit/terror/

Links

Bundestags-Drucksache 17/6925

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